In letzter Zeit kann man „erschreckende“ nachrichten lesen. „Die Lieblingsbiere“ der Deutschen titelte da eine bekannte, ach was schreibe ich: die bekannteste deutsche Boulevardzeitung. Wahrscheinlich stand die Auflistung gleich auf Seite 1 gleich neben dem nackten Mädchen. Und wenn man sich anschaut, wer da so auf den Plätzen 1 bis 10 liegt, möchte man sich vielleicht tatsächlich lieber das Bild daneben ansehen. Dabei ist es doch seit Jahren, ach was, vielleicht schon seit einem Jahrzehnt, kein Geheimnis mehr, dass Oettinger mit seiner Billigstrategie den Markt beherrscht und die Fernseh-Premium-Biere hinterherhecheln, wie der Hund nach der Wurst. Ich will jetzt auch gar nicht entrüstet tun oder gar überrascht. Wobei das so nicht stimmt: Ich war überrascht, wie sich die Zahlen im Vergleich zum letzten Jahr und den Jahren zuvor verändert haben. Oettinger hat nämlich im letzten Jahr um 2,1% abgenommen, im Jahr zuvor sogar um 3,8%. Das ist doch auch wieder was Positives: Der Trend zum Billigbier geht zurück. Die weiteren Veränderungen sind z. T. dramatischer. Warsteiner rutscht von Platz vier (2010) auf Platz 5 (2011) ab, Beck’s springt dagegen von Platz sechs auf vier, und auch Hasserröder steigt von sieben auf sechs. Veltins rutscht dafür zwei Plätze ab.
Alles in allem kann man feststellen, dass die großen 10 untereinander gut beschäftigt sind, was für kleine Brauereien ein Vorteil sein könnte. Denn je mehr der direkte Konkurrent im Mittelfeld der Top Ten im Fokus liegt und man dem Branchenprimus Oettinger gemeinsam hinterherjagt, desto unbehelligter können vielleicht kleinere Brauereien arbeiten.
Sicher, eine Brauerei wie der Familienbetrieb Schlossbrauerei Chr. Stelzer spürt die Marktoffensiven der großen Hektolitermillionäre auch. Aber dafür gibt es dort Biere wie den Ritter-Trunk, ein dunkles Exportbier. So etwas sucht man sogar im Portfolio der ansonsten riesig aufgestellten Oettinger-Brauerei vergebens, da gibt es „nur“ ein Schwarzbier. Bei den Fernsehbieren ist sowas sowieso mehr oder minder Fehlanzeige – die stehen und fallen mit ihrem Premiumpils bzw. den anhängenden Mischgetränken.
Dabei ist so ein dunkles Export eine interessante Sache: Stärker (5,5%) muss es sein, hopfiger (Export) und eben dunkel. Das verspricht eine interessante Mischung zu sein. Ist es auch. Dunkel heißt im Falle des Ritter-Trunks ein dunkelbrauner Kupferton mit wenig Schaum. Der Geruch ist mildmalzig. Das ist einem echten Dunkel-Fan vielleicht zu wenig Röstaroma, aber darauf steht nun nicht jeder. Interessant ist auch, dass es geschmacklich eher schlank ist als schwer. Weich rollt der Antrunk über die Zunge, zwischendrin blitzt malzige Süße auf aus dem leicht dunkelmalzigem und röstigem Geschmack. Und hintennach läuft es grasighopfig und ein wenig herb aus. Wobei die Herbe dezent im Rahmen bleibt und zum auch ansonsten schlanken Dunklen passt. Am Ende bleibt auf der Zunge ein feiner Röstnachhall stehen – und auch der ist alles andere als schwer und derb. So ein schlankes dunkles Export könnte man durchaus exportieren, was die Brauerei Stelzer auch macht: Neben dem fränkischen Hof, Wunsiedel und Bayreuth geht es auch ins thüringische Vogtland, Plauen und Schleiz. Schön, dass man dort überall mit dem Ritter-Trunk (wie auch z. B. mit dem sehr interessanten Zwickl Pils – BdT am 28.09.2011) echte und gute Alternativen zu den sog. „Lieblingsbieren der Deutschen“ (besagte Boulevardzeitung) hat.
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