Über das heutige Bier des Tages, das Saison julie von Christian Hans Müllers Hanscraft & Co. bräuchte ich eigentlich kaum mehr etwas zu schreiben, denn eigentlich ist in den Bier-Blogs meiner geschätzten Kollegen (und natürlich auch Kolleginnen) alles Wichtige schon geschrieben worden. Mareike Hasenbeck weist in ihrem Blog Feiner Hopfen z. B. unter anderem auf die Beziehung zwischen Biernamen, Bierstil und Christian Hans Müllers Freundin hin. Daniel Jakob setzt sich in seinem Blog usoX Bierblog geht dagegen mehr auf den Charakter des Biers ein. Und auf ratebeer wird das Bier insgesamt kontrovers diskutiert.

Auf diese Diskussion bei ratebeer möchte ich ein wenig näher eingehen. Denn dort liest man bei ein paar Rezensionen den Hinweis auf Gushing. Und der ist meines Erachtens falsch! Denn unter dem Begriff Gushing versteht man das spontane Überschäumen eines Getränks beim Öffnen. Zumindest liest man es so in den meisten wissenschaftlichen Publikationen. (Siehe auch hier, hier und hier). Und da verhielt sich das Saison Julie zumindest in meinem Fall ganz brav. Es zischte ein wenig, das wars. Aber das Saison Julie will sanft eingeschenkt werden. Denn übertreibt man es da, kann sich die rasch aufsteigende Schaumkrone durchaus über den Glasrand ergießen. Das mag auf ratebeer den einen oder anderen – vor allem Flaschenbiertrinker – geärgert haben, aber streng genommen ist das kein Gushing.
[Anmerkung: Laut Angaben von Christian Hans Müller betraf das Problem einer erhöhten Schaumentwicklung nur einen kleinen Teil der Charge mit 06.05.16. Bei Problemen könne man sich an die Brauerei wenden. Ab der zweiten Abfüllung verhält sich das Bier wieder normal. Also alles gut! ;-)]

Lässt man dem Bier ein wenig Zeit, dann benimmt es sich auch wieder ganz ordentlich. Gut, sein durchaus spritziger Charakter dürfte der Schaumentwicklung förderlich sein. Aber so what, ich hatte eh nicht vor, das Saison Julie aus der Flasche zu kippen. Und im Glas macht es sich wie gesagt ganz manierlich.

Bei den Hopfensorten fällt mir vor allem Sorachi Ace als erstes beim Geruch auf, wohl weil ich ihn gerade auch zuhause habe und sich bei mir seit einem sehr stark mit Sorachi Ace hopfengestopften Bock vom Greifenklau in Bamberg dessen Aromenprofil präsenter ist. Diese deutlich hopfige Note mischt sich mit den Fruchtaromen von Chinook. Da treffen kräuterige Aromen auf Grapefruit, Pinienanklänge auf Citrus, Orange und Limone – und das alles läuft schon ordentlich hopfig die Kehle hinunter …

Und da beginnt bei mir (und übrigens auch bei meiner weltbesten Biertestergattin) jetzt ein kleines Problem: Sorachi Ace muss nicht, aber kann in eine Kokos-Richtung gehen. Das tut er hier eher dezent, aber ich finde, er tut es. Und das fällt mir besonders auf (oder ich bilde es mir besonders ein), weil ich Kokos nämlich nicht mag. Und dann ist man bei so einem Geschmack ja überempfindlich. Dafür können weder Christian Hans Müller, noch seine Freundin (nach der das Bier benannt wurde) und auch nicht der zuerst von einer japanischen Brauerei gezüchtete Hopfen Sorachi Ace etwas. Lasse ich das außen vor, ist das Saison Julie ein nettes, angenehm hefiges, schön spritziges Saison, dessen 6 % Alkohol kaum ins Gewicht fallen.
Würde ich das Bier empfehlen? Jederzeit – höchstens vielleicht mit dem Hinweis, es sanft zu behandeln. Aber Bier sollte man immer wie seine Freundin behandeln. (Natürlich nur, wenn man seine Freundin auch wirklich mag, aber das würde jetzt zu weit führen.) Und das Problem des starken Schäumens beim Einschenken scheinen auch nicht alle Biertester zu kennen.
Würde ich mehr von dem Bier kaufen? Wahrscheinlich nicht für mich, weil ich das Problem mit Sorachi Ace habe. Aber da ist es mit dem Bier wie mit den Freundinnen (oder Ehefrauen für die, die über das Freundinnenstadium schon heraus sind): Jeder Topf hat seinen Deckel und für jedes Bier gibt es den passenden Bierfreund. ;-)

P.S.: Sehr positiv gefällt mir übrigens nach wie vor, dass Christian Hans Müller auf seinen Etiketten darauf hinweist, dass er das Bier im Bürgerlichen Brauhaus in Wiesen braut. So viel Transparenz zeigen nicht alle Brauer. Dafür nochmal ein dickes Lob.