Es ist schon paradox: Da sitzt man mit Bier-„Freaks“ aus der ganzen Republik zusammen und unterhält sich über Bier – und bei der Erwähnung des einen oder anderen kleinen fränkischen „Kaffs“ zuckt jeder nur mit den Schultern. Wie sollte auch ein Münchner, Berliner, Hamburger oder Kölner zum Beispiel das gut 350 Seelen-Nest Ampferbach kennen? Die Brauerei Herrmann und den Herrmann-Keller gleich neben dem Max-Keller rechts an der Straße nach Burgebrach kennen und schätzen vor allem Einheimische und bieraffine Franken. Unterhält man sich mit amerikanischen Bierfreunden auf Frankentour, ist die Brauerei „Hörrmän“ in Ampferbach keine Unbekannte. Während man Rezensionen zu Herrmann’s Kellerbier aus Ampferbach in deutschen Bierblogs und Biertest-Seiten nahezu vergebens sucht (auf biertest-online.de gibt es immerhin das Helle und das Weizen im Test), findet man auf ratebeer Rezensionen aus aller Welt.
Was für mich ein wenig die paradoxe Situation in der deutschen und ausländischen Bierszene widerspiegelt: Von deutschen Brauerei- und Verbandsvertretern wird immer wieder betont, wie wichtig das Reinheitsgebot sei. Schließlich kämen Gäste aus aller Herren Länder nach Deutschland, um genau solche Biere wie Herrmann’s Kellerbier aus Ampferbach zu trinken. Und damit haben sie natürlich Recht, wie man sehen kann. Andererseits ist das Kellerbier der Brauerei Herrmann auch ein schönes Beispiel, an dem man die Fehlentwicklung auf dem deutschen Biermarkt sehen kann. Die Brauerei Herrmann produziert nämlich gerade mal 600 Hektoliter pro Jahr, darunter nicht mal ein Pils. Damit ist sie auf dem deutschen Biermarkt eher die Ausnahme als die Regel. Auch das mit 5,5 % Alkohol ordentlich starke, braun-trübe Kellerbier ist alles andere als typisch für den deutschen Biermarkt. Im Gegenteil: Es ist kernig, hat Charakter. Eine Malzige Basis erinnert an Brot, Karamell und zeigt neben ein wenig Süße auch ein wenig Röstbittere. Dazu kommt wohldosiert der Hopfen. Das ist keines der stromlinienförmigen „Designerbiere“, die man leider hiezulande häufig findet. Das ist kein kleinster gemeinsamer Nenner in der Kalkulation zwischen Preis und Kosten. Das ist ein anachronistisches, ländliches Bier, das nicht bemüht auf „Landbier“ und traditionell machen muss. Und es ist ein Bier, bei dem Wasser, Malz, Hopfen und Hefe im Vordergrund stehen und nicht eine „Erlebniswelt“, ein berühmter „Markenbotschafter“ oder das Reinheitsgebot als „Alleinstellungsmerkmal“.
Es ist einfach gut, weil es einfach gut und gut einfach ist! Und gerade das schätzt man im Ausland. Daran hat das Reinheitsgebot auch einen gewissen Anteil, weil es billigeren Industriezucker zum Beispiel auch von Herrmann’s Kellerbier fern hält. Andererseits hätte gerade deises Bier den Schutz des Reinheitsgebots nicht nötig, denn die Bierfranken aus Ampferbach und Umgebung würden sehr schnell Brauerei und Keller den Rücken kehren, würde man an der Qualität dieses Bieres etwas ändern. Auf der anderen Seite haben die großen Bierproduzenten mit einem fast schon uniformen Einheitsgeschmack Konsumenten herangezogen, die Bier nicht mehr nach dem Geschmack, sondern nach dem Image kaufen. Oder eben nach dem Preis. Das liegt sicher nicht alleine am Reinheitsgebot, aber es wird als „Einheitsgebot“ zum Symbol dafür. Sicher lassen sich auch mit dem Reinheitsgebot interessante Biere brauen, nur warum setzen dann die meisten Brauer auf diesselben Malz- und Hopfensorten und verwenden denselben Hefestamm? Deutschlands Biermarkt kann spannend sein und wird auch so von außen wahrgenommen – aber eben „nur an den Rändern“. Soll heißen im urig-ländlichen Bereich des ehrlichen Brauhandwerks, wo der Brauer noch braut und nicht Maschinenführer ist, und im Bereich kreativer Craftbiere, wo sich Brauer bewusst und gewollt über Konventionen hinwegsetzen, um neue Geschmackserlebisse zu schaffen. Was aber das große Mittelfeld des Massengeschmacks angeht, herrscht häufig Mittelmäßigkeit. Und die lässt sich im In- wie im Ausland tatsächlich nur dank Reinheitsgebot, Werbung und allwöchentlichen Rabattaktionen im Handel gut verkaufen …
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