Immer weniger Brauereien ausgerechnet im Bierland Bayern!

ZDFzoom lieferte gestern Abend (11.01.2016) neue Daten zur Anzahl der Brauereien in Deutschland. Und die schockieren! Zumindest die Biertrinker, denn was in der Branche längst bekannt war, ging am gemeinen Konsumenten mehrheitlich vorbei: Ausgerechnet Bierländer wie Bayern und Thüringen verbuchen ein Minus bei der Brauereizahl, während der Rest der Republik mehr und mehr Brauereien verbucht.

Quelle: https://www.facebook.com/ZDF

Aber wie kommt es, dass ausgerechnet Bayern in den letzten 15 Jahren 44 Brauereien unter dem Strich verloren hat, während es republikweit 109 Brauereien mehr gab? Haben die Bayern keinen Bierdurst mehr? Vielleicht. Aber der sinkende Bierkonsum ist nicht alleine verantwortlich für solche drastischen Veränderungen. Aber welchen Grund gibt es dann? Ich habe mir dazu mal ein paar Gedanken gemacht:

Bayern hat zu viele Brauereien!

Uns geht es einfach zu gut! Ok., das ist jetzt sehr provokant formuliert. Aber nicht nur die Chefs internationaler Brauereigruppen schauen auf den deutschen Brauereimarkt und schütteln die Köpfe. So viele Brauereien sind einfach zu viel. Wären es weniger, könnten sie viel wirtschaftlicher produzieren, statt durch ihre Kleinkonkurrenz Energien und Geld zu verschwenden. Dazu kommt: je mehr Brauereien eine Region hat, desto weniger fällt es auf, wenn eine Brauerei „stirbt“ und es wird auch kein „Ersatz“ dafür eröffnet.

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Ein Beispiel: Als 2008 die Bamberger Maisel Bräu schließen musste, waren die Bamberger zwar traurig, aber keiner wäre auf die Idee gekommen, jetzt eine neue Brauerei zu eröffnen, damit die Brauereizahl gleich bleibt. Wozu auch? Schließlich hat die Stadt genügend weitere Brauereien, die auch kein schlechtes Bier brauten und brauen. Es gibt keinen Druck, neue Brauereien zu eröffnen.

Es gibt eine zu gute Bierauswahl in den Getränkemärkten!

Gehe ich in Bamberg in einen normalen Rewe-Supermart, finde ich in dessen Getränkemarkt dutzende Brauereien mit zig Biersorten. Übertrieben? Mitnichten! Den Konsumenten freut es, schließlich hat er eine große Auswahl. Je größer die Auswahl allerdings ist, desto weniger fällt es auf, wenn eine Brauerei darin fehlt – zumal das Sortiment ja auch immer wieder wechselt. Und hier reden wir erst mal nur von Supermärkten, schaut man in echte Getränkemärkte wie das Aquatron in Bamberg, Getränke Dietrich in Helmbrechts, Getränke Oase Bitzinger in Ipsheim, die meisten Sagasser/Hilf-Märkte, die Bierotheken, das Landbierparadies oder noch viele andere mehr, dann ist die Auswahl noch größer.

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Diese Vielfalt führt aber zu einem Problem, das sich nicht so leicht lösen lässt.

Neue Brauereien haben es in Bayern schwerer!

Natürlich gibt es für diese These viele Gegenbeispiele. Aber leider auch viele Beispiele dafür. Wie gesagt, die Auswahl ist in Bayern immer noch größer als in anderen Regionen. Und viele Konsumenten sind Stammkunden „ihrer Brauerei“. Gerhard Schoolmann vom Cafe Abseits hat es letzthin mal so formuliert: „Der fränkische Biertrinker ist sein Leben lang auf der Suche nach seinem Bier. Und wenn er es gefunden hat, dann bleibt er dabei.“ Soll heißen, er schaut nicht (oder eher seltener) rechts und links von seinem Lieblingsbier/seinen Lieblingsbieren. Das bedeutet aber auch: Stirbt diese Stammklientel aus, ohne dass eine neue nachwächst, kann die Brauerei früher oder später schließen. Ob eine Brauereineugründung die Lücke füllen kann, ist dabei fraglich. Im Freistaat ist man in Sachen Bier eher konservativ und eher traditionalistisch. Neuem steht man eher skeptisch gegenüber. Vor allem dort, wo das neue Bier und die neue Brauerei zum Beispiel Regionalstolz („Endlich hat der Ort wieder eine eigene Brauerei“) bedienen kann, kann eine Brauereineugründung gelingen. Als Paradebeispiel sei hier die Kulmbacher Kommunbräu genannt.

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Durch den Zusammenschluss der Kulmbacher Brauereien zur Kulmbacher Brauerei AG mit der dazugehörigen Aufgabe von Braustätten entstand der Wunsch nach einem Bier abseits der Industriebrauerei. Kulmbacher Biertrinker wollten wieder stolz auf handwerklich gebrautes Kulmbacher Bier sein. In diesem Klima konnte sich eine neue Brauerei etablieren.

Das bayerische Bier ist zu billig!

Auch so eine Sache: In Bayern, vor allem auf dem Land und da vor allem in Franken, ist das Preisniveau legendär niedrig. Den Kunden freut es, beim Brauer sorgt es für mehr als nur graue Haare. Mit dem Sommergeschäft lässt sich bestenfalls der weniger gut besuchte Winter ausgleichen. Geld für Rücklagen wird kaum erwirtschaftet. Familienmitglieder arbeiten oft unbezahlt im heimischen Betrieb, vor allem in der Gastronomie mit. Das ist ein sehr fragiles Gleichgewicht, wenn es denn überhaupt eines ist. Und es wird nur zu leicht zum Kippen gebracht – wenn irgend ein Teil in der Brauanlage den Geist auf gibt und das Geld für die Modernisierung fehlt, wenn neue Auflagen von staatlicher Seite kommen und aufgrund eines fehlenden Finanzpolsters nicht umgesetzt werden können, wenn ein Familienmitglied als Arbeitskraft ausfällt und nicht durch eine bezahlte Kraft ersetzt werden kann. Ganz zu schweigen davon, dass sich viele Jugendliche angesichts des geringen Gewinns und der langen Arbeitszeiten besser bezahlte Berufe suchen anstatt die elterliche Brauerei zu übernehmen. Das Phänomen kennt man auch vom Bauernhofsterben, das Bayern ja auch hart trifft. Dass auf dem Land so manche Brauerfamile auch noch eine Nebenerwerbslandwirtschaft und natürlich die Dorfgastwirtschaft mit stemmen muss, macht die Arbeitsbelastung nicht geringer.

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Das niedrige Preisniveau ist aber nicht nur ein Nagel im Sarg der bestehenden Brauereien, es macht Neugründungen auch schwieriger. Wer neu ins Brauereibusiness einsteigt, muss nicht selten viel Geld investieren. Eine Brauanlage kaufen oder eine bestehende modernisieren, Marketing aufbauen, Vertrieb organisieren – das alles kostet Geld. Und zwar nicht wenig. Die Verbindlichkeiten bei der Bank müssen bedient werden. Und dann will man ja auch noch den einen oder anderen Euro zum Leben haben. Brauer leben nämlich nicht alleine von Hopfenduft und Liebe zum Handwerk. Auch der heimische Kühlschrank will gefüllt sein. Kinder brauchen Klamotten. Und bei der harten Arbeit wäre auch ein Urlaub schön. Das alles könnte funktionieren, wenn der Kunde für das Produkt einen angemessenen Preis zahlt. Im Supermarkt steht das Bier vom Startup aber neben den klassischen Brauereien vom Land, den regionalen Größen, den nationalen Fernsehbieren und nicht zuletzt den Billigbieren. Kostet die Kiste Billigbier momentan so um die 5 bis 9 Euro, locken die Fernsehbiere häufig mit Preisen um die 10 bis 12 Euro. Für um die 13/14 Euro liegt das Landbier im Getränkemarkt. Wer mit seiner Brauereineugründung diese Marke reißt und 15 Euro oder mehr pro Kiste aufruft, muss sich dafür etwas ganz besonderes einfallen lassen, damit die Kunden nicht zur günstigeren Konkurrenz greifen. Nicht wenige Neugründungen weichen deshalb auf Literflaschen aus, für die der Kunde mehr zu zahlen bereit ist. Oder verkaufen nur Sixpacks. Oder verkaufen den Kunden das Bier quasi „ab Hof“.

Das Reinheitsgebot ist schuld!

Ich weiß, das Reinheitsgebot ist in Bayern eine heilige Kuh. Aber in gewisser Weise ist auch das Reinheitsgebot ein Nagel im Sarg der bayerischen Brauereilandschaft, auch wenn mich der Bayerische Brauerbund für die Aussage für die Aussage für verrückt erklären würde. Schließlich ist das Mantra im Oskar-von-Miller-Ring unverändert: „Das Reinheitsgebot garantiert die gute Qualität des bayerischen Biers und die Zufriedenheit der Kunden.“ Und die Brauerbündler klopfen sich auch regelmäßig auf die Schultern, weil Bayern die Ausstoß- und Exportstatistik regelmäßig anführen. Alleine 2015 lag der bayerische Export 5,2 % über dem der restlichen Republik! Aber Export braucht keine Brauereivielfalt, Export braucht Brauereigruppen und Großbrauereien, die bei der Logistik Synergieffekte und internationale Kooperationen nutzen können. Die gibt es vor allem in Bayerns Süden. Die vielen Kleinstbrauereien in Franken und der Oberpfalz haben auf dem internationalen Markt eher das Nachsehen.

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Quelle: Bayerischer Brauerbund

Wie aber soll man sich als kleine Landbrauerei oder Brauerei-Startup auf einem immer noch so dichten Biermarkt wie dem bayerischen behaupten können? Und wie vor allem einen höheren Preis rechtfertigen? Kleinanbieter sollten sich spezialisieren und eine Nische suchen, die die Großbrauereien oder die etablierten Marktteilnehmer nicht besetzen wollen oder können. Diese Nische lässt sich aber kaum zwischen Pils, Hellem, Dunklem und Weißbier finden. Eine Möglichkeit könnten hier alternative Craftbiere innerhalb des Reinheitsgebots bilden. Bei Ales und Stouts sieht der Markt noch ein wenig entspannter aus als bei Pils & Co. Die Betonung liegt auf „noch“, denn immer mehr drängen in diese Nische – und längst mischen hier auch mit Craftwerk, Beck’s und Braufaktum die großen Player auf dem Biermarkt mit. An die Nische „Biere abseits vom Reinheitsgebot“ trauen sie sich jedoch nur bedingt. Zu ungewohnt sind Coffeestouts oder Fruchtbiere für den nationalen Gaumen. Große Mengen lassen sich davon nur bedingt absetzen, was solche Biere uninteressant für Großbrauereien macht.

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Und gerade hier ist die Chance für Kleinbrauereien und Neugründungen. David Hertl hat es zum Beispiel mit seiner Braumanufaktur vom Punkt Null vor ein paar Jahren bis in die Küche von Starkoch Alexander Herrmann geschafft – vor allem mit „verrückten Bieren“ wie einer Gurken-Gose zum Beispiel. So ein Bier muss nicht jedem schmecken, aber es schafft Aufmerksamkeit und rechtfertigt durch seine Besonderheit auch einen höheren Preis. Natürlich lässt sich so ein Konzept nicht 1:1 auf andere Brauereien übertragen, aber es kann funktionieren. Viele der Brauereigründungen im Rest der Republik bieten erfolgreich Biere abseits des Reinheitsgebots an. In Bayern, wo man gerade im letzten Jahr aufgrund des Reinheitsgebotsgeburtstags auf besondere Reinheit geachtet hat, kann das auch funktionieren, wenn man „in der Landkreislotterie“ Glück hat. Denn im Moment ist es so, dass manche Überwachungsbehörden strenger hinschauen als andere. Soll heißen, manche Brauer – wie David Hertl –können in dieser Nische gedeihen. Andere eben nicht.

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Und noch ein Beispiel. Da hatte ich letztes Jahr von einer befreundeten bayerischen (natürlich auch fränkischen) Brauerei ein Tee-Bier bekommen. Für mich eine ganz tolle Innovation, die das Zeug dazu hätte, auch mal in diversen Magazinen vom BR bis zu ARD/ZDF vorgestellt zu werden. Schließlich ist die Kombination aus Tee und Bier etwas, was neben dem klassischen Biertrinker auch neue Zielgruppen ansprechen kann. Und das positive Gesundheitsimage von Tee könnte zudem auf das Produkt Bier abfärben. Über die Bekanntheit dieses Teebiers ließe sich sicher auch die eine oder andere Kiste traditionelles Bier mehr verkaufen. Und zwar in der ganzen Republik. Aber solange in der Region (oder bei der Brauerei) streng aufs Reinheitsgebot geschaut wird, geht das nicht. Und bis sich die 1516 – 2016-Hysterie gelegt hat, könnte der Zug schon abgefahren sein. Nischen sind nie lange Nischen. Und der Zweite auf dem Markt bekommt nicht mal halbwegs so viel Aufmerksamkeit wie der Erste.

Was also tun?

Ich weiß, das war jetzt viel Kritik. Und eigentlich sollte ich nicht nur den Finger in die Wunde legen, sondern auch konkrete Lösungsvorschläge anbieten, wobei das ja nun eher die Sache des Bayerischen Brauerbundes sein sollte. Ein Patentrezept, wie die Zahl der Brauereien in Bayern steigen könnte, gibt es nicht. Dafür sind die Probleme zu vielfältig. Aber eine kleine „Agenda“ für mehr Vielfalt hätte ich dann doch:

  1. Support your local dealer! Vielfalt erhält man nicht, indem man „Einfalt“ kauft!
  2. Vielfalt braucht faire Preise! Wenn wir 10 Cent mehr fürs Bier mit Boykott abstrafen, haben wir keine Brauereivielfalt verdient!
  3. Gebt Neulingen eine Chance! Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen, auch kein Braumeister. Also drückt mal ein Auge zu und probiert immer wieder. Euer Lieblingsbrauer hat auch mal klein angefangen.