Man kann ja Bier und Biertrends mit viel vergleichen. In einer Gesellschaft hängt schließlich alles irgendwie mit allem zusammen. Die Rocklänge mit der wirtschaftlichen Entwicklung zum Beispiel. Und so mancher Bio-Lehrer erheitert seine Klasse mit der Kausalkette zwischen der Größe von Storchenpopulationen und der Geburtenrate. Wenn man nur lang genug sucht, findet man einen Zusammenhang für alles.
Da gibt es zum Beispiel dieses witzige Internet Meme über den (vermeintilchen) Zusammenhang zwischen der Körperbehaarung zwischen Männlein und Weiblein. Nun will ich nicht unbedingt behaupten, es gebe einen direkten oder gar indirekten Zusammenhang zwischen Hollywood-Waxing und Bier, aber … naja, …
Nehmen wir doch mal den Filtrationsgrad von Bieren. Da zeigt sich, wenn man so will, ein durchaus ähnliches Bild. In den letzten Jahrzehnten galt immer bessere Filtration als Nonplusultra. Je schärfer das Bier filtriert ist, desto haltbarer ist es und desto „glänzender“ und „leuchtender“ sieht es aus. „Blank“ war gestern, heute muss es mindestens glanzfein sein … Und ohne weiter auf die Körperbehaarung einzugehen – die Biere hat es nicht unbedingt interessanter gemacht. Je „blanker“ – optisch wie geschmacklich – die Biere aber wurden, desto mehr regte sich ein Gegentrend. Nicht nur in der Craftbier-Bewegung gelten unfiltrierte Biere als schick. Ich will jetzt wirklich nicht behaupten, dass es einen Zusammenhang zu den Haaren gibt, aber interessanterweise tragen doch recht viele Craftbierbrauer und Bier-Nerds eher Bart. Oder täuscht mich das?
Aber ich schweife ab. Denn eigentlich wollte ich ja über das Aufsesser Keller Pils der Brauerei Rothenbach in Aufsess philosophieren. So ein Keller Pils ist ja auch so eine Sache, die es eigentlich nicht geben dürfte. Pilsner haben glanzfein und blitzeblank hollywoodcutmäßig filtriert zu sein. Kein Fitzelpartikelchen darf den glänzenden Lichtdurchfluss stören. Was geschmacklich rauskommt ist dann leider sowas wie Micaela Schäfer nur eben als Bier. (Wem die gute Frau nichts sagt, den Link zu ihrer Homepage gibt es hier. Aber nur klicken, wenn ihr euch das wirklich antun wollt. Ich habe euch gewarnt!) Parmanent im Fernsehen und dabei nahezu null Inhalt. Da braucht man ehrlich gesagt schon verdammt viel Werbung, um sowas an- und aufregend zu finden. Wenn überhaupt …
Und dann schenkt man sich das Aufsesser Keller Pils ein. Die „feine Hefe“ bildete schon ein richtiges Depot in der Flasche, wie man es sonst nur vom Weizen kennt. Ich stell mir mal vor, solche Flaschen würden – dank irgendeiner subversiven Fehlerkette – bei Warsteiner, Beck’s, Jever und Co. in den Markt gelangen. Da würden Köpfe rollen! Dem Aufsesser Keller Pils verzeiht man es. Auch, dass die Hefe sich beim sanften Aufschwenken zwar vom Boden, aber nicht mehr vollständig im Bier löst. So what. Hätte ich irgendwas Durchsichtiges haben wollen, hätte ich mir ein Wasser einschenken können!
Der Geruch überrascht positiv. Hopfen! Klar, auf dem Etikett steht Pils, aber das hat nicht viel zu sagen. Hopfen und Hefe, ein ansprechendes Aroma. Gut! Sehr gut! Ich war ja ein wenig skeptisch, nicht jedes helle Aufsesser Bier sagte mir bisher zu. Aber hier? Hier ist erst mal alles in Ordnung. Der Hopfen kommt erstaunlich citrusfrisch herüber. Da punktet es ordentlich und so manches andere Pils könnte sich hier was abschauen. Die Hefe passt dazu, wirkt aber für mich ein wenig „muffig“. Die zeiht das Bier wieder ein wenig herunter. Aber sonst? Interessant, spritzig, frisch, trotz der vielen Hefe nicht zu schwer. Ich schätze mal, da hat jemand im Whirlpool nicht mit Hopfen gegeizt. Für meinen Geschmack könnte es hinten heraus noch ein wenig knackiger (nicht nackiger!!!) sein. Ein paar IBUs mehr hätte ich auch noch vertragen. Wobei der Abgang schon was Pfeffriges oder Minziges hat. Interessant. Aber das ist nur meine Meinung.
Das Keller Pils ist als Jubiläumsbier der Gemeinde Aufsess entstanden, wie einen das Etikett aufklärt. Entfernt erinnert es mich an den Hopfen Trunk mit Hopfen aus dem eigenen Hopfengarten. Auf der Homepage der Brauerei tauchen beide Biere nicht auf. Schade eigentlich. Denn der Trend geht eindeutig schön langsam weg von „ganz blank und langweilig“ und hin zu „Charakter und Individualität“ … zumindest bei den Bieren.
Noch keine Kommentare