Beim dritten Buchtest aus dieser kleinen Serie bin ich in gewisser Weise auch ein wenig „befangen“, denn es ist im selben Verlag und in derselben Reihe erschienen wie unser 111 fränkische Biere, die man getrunken haben muss. man könnte fast sagen, es ist sowas wie der große Bruder unseres Buchs: 111 deutsche Biere, die man getrunken haben muss. Der Autor Thomas Fuchs sagt mir hier – im Gegensatz zu den beiden anderen Werken – nichts. Zumindest ist er mir in der deutschen Bierszene bisher nicht weiter aufgefallen. Auf der Homepage des Verlags erfährt man über Thomas Fuchs:
„Thomas Fuchs ist Schriftsteller. In seinem ersten Roman »Grenzverkehr« (2009) spielt Amsterdam eine wesentliche Rolle, aber das war nicht sein einziger Berührungspunkt mit dem Thema Niederlande. Er arbeitete zuvor unter anderem als Gagschreiber für Rudi Carrell und war Deutschland-Korrespondent für die leider nur kurzlebige holländische Satire-Zeitschrift PIM (Politiek Incorrect Magazine). 2012 kam seine Mark-Twain- Biographie »Ein Mann von Welt« auf den Markt und vor kurzem erschien sein erster historischer Roman »Arminius – Kampf gegen Rom«.„
Das verspricht zwar leichte Lesbarkeit, sagt aber noch nichts über die Bierauswahl aus. Liest man das Vorwort des Buchs und sieht sich die Bierauswahl an, merkt man übrigens gleich, dass dieses Buch sich eher an „Otto Normalbiertrinker“ wendet als an „Bier-Nerds“ wie mich.
„Obwohl Biertrinker nie so verbissen waren wie Weinfreunde, gibt es auch hier eine gewisse Schnöseligkeit á la: Nur wer weiß, was eine Darre ist und aus dem Kopf die unterschiedlichen Infusionsverfahren beim Maischen erläutern kann, darf mit gutem Gewissen Bier trinken.
Tja – mit dieser gewissen „Schnöseligkeit“ sind dann wohl Leute wie ich gemeint. Sobald ich irgendwo einen anderen Bier-Nerd oder gar Brauer wittere, diskutiere ich ja mit Vorliebe (und zum Leidwesen der Umstehenden/Angesprochenen) über solche Themen wie Maischmethoden.
Ein anderes Thema, das mich bei solochen Büchern wie den hier vorgestellten, brennend interessiert, ist die Frage, welche Biere vorgestellt werden. Würde ich einen Bierführer über ganz Deutschland schreiben, sollten die vorgestellten Biere die regionale Vielfalt, die typischsten und auch untypische Sorten und die verschiedenen Betriebsgrößen zwischen Kleinbrauerei und Hektolitermillionär widerspiegeln, ohne jedoch zu viel Bekanntes zu wiederholen. Dass ich da mit der Auswahl, die Thomas Fuchs vornimmt, nicht immer einverstanden bin, kann man sich vorstellen.
Klar, Astra, Beck’s, Bitburger, Diebels, Flensburger, Franziskaner, Hasseröder, Holsten, Jever, König, Köstritzer, Krombacher, Radeberger, Warsteiner, Veltins, Wernersgrüner und sogar Öttinger sind auf dem deutschen Biermarkt nicht einfach nur präsent, sie sind für viele der deutsche Biermarkt. Aberwer weiß schon, dass Oettinger vom Alt bis zum Bockbier ein breites Sortiment herstellt? Da hätte man vielleicht eine andere Sorte als das überall bekannte „Oettinger Pils“ werfen können.
Hier kommt ein Schwachpunkt dieses Buches – zumindest aus meiner Sicht: Man erfährt leider nicht bei jedem Bier, warum man es unbedingt mal probiert haben sollte. Was macht das Warsteiner Premium Pils jetzt so besonders? Die Beschreibung der Brauereigeschichte und des Marketings füllen viele Zeilen. Über das Bier erfährt man nur eines: „Warsteiner ist gut“. Das dürfte Otto Normalbiertrinker reichen. Der freut sich, dass „sein Warsteiner“ unter den 111 besten Bieren ist. Mir reicht es nicht, zumindest nicht mehr, dafür bin ich „zu schnöselig“. Ich will halt einfach mehr wissen.
Auf der anderen Seite gibt es natürlich auch genügend Biere, bei denen der Platz in einem solchen Buch durchaus gerechtfertigt ist und mit deren Beschreibung ich „glücklich“ bin. Dass zum Beispiel mein geliebtes Keesmann Herrenpils unter den 111 deutschen Bieren zu finden ist, gefällt mir sehr. Auch mit dem Weiherer Kellerbier, dem Schorschbock oder sogar dem Mönchshof Kellerbier bin ich einverstanden. Vom Faust Kräusen ganz zu schweigen.
Und außerdem gibt es immer wieder kurze Verkostungsnotizen, man erfährt etwas über Farbe, Bittere oder Hopfung. Wenn dann zum Beispiel BraufactuM Clan Ale oder die Braunschweiger doppelte Segelschiff Mumme, das Camba Pale Ale oder der Würth Zoigl beschrieben werden – in diesen Momenten mag ich das Buch. Sie müssten für meinen Geschmack nur häufiger sein.
Was mich andererseits wieder ein wenig stört, ist die Tatsache, dass in dem Buch bisweilen einzelne Biere, bisweilen Brauereien (ohne Bezugnahme auf ein einzelnes Bier) und einmal ein Bierstil (ohne Hinweis, von welcher Brauerei man den am besten probieren sollte) präsentiert werden.
Wenn zum Beispiel auf S. 14/15 das Aecht Schlenkerla Rauchbier vorgestellt wird, erfährt man aus dem Text nicht, dass das Märzen der Brauerei gemeint ist. Die Gleichung ist hier: „Schlenkerla“ ist immer gleich „Schlenkerla Märzen“. Wie das Bier schmeckt, erwähnt der Text leider nicht. Dafür werden stimmungsvoll die Herstellungsweise von Rauchbier und die Gemütlichkeit der Brauerei beschrieben. Aber gerade bei einem Rauchbier sollte man vielleicht ein paar Zeilen über das für viele ungewohnte Aroma verlieren.
Oder die Beschreibung der Berliner Weiße: Man erfährt zwar einiges über den Erfinder usw., aber nichts über die eigentlich wichtige die Milchsäuregärung. Über den Geschmack einer mit Sirup versetzten Berliner Weissen erfährt man nur so viel:
„Das so entstandene Getränk sah nun bunt aus, zog aber, weil es eher säuerlich als süßlich roch, nicht so viele Wespen an wie Limonade.“
Im Adressteil wird dann Berliner Kindl erwähnt. Das war’s, aber mir ist das mal wieder zu wenig differenziert. Kein Wort darüber, wie die Vielfalt an Berliner Weisse langsam Stück für Stück durch den Zusammenschluss der Berliner Brauereien verschwand. Und auch kein Wort über die Renaissance dieses Bierstils in den letzten Jahren. Nun, das mag dem Umstand geschuldet sein, dass der erste Berliner Weisse Biergipfel der Berlin Beer Academy 2014 stattfand und da das Manuskript des Buchs (erschienen 2015) schon fertig gewesen sein könnte.
Fazit: Ganz locker geschrieben, aber ich bin einfach nicht die Zielgrupp für dieses Buch. Es richtet sich tatsächlich an Otto-Normalbiertrinker. Der freut sich, dass sein Bierwissen unterfüttert wird, er wird aber auch nicht „überfordert“. Und er kann sich – aber das hatte ich ja schon geschrieben – freuen, wenn er sein Lieblingsbier (oder das, was er immer kauft) im Buch wiederfindet. „Bier-Schnösel“ wie ich schauen dann eher auf die Momente, wo das Buch mehr in die Tiefe geht. Die gibt es auch und die machen das Buch dann auch für versiertere Biertrinker lesbar.
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