Heute gibt es etwas ganz Neues, zumindest für mich. Denn von einer neuen Brauerei in Geldersheim im Landkreis Schweinfurt hatte ich bisher noch nichts gehört. Aufmerksam auf die Brauerei und die Biere wurde ich erst auf der Schweinfurter Craft Beer Messe.
Die neue Brauerei firmiert unter dem Namen Cervisia (mit drei Sternen!!!) Heute-brau-ich. Und das ganze wirkt ziemlich edel. Wo andere Neugründungen (und auch gestandene „Craftbeer-Oldies“ bisweilen) mit dem Charme des ewig Provisorischen spielen, geht es hier recht edel zu und alles wirkt von Anfang an aus einem Guss. Das ist rein vom Marketing her gesehen richtig und wichtig so. Und man darf hinter den beiden Machern von Cervisia (mit den drei Sternen!!!) bitte keine „Marketingheinis mit Bock auf Bier“ vermuten. Im Gegenteil, ich zitiere da mal die Homepage von Cervisia (mit den drei Sternen!!!) Heute-brau-ich:
„Wir, Wolfgang Mehnert und Stefan Reusch, die „Schwer Craft Brauer“ stehen mit unseren drei Sternen für:
★ Qualität sonst nix, nur allerbeste Rohstoffe, bis in Detail abgestimmte technologische Prozesse
★ mehr als 70 Jahre Braukompetenz, gelernte und studierte Brauer
★ Geschmacksvielfalt“
Allerdings legen solche Aussagen und Bier in Champagner-Flaschen die Latte ziemlich hoch, was den Biergenuss angeht. Und ein „zu edles Image“ wirkt bei vielen Craftbeer-Nerds eher aufgesetzt. Sie mögen ihr Bier mehr „back to the roots“ und mit „Steet-Credibility“. Was also erwartet einen bei den drei Bieren von Cervisia (mit den drei Sternen!!!)
Zum Test würde ich als erstes den Goldenen Traum empfehlen. Der hat satte 8,5 % und ist von der Farbe her bernstein-orange. Beim Aroma hat man Noten von Honig, Getreide und ein wenig Hopfen. Und ehrlich gesagt, ich war im ersten Moment ein wenig enttäuscht. Ich hatte ein hopfengestopftes Bier erwartet, was vielleicht am Umfeld lag. Immerhin hatte ich das Bier während einer Craft Beer Messe probiert. Was man bekommt, ist ein … Märzen mit deutlichen Karamell- und Honigaromen, einem deutlich ausgeprägten Malzkörper und einer feinen Bittere. Die hat es mit dem Malz fast ein wenig schwer, zu stark kommen immer wieder süßliche Elemente und auch ein wenig Aprikosenfrucht durch.
Auf die Dauer wäre mit das zum Trinken zu anstrengend, zu wenig süffig, zu … unrund für meinen Gaumen. Aber so ein Glas zum richtigen Menü? Aber davon mehr am Ende dieser Kolumne. Denn als nächstes harrte die Rote Sünde meines Gaumens. Rote Sünde klingt nach Leidenschaft, Feuer, Dramatik … Mit 8,2 % hat es zumindest genug „Feuer“. Die Vanillennoten im Aroma wirken jetzt nicht sündig, aber immerhin recht interessant. Aber beim ersten Schluck fühlte ich mich wieder an den Goldenen Traum erinnert. Der selbe „Grundton“, ja, so könnte man es ausdrücken. Dazu ein wenig Sherry, ein eleganter Körper und auch hier wieder viel Malz und kaum Exotik vom Hopfen. Genauer gesagt keine. Müsste es die haben? Schwer zu sagen, aber so hat man ein schwereres Rotbier mit Sherryaromen … Nicht unelegant, aber auch nicht unbedingt „very crafty“.
Nummer drei in der Riege war die Schwarze Versuchung. Auch die hat 8,2 % und auch bei der finde ich, dass man die „Handschrift der Brauerei“ riechen und schmecken kann. Was mir bei der Goldenen Versuchung als Bisquit/Aprikose aufgefallen ist und ich bei der Roten Sünde als Sherry identifiziert hätte, ist hier dunkler, schwerer. Noch nicht Port, aber auf dem Weg dorthin. Dazu kommen Aromen von Trockenfrüchten, ein feines Espresso-Aroma, das für meinen Geschmack deutlicher sein könnte, …
Auch das ist nicht schlecht gemacht, aber das sind viele andere Biere auch nicht. Und die brauchen keine drei Sterne. Denn da ist für mich der Knackpunkt bei der Geschichte. Die Biere sind gut gemacht, geschmacklich ohne Fehl und Tadel und wirken nicht unelegant. Aber kaufen würde ich wahrscheinlich trotzdem keine Flasche. Denn wenn ich gut gemachte „traditionelle Biere“ möchte, muss ich nichts mit drei Sternen kaufen. Und wenn ich – als verrückter Biernerd, der ich nunmal mittlerweile bin – etwas Besonderes will, dann sollte es fassgereift, hopfengestopft oder mit besonderen Zutaten gebraut sein. Aber! Und das ist jetzt wichtig, bevor ihr denkt, dass ich die Biere nicht empfehlen würde. Aber wenn ich irgendwo in einer Drei-Sterne-Gastronomie säße und nach endlosen Seiten edelster (und teuerster) Weine endlich zu einer Handvoll Bieren gelange, dann möchte ich genau diese Biere auf der Karte sehen! Denn sie sind elegant genug, um jedes Sternemenü begleiten zu können, müssen sich aber nicht durch Extravaganzen in den Vordergrund spielen und aromatisch mit dem Essen konkurrieren. Zur Vorspeiße, einem Salat mit Radicchio zum Beispiel, wäre der Goldene Traum ideal. Die Bittere des Radicchio könnte der malzige Grundkörper des Biers ausgleichen. Fruchtige Elemente im Salat (z.B. von der Tomate) würden sich gut ins Gesamtbild einfügen. und das Ganze wäre um Welten interessanter, als müsste ich das Essen mit einem langweiligen Warsteiner, Becks, Jever usw. herunterspülen. Soll heißen: Ja, die Cervisia hat in dem Sinne die drei Sterne verdient. Oder vielleicht auch: Drei Sterne Restaurants verdienen diese Cervisia. Das kann man sehen, wie man will. Jetzt müssen nur mehr Spitzenköche darauf aufmerksam werden …
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