Heute soll es mal um Bier und Bücher gehen. Da tut sich in der letzten Zeit ja so einiges auf dem Markt und ich als gelernter Germanist und Bierliebhaber schaue da ja besonders genau hin. Deshalb habe ich mir mal drei Bücher herausgesucht, die mir in letzter Zeit ins Haus geflattert sind und die ich in einer kleinen Serie in den nächsten Tagen vorstellen möchte:

Die drei Bücher ähneln sich in ihrer Thematik. Es geht um Bier in Deutschland, bei Volker Quante sogar in ganz Europa. Der Inhalt dürfte sich also überschneiden – zumindest liegt der Verdacht nahe.

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Den Anfang möchte ich mit Bier vor Ort von Volker Quante machen. Das wäre so ein Buch, von dem zumindest ich behaupten würde, dass ein echter Bierliebhaber es haben muss! Nicht, weil man damit in der Tasche durch die Welt streunen würde, sondern weil es zum einen einfach gut geschrieben ist. Ich mag den Stil, den man zwischen biographischem Reisetagebuch und informativem Bierführer einordnen könnte. Ein Beispiel gefällig?

„Das Navigationsgerät meldet „Ziel erreicht“ und ich stutze. Das soll die berühmte Bouwerij Cantillon sein? Hier in diesem Stadtteil Brüssels soll die Luft so rein sein, dass der Brauer sich auf das Risiko einer gezielten Infektion seiner gekühlten Würze mit wilden Hefen einlassen kann? Und dieser Prozess soll so wiederholbar sein, dass die Spontangärung wirklich Geuzes und Lambics von gleichbleibend hoher Qualität garantiert?“ (S. 114)

Wunderbar gefällt mir, wie Volker Quante seine bierigen Erlebnisse im sündigen Stadtteil St. Pauli zwischen einem zwei Meter großem Penis und „Astra rulez“ aufs Papier bannt. Man schmunzelt und plant in Gedanken eine Kurzreise an die Reperbahn. Aber das soll bitte jeder selbst nachlesen, zu viel verraten will ich nicht.

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Wunderbar ist übrigens auch Volker Quantes Beschreibung „seiner Berufung“ zum Bierliebhaber in einem Getränkeerlebnismarkt mit umfangreicherem Sortiment. Und wie er dadurch damals in den Neunzigern des letzten Jahrtausends zum „Biersammler“ wurde:

„… und stolz schob ich meinen Einkaufswagen in Richtung Heimat, setzte mich vor meinen Computer, einen blitzschnellen 486er mit Windows 3.1 und einem Arbeitsspeicher von immerhin 4 Mbyte, und begann, meine neu erworbene Sammlung schriftlich zu erfassen. Einschließlich des dazugehörigen Geschmacks …“ (S. 10)

Ich kenne kaum jemanden, der bei seiner Bierleidenschaft so systematisch und organisiert vorgeht. Man kann sich gar nicht vorstellen, wie viele Geschichten rund ums Bier sich in seit diesen Tagen angesammelt haben. Der Leitspruch dieses Buchs lautet daher :“Fasse dich kurz!“ Die Alternative wäre sonst, „wie die Brockhaus-Redaktion auf den Kunstgriff von 20 Bänden zu je etwa 2000 großformatigen und kleinbedruckten Seiten zurückgreifen zu müssen“. Was soll ich sagen, auch das hätte ich mir ins Regal gestellt. Aber dass ich jetzt nicht wegen der Gesamtausgabe von Bier vor Ort anbauen muss, ist auch nicht schlimm.

Die Auswahl der Brauereien ist übrigens ein Thema für sich. Volker Quante klappert nämlich nicht einfach nur die üblichen bekannten Adressen ab. In den Seiten über meine fränkische Heimat sucht man das Schlenkerla (oder meinestwegen das Spezial) in Bamberg, die Klassiker aus der Fränkischen Schweiz oder die Klosterbrauerei auf dem Kreuzberg in der Rhön vergebens. Nicht, weil Volker Quante nie dort gewesen wäre oder es ihm dort nicht gefallen hätte. Wer seinen Blog brunnenbräu kennt, weiß, dass er zu den eifrigsten Bierreisenden gehört, die es gibt. Gäbe es Bier vor Ort als 20-bändige Gesamtausgabe, wären besagte Brauereien natürlich auch vertreten. Aber diese Adressen stehen ja sowieso schon in jedem Bierführer.  Deshalb entführt Volker Quante einen an den Imbiss-Kiosk Laguz in Nürnberg.

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Den kennen Sie nicht? Macht nichts, ich auch nicht. Aber dort gibt es das seltene Enzensteiner Bier, genauer gesagt das Vetus Specialis Dr. Francks grannenabwerfende Imperialgerste – und schon ist man ihm verfallen, dem Charme dieses Buchs. Wer kennt schon dieses Bier? Wer weiß etwas über die Geschichte dieser Gerstenart? Und wer hätte sagen können, dass man das Bier in einem Nürnberger Kiosk einfach so bekommt? Ich hatte es bisher noch nicht gestestet – und ich bildete mir bisher ein, einiges über fränkisches Bier zu wissen und auch einige fränkische Biere getrunken zu haben. Jedenfalls weiß ich jetzt, wo ich in Nürnberg unbedingt mal hingehen muss!

Man muss es einfach neidlos anerkennen:  Egal, wie viel man über Bier weiß und wie viele Brauereien man besucht haben mag, Bier vor Ort wird nie langweilig. Es mag eigentlich „überflüssig“ sein, weil die wenigsten von uns in die Lage kommen werden, z. B. auf Island eine Brauerei suchen zu müssen – selbst wenn Island dank der Fußball EM in aller Munde war.

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Wie gesagt, Bier vor Ort ist nicht der klassische Bier-Reiseführer. Wer druckt schon einen Reiseführer mit Schwarz-Weiß-Bildern? Eigentlich geht das gar nicht. Aber ehrlich gesagt braucht man keine Farbbilder. Sie hätten – zumindest für mich – keinen echten Mehrwert. Im Gegenteil: Wenn Volker Quante schreibt, dass er vollkommen ungeplant  und schlecht vorbereitet – also ohne eingepackte Kamera und mit gefährlich leerem Handy-Akku – eine neue, bisher unbekannte Brauerei entdeckt, dann fühle ich mit ihm. Welchem Bierliebhaber ist es nicht auch schon so ergangen? Und wie sollte ein Hochglanz-Foto zu einer solchen Geschichte passen. Und vor allem dürfte sich jeder über Fotos beschweren, nur eben ich nicht – man muss sich nur mal die Fotos in meinem Blog anschauen. Vielleicht ticken Volker Quante und ich da ähnlich – anachronistisch.

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Klar, die eine oder Farbseite würde nicht schaden, gerade wenn es Fotos von Bieren gibt. Und wenn es nur sei, um in den Buchhandlungen mehr Leser für dieses Buch zu gewinnen. Andererseits wirkt an diesem Buch nichts „effektheischerisch“, dafür vieles einfach nur „ehrlich“. Bier-Einsteiger, die Bierführer nach der Qualität der Abbildungen kaufen, dürften aber sowieso nicht das Zielpublikum für dieses Buch sein.

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Aber wer sich tiefer für Bier interessiert, wer – um es mit Oliver Wesselohs Buchtitel Bier leben zu sagen – Bier lebt, der muss dieses Buch haben, weil es einen bei jedem Blättern immer wieder aufs Neue überraschen kann.

Fazit: Für Bier-Liebaber unbedingte Kaufempfehlung!

Volker R. Quante: Bier vor Ort. Reisen in Europas Bierwelt. Oktober Verlag, Münster. 240 Seiten. ISBN: 978-3944369624

 

 

Das Rezensions-Exemplar wurde mir vom Verlag zur Verfügung gestellt. Ich habe versucht, mich nicht davon beeinflussen zu lassen.