Ich bleibe dabei, Biere wie das gestrige Mönchshof Naturtrüb’s Alkoholfrei mögen ja ihre Marktposition haben, aber mal ehrlich:
So sieht doch hoffentlich nicht die Zukunft der deutschen Bierkultur aus!!!
Ich fand den Trend zu den Mischgetränken ja schon mehr als bedenklich. Wenn Brauereien zu Limonadenmixgetränkherstellern „verkommen“, kann ich darin keine Bier- und Braukultur sehen.
Wenn deutsche „Brauereien“ sowas zwar nicht nominell als Bier, aber im gleichen Regal wie Bier und mit der Anmutung von Bier verkaufen dürfen, sind wir meines Erachtens nicht mehr weit von solchen Bieren etfernt:
Es geht doch darum, Bier als Produkt aufzuwerten! Nicht darum, möglichst geschmacksneutral irgendwelche womöglich zugelieferte Limonadengrundstoffe mit ein wenig Alkohol anzureichern wie bei den ganzen Mix-Mist! Oder schlimmer noch: Das ganze auch noch alkoholfrei anzubieten! Welchen geschmacklichen oder sensorischen „Mehr- oder Nährwert“ soll denn so ein Bitburger 0,0% Apfel im Vergleich zu einer guten Apfelschorle haben? Und das soll die Zukunft des deutschen Biers sein?
Na Servus!
Aber noch ist nicht alles verloren. Es gibt Brauereien, die sich etwas trauen. Die Bier neu erlebbar machen, ohne dabei ihre Traditionen aufzugeben. Und die Bier auch als Getränk mir Stil und Kultur erlebbar machen. Klar, Edelbiere sind nicht das Allheilmittel gegen sinkende Absatzzahlen, im Gegenteil: Von diesen Bieren würde ja noch weniger getrunken. Aber sie sind trotzdem wichtig, um handwerklich hergestelltes Bier (allgemein) generell eher bierfremden Bevölkerungsgruppen schmackhaft zu machen. Denn als Biertrinker, der mit Wein nichts anfangen kann, mache ich mittlerweile um gehobene Gastronomie einen weiten Bogen. Was habe ich von einer drei- bis zehnseitigen Weinkarte, wenn es an Bieren ein Fernsehpils, ein Fernsehweizen und ein noch unsäglicheres Alkoholfreies benfalls einer Großbrauerei gibt.
Ich will solche Biere wie das Faust/Miltenberg Brauerreserve 1237 auf den Speisekarten teurer Restaurants sehen. Das ist ein Bier, das alle Anforderungen erfüllt, die auch ein entsprechender Wein erfüllen würde.
1. Es hat eine edle Aufmachung. Das Auge trinkt schließlich mit und die schlanken Weinflaschen, in denen es die Faust Bierraritäten gibt, machen wirklich etwas her. Das ist von der Optik und der Anmutung des Etiketts sehr gut gemacht!
2. Es hat „genug Alkohol“. Das mag jetzt blöd klingen, aber der Kunde will etwas für sein Geld. Will man in der Gastronomie Bier in der Preisklasse von Wein verkaufen, muss es auch in allen Punkten mit dem Wein mithalten können. Mit seinen 10,4 % Alkohol ist es jedenfalls etwas, was sich nicht hinter einem entsprechenden Wein verstecken müsste.
3. Vielleicht am wichtigsten für den Gastronomen: Es muss sich lagern lassen. Im Moment gehen solche Edelbiere wie das Brauerreserve 1237 in der Spitzengastronomie sicher kaum bis gar nicht. Erst mal muss man eine entsprechende Nachfrage schaffen – für die man aber das entsprechende Angebot braucht. Bis dahin liegt das Bier im Keller und darf nicht „schlecht“ werden. Beim Faust Brauerreserve 1237 steht als Haltbarkeitsdatum großzügigerweise 2022 auf dem Etikett. Das ist doch mal ein Wort. Mit solchen Bieren kann man sich einen Bierkeller neben seinem Weinkeller anlegen.
4. Es muss besonders schmecken. Niemand gibt einen Haufen Geld für etwas aus, was es im Supermarkt auch schon für 29 ct/halbem Liter gibt. Aber auch in Sachen Geschmack macht man mit dem Brauerreserve 1237 nichts verkehrt. Denn bei diesem Bier handelt es sich um einen Barley Wine. Dem Kenner klingeln jetzt schon die Ohren. So ein Barley Wine ist für mich die Krönung der Braukunst. Ein schweres, kastanienrotbraunes Bier – ja, ein Bier, auch wenn es sich im Glas eher wie ein Sherry verhält. Die Nase nimmt ein Potpourri von verschiedenen Aromen wahr: Trockenfrüchte, brotige Aromen, Getreide, … Das steht der Komplexität eines Weines sicher in nichts nach. Und auch auf der Zunge ist er schwer, untergründig süß wie Sherry und trotzdem anspruchsvoll würzig wie Rotwein oder Whiskey zugleich. Das liegt an der ganzen fruchtigen Bandbreite (Trockenbflaumen, Rosinen, Beeren) und den Karamellnoten zum einen und trockenen, holzigen Tönen zum anderen, die wiederum von Brot- und Röstaromen begleitet werden.
5. Das Bier muss in ein Menü passen. Die Brauerei Faust empfiehlt ihr Brauerreserve 1237 zu „kräftigen Fleischgerichten, zu Meeresfrüchten oder einem sehr kräftigen Dessert“. Und das kann man so stehen lassen, vor allem aufs Dessert bezogen. Aber auch in Sachen Fleischgerichten könnte ich mir das Brauerreserve 1237 gut vorstellen. Warum nicht zu zartrosa gebratenem Lamm? Oder zur Abrundung eines herbstlichen Wildgerichts? Dazu müsste der wärmende Charakter des Bieres doch durchaus auch passen. Oder, warum nicht als Ersatz für einen Cognac für das gesellige Beisammensein nach dem Essen?
6. Last but not least: Es braucht „eine besondere Geschichte“. Die ist überall da, wo man mehr Geld ausgeben soll, unbedingt notwendig. Jeder „Weinkenner“ kann über besondere Lagen, Böden und vor allem die Tradition bei alten Weingütern, Innovation bei jungen Winzern stundenlang reden. Beim Brauerreserve 1237 geht das spielend genauso lange, wenn nicht noch länger. Mal angefangen, dass die Jahreszahl 1237 die erste unrkundliche Erwähnung Miltenbergs ehrt. Von der Geschichte der Brauerei Faust, die sich bis ins Jahr 1654 zurückverfolgen lässt. Da kann auch nicht jedes Weingut mithalten. Und dann haben wir noch nicht über den BIerstil Barley Wine gesprochen, über den es die eine oder andere Anekdote zu erzählen gäbe (was ich beim Weyermann® Barley Wine gemacht habe). Und hatte ich schon erwähnt, dass das Faust Brauerreserve 1237 monatelang in diversen Holzfässern reifen darf, was ihm diese Komplexität verleicht? Oder dass es das Bier nur in limitierter Auflage von genau 2.652 Flaschen gibt? Na also. Gesprächsstoff genug!
Also, wenn ihr mich fragt, dann ist so ein Barley Wine doch eher etwas, was die Bierkultur und das Image von Bier in Deutschland weiterbringt. So ein Barley Wine mag zwar nicht die Zukunft des Biers in Deutschland retten, aber er bringt uns in Sachen Geschmack und Aufwertung wesentlich weiter, als jedes weitere nichtssagende Alkoholfreie. Interessant ist, dass das die eine oder andere überregionale Brauereigröße durchaus eingesehen hat, dass man aber bei den fränkischen Brauereigrößen wie Kulmbacher oder Leikeim diesen Trend an sich vorbeiziehen lässt. Ich kann da auch nicht helfen. Ich kann nur darauf aufmerksam machen.
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