So, jetzt geht meine Weizen-Woche so langsam ihrem Ende zu, wobei ich ja noch einige Test-Weizen im Testkühli hätte. Was gab es nicht alles: ein „stinknormales“ Weizen, zwei auf alt getrimmte Urweisse, eine zur Temperatur passende Winterweiße, ein kultiges dunkles Weizen mit verdächtig langem Haltbarkeitsdatum und ein „Industrieweizen“ eines fränkischen Großkonzerns.  Eigentlich wären jetzt ja ein leichtes oder gar ein alkoholfreies Weizen an der Reihe, aber die alkoholfreien und leichten Biere in meinem Testkühli (immerhin schon so um die 11 Stück!) möchte ich für Fastenzeit aufheben. Darüber könnt ihr in gut einem Monat mehr lesen. Und außerdem habe ich zum Thema „alkoholfrei“ schon so viel Kolumnen geschrieben.

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Was aber beim Bier des Tages eine echte Premiere ist, ist ein Kristall-Weizen! Nun schreibe ich schon mehr als drei Jahre lang über mehr als 1100 Biere und irgendwie habe ich es noch nicht geschafft ein Kristallweizen in die Hand zu nehmen. Früher haben wir sowas häufiger getrunken. Aber da haben wir auch Bananenweizen (auch Kirsch- oder Kiwiweizen; es war eine harte Zeit damals in den Neunzigern) getrunken. Seit ich aber begonnen habe, selbst zu brauen und mich immer tiefer in die Bier-Materie einzuarbeiten, wurde mir der Gedanke, gerade die geschmacksbildende Hefe aus dem Weizen herauszufiltrieren, immer suspekter. Was, so war die generelle Frage, bleibt von so einem Weizen dann noch?

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Denn Hefe und andere Trubstoffe geben dem Weizen ja nicht nur seine charakteristische Optik. Auch das Aroma wird nicht unwesentlich von dem kleinen Organismus beeinflusst. Dass so viele deutsche Biere so „ähnlich“ schmecken hat unter anderem auch damit zu tun, dass es zwar unzählig viele Hefestämme gibt, sich viele Brauer in der Realität aber auf die gleichen setzen.

Nun darf man aber nicht denken, dass ein Kristallweizen „nach gar nichts“ schmeckt. Im Falle des heutigen Kristallweizens der Biermanufaktur Engel muss ich sogar sagen, dass es mir wesentlich besser geschmeckt hat als das helle (und trübe) Hefeweizen.

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Entwickelt wurde das Kristallweizen angeblich in den 1920er Jahren von der Edelweißbrauerei Farny in Kißlegg, so berichtet es zumindest Wikipedia. Die früherer Bezeichnung war „Chamapgner-Weisse“ und sollte das Getränk dementsprechend aufwerten. Optisch kommt das Engel Kristallweizen da durchaus an den teureren französischen Schaumwein ran. Allerdings hatte sich in meiner Flasche ein leichtes Depot abgesetzt, von dem nach dem Einschenken auch etwas ins Weizenglas kam. Richtig gestört hat mich das nicht, denn ich bin ja eher Biere mit Trübung und Hefesatz gewohnt. Ich schätze mal, dass bei längerer Lagerung sich auch beim Kristallweizen noch verbliebene Trubstoffe abgesetzt haben. Wenig zwar, aber immerhin. An mangelnder Haltbarkeit und zu großen Temperaturschwankungen kann es nicht gelegen haben. Das Weizen wäre noch bis Ende Juli haltbar gewesen und verbrachte sein Leben bei mir bei bester Kellertemperatur.

Abgesehen davon kann ich über das Kristallweizen eigentlich nur Gutes sagen. Es riecht weizig, ein wenig würzig mit einer feinen Spur nach Nelke. Geschmacklich hat es mich richtig überrascht. Nachdem ich das helle Hefe ja nicht so brillant fand, waren bei der filtrierten Version meine Erwartungen entsprechend niedriger. Aber das Kristall schmeckt! Es ist leichter, spritziger als ein normales Hefeweizen. Die satten 5,5 % Alkohol spürt man kaum. Das Malzaroma kommt schöner hervor, wie ich finde. Dazu ist es ein wenig süßlich, ohne jedoch bananige Fruchtigkeit zu zeigen. Die kommt minimalst im Abgang hervor. Dazu kommt ein wenig Würze und Nelke, Das trinkt sich erstaunlich entspannt. Und besser, als ich gedacht hatte.

Engel Kristall 5Gut, brillant ist es nicht. Dafür fehlt es hier und da noch ein wenig. Wie wäre es mit ein wenig Aromahopfen – vielleicht Nelson Sauvin, Hallertauer Blanc oder Strisselspalt – und ein wenig mehr fruchtige Säure und dann noch ein wenig „knackiger“ im Abgang wie bei einem Pils. Oder man lässt während der Nachgärung eine echte Champagnerhefe arbeiten? jedenfalls käme so ein Weizen deutlich stärker an deutsche, katalanische oder französische Schaumweine heran. Allerdings müsste man so ein Kristallweizen dann in andere Flaschen füllen. Drehverschlussflaschen mögen für ein nett trinkbares Kristallweizen gehen – „edel“ wirken sie allerdings nicht!

 


P.S.: Wer als gestandener Weizentrinker bei Kristallweizen verächtlich die Nase rümpft, sollte folgendes bedenken: Bei großen und sehr großen Brauereien werden aus Gründen der Haltbarkeit die Weizen auch häufig blank filtriert und erst nachträglich mit (zumeist inaktiven) Trubstoffen angereichert.

P.S.: Den Wunsch nach ein wenig mehr fruchtiger Säure bei Kristallweizen teile ich übrigens mit mehr Menschen. Nicht umsonst wird in vielen Biergärten das spritzige Kristallweizen mit einer Scheibe Zitrone geordert.