A uf dem deutschen Biermarkt lassen sich dieselben Phänomene beobachten, wie in jedem anderen Industriezweig auch. Eine wichtige Wirtschaftsstrategie von Brauereien ist die Diversifikation – also die Ausweitung des eigenen Geschäftsfelds. Die gibt es in “mehreren Richtungen” als horizontale (natürlich) vertikale Diversifikation (d.h. eine Brauerei würde eine Mälzerei übernehmen, um die eigene “Fertigungstiefe” auf vorgelagerte Wirtschaftsstufen zu erweitern bzw. umgekehrt auf nachgelagerte Wirtschaftstufen), als diagonale Diversifikation (d.h, eine Brauerei würde beginnen, branchenfremde Produkte zu produzieren oder zu vertreiben, z.B. eine Imobiliengesellschaft gründen) und – was am häufigsten der Fall ist – als horizontale Diversifikation. Die bedeutet schlicht die Ausweitung des Sortiments auf neue Bierstile oder weitere Getränke.
Dabei hat die Diversifikation oft einen erheblichen Nachteil: Sie ist häufig mit Mehrkosten in der Produktion verbunden. Also braucht man ein Produkt, das einerseits innovativ ist und neue Kunden anspricht und das andererseits möglichst kostengünstig hergestellt werden kann. Während das Hopfenstopfen als Innovation im Pilsbereich nicht unbedingt kostengünstig ist und dem Kunden als teure, aber das Produkt aufwertende Innovation erst mal mit einem entsprechenden Marketingaufwand erklärt werden muss, bietet sich das naturtrübe Zwickel- oder Kellerpils als wesentlich einfachere und kostengünstigere Alternative nahezu an. Gut, auch hier muss man dem Kunden erklären, warum die sich eigentlich widersprechenden Begriffe wie Pils (glanzfein filtriert) und naturtrüb nun “plötzlich” zusammenpassen sollen. Aber dank der immer stärker werdenden Bio- und Gesundheitswelle macht sich das fast von alleine. Der Kunde, der denk der Bemühungen von Saftherstellern schon verinnerlich hat, dass naturtrüber Apfelsaft zum Beispiel gesünder ist als filtrierter, wird dieses Prinzip ohne weiteres auch auf Biere übertragen.
Zudem könnte man naturtrübe Pilsner theoretisch sogar günstiger produzieren als filtrierte. Schließlich würden weniger Filtrationshilfsmittel benötigt und der Produktionsprozess eventuell sogar verkürzt. Andererseits ist nicht jedes “trübe Bier” einfach “unfiltriert”. Je nach Produktionsziel und -anlagen werden spätere trübe Biere auch komplett filtriert, um nach der Filtration wieder mit inaktiver Hefe oder Eiweiß versetzt zu werden. Das würde weitere Produktionsschritte bedeuten, die die Kosten im Endeffekt erhöhen, auf der anderen Seite aber die Haltbarkeit und Geschmacksstabilität der Produkte verbessern. Was aber eigentlich allen unfiltrierten Pilsnern, die ich bisher getestet habe, gemeinsam ist: Sie schmecken mir besser!
Nichts gegen ein knackiges, schlankes Standard-Pils, aber ein unfiltriertes Pils wirkt voller, runder, durchaus auch milder. im Vergleich zu einem hellen Kellerbier aber auch herber und kerniger. Da macht das Biermanufaktur Engel Keller-Pils auch keine Ausnahme. Im Gegenteil. Vom Engel Premium Pils war ich ja alles andere als begeistert – vom Keller-Pils bin ich es umso mehr.
Das Keller-Pils ist elcker, süffig, runder und weicher im Trunk, vor allem auch voller. Zwar darf auch hier der Hopfen im Aroma und auch in der Bittere am Ende zweigen, was er drauf hat. Aber er ist nicht alleine auf dem Feld. Durch den fruchtigen Charakter der Hefe wird die Bittere gut aufgefangen. Ja, das gefällt mir wirklich besser als das Premium Pils.
Aber das ist ja ein genereller Trend: Biere müssen nicht mehr “klarer als klar” sein. Jahrzehntelang arbeitete die Industrie daraufhin, dem Kunden ein besseres Filtrationsergebnis als eine bessere Qualität zu verkaufen. Jetzt kehrt sich Prinzip um. Klarheit wird immer häufiger mit industrieller Produktion gleichgesetzt. Daran haben auch die modernen meist uinfiltrierten Craftbiere ihren Anteil. Allerdings ist nicht alles so “naturtrüb”, wie man meinen möchte. Vielleicht wäre es gut, auch in diesem Bereich klare Begriffsdefinitionen für unfiltrierte, naturtrübe Biere und Biere “mit feiner Hefe” festzulegen. Das wäre im Sinne des Verbraucherschutzes.
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