Ok., ich war gestern in Nürnberg auf dem Fränkischen Bierfest. Das hat sich ja schon herumgesprochen. Und wenn ich auf so ein Bierfest oder eine Biermesse gehe, habe ich ja immer einen Plan mit Bieren, die ich unbedingt probieren muss, weil sie mir noch fehlen oder gar neu sind. Eines dieser Biere war gleich auch das erste, das ich gestern probiert habe … und vielleicht sogar das Interessanteste des ganzen Tages:

die Hersbrucker Bier-Sonderheit Brauhaus 976

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Bei solchen Bieren frage ich ja immer erst, was mich jetzt wohl erwarte. Dass mache ich aus einem bestimmten Grund. Man kann Biere, vor allem, wenn sie nicht der Norm entsprechen, nämlich ziemlich leicht „falsch verstehen“. Jaja, ich weiß, jetzt kommen sicher ein paar bissige Kommentare in Richtung „Bierversteher“ oder gar „Bierflüsterer„. Das ist schon in Ordnung, die Vorlage habe ich ja selbst gegeben. Aber mal ehrlich, gerade ein Bier wie das Brauhaus 976 kann man sehr schnell „missinterpretieren“. Wenn man als Hintergrundinfos nämlich hat, dass es obergärig und hopfengestopft ist, dann erwartet man etwas wie ein Pale Ale oder gar ein IPA. Und das bekommt man aber nicht. Erwarte ich aber ein brachial gehopftes amerikanisches Ale, dann muss mir das Brauhaus 976 „zu langweilig“ vorkommen. Weiß ich aber nicht, dass es obergärig vergoren wurde, dann sehe ich in dem bernstein-orangefarbenen Bier vielleicht eine Art edleres Kellerbier. Aber dann stört man sich an den untypischen Fruchtnoten und am deutlich hopfigeren Aroma. Von der Herbe ganz zu schweigen.OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Ihr seht also, dass es sehr leicht geht, ein Bier falsch zu interpretieren. Aber lässt man all diese Erwartungshaltungen beiseit eund lässt sich nur auf das Bier ein, dann fällt einem eine schöne Hopfenaromatik auf. Die zeigt feine Orangennoten, spielt mit der Hefe zusammen, ist aber im Vergleich zu modernen Craftbieren dezenter. Aber ein „Craftbier„, so wie  man sie immer häufiger findet, soll das Brauhaus 976 gar nicht sein. Gebraut wurde es ausschließlich mit Gerstenmalz. Dann wurde es wie gesagt obergärig vergoren und dann wurde es mit Hersbrucker Hopfen – sozusagen von ums Eck – gestopft. Aber eben mit klassischem Hopfen gestopft und nicht mit den exotischen Sorten, die gerade so in sind. Und so hat man ein angenehm fruchtiges Aroma, da machen sich die Fruchtester von der obergärigen Hefe bemerkbar. Dazu kommt ein ein vollmundiger Mix aus Hefearomen und Hopfencharakteristik. Hintenraus wird es dann für ein fränkisches Bier deutlich herb. Aber an diese Bittere kann man sich schnell gewöhnen, weil sie gut zur vorangehenden Fruchtigkeit und Hefe passt. Der feine Hopfen darf sich übrigens bis in den Nachhall halten.
Das ist irgendwo zwischen einem Kellerbier und einem Pale Ale anzusiedeln. Wenn man so etwas wie einen deutschen Craftbier-Stil sucht, dann geht es wohl in die Richtung des Brauhaus 976. Die Verwendung von klassischem Hopfen, die obergärige Hefe, … Das ist anders, aber nicht zu extrem. Das ist ungewohnt, aber lässig trinkbar. So bekommt man uns traditionelle Franken auch mal zu was anderem. Wer heute oder morgen noch übers Bierfest schlendert, sollte sich das Brauhaus 976 mal anschauen. Denn sonst gibt es das nur in der Brauerei und der Braugaststätte in Hersbruck. Und das ist zumindest für mich nicht grad ums Eck.

P.S.: Ich habe ja gestern so viel über „Bier und Transparenz“ geschrieben. Da darf ich dann nicht verheimlichen, dass ich das Bier spendiert bekommen habe. Aber bevor hier jetzt jemand „bezahlte Lobhudelei“ wittert, muss ich das einschränken. Also erstens kann man mich mit einem Bier noch lange nicht kaufen und zweitens … ach was, probiert das Brauhaus 976 doch einfach selbst. Dann geht’s euch sicherlich auch so wie mir. ;-)