Beim heutigen Bier des Tages geht es wieder mal darum, dass die Welt leider nicht ganz so einfach ist, wie man sich das gerne vorstellen möchte. Nehmen wir mal – aus gegebenem Anlass – das Thema Reinheitsgebot. Das Thema war ja wieder mal in aller Munde, als die UNESCO die belgische Biertradition zum immateriellen Welterbe erklärte, wohingegen dem deutschen Reinheitsgebot jener Status verwehrt blieb. Klare Sache: Das Reinheitsgebot gängele die deutschen Brauer und diene der Industrie, während die aus deutscher Sicht unreinen belgischen Biere ein schützenswertes Welterbe seien, jubeln die Reinheitsgebotskritiker verkürzt. Und die Reinheitsgebotsbefürworter muffeln, dass man schon sehen werde, was man von so verrückten Bieren habe – spätestens am nächsten Morgen, denn so richtig gesund könne das alles nicht sein, schließlich schütze das Reinheitsgebot vor allerlei gefährlichem Mist. Worauf die Reinheitsgebotskritiker entnervt abwinken und darauf verweisen, dass man sich an ein Natürlichkeitsgebot halte und an einem „verrückten Bier“ gar nichts gefährlich sei. So oder so ähnlich laufen diese Diskussionen in der Regel jedesmal ab, da nehme ich mich auch gar nicht aus.

tonkabohnen-stout-1Natürlich stimmt es, dass die Brauer in anderen Ländern, Belgien oder den USA zum Beispiel, wesentlich größere Freiheiten beim Brauen mit natürlichen Rohstoffen haben. Aber man ist dort nicht automatisch freier als in Deutschland, zumal in Bayern, wo man sich eigentlich dem Reinheitsgebot zu unterwerfen  hat. Das ist mir beim Tonkabonen Stout von der Braumanufaktur Weyermann® aufgefallen. Und ihr wisst ja, wie ich bin: Wenn ich was (für mich Neues) gelernt habe, dann kriegt ihr das auch früher oder später präsentiert! ;-) Das Tonkabohnen Stout war eines der Sonderbiere, die es regelmäßig bei Weyermann® gibt und die sich nicht unbedingt immer ans Reinheitsgebot halten. „Alkoholhaltiges Malzgetränk“ steht dann auf den Etiketten. Und Biernerds wie ich denken sich dann immer: Überall anders dürfte man sowas auch brauen und es Bier nennen. Und genau das ist falsch gedacht! Aber dazu gleich mehr.

Tonkabohnen sind die Samen des Tonkabaumes, der zur Gattung der Hülsenfrüchte gehört und der in Südamerika, auf Trinidad und im tropischen Afrika angebaut wird. Die Tonkabohne kann als Gewürz benutzt werden. „Geschmacklich hat die Tonkabohne eine Bittermandel- und Vanillenote, ist charakteristisch süß und aromatisch. Sie wird auch mexikanische Vanille genannt. Generell lässt sie sich anstelle der Vanilleschote verwenden“, so Worldsoffood.de. So weit, so gut. Allerdings enthält die Tonkabohne auch einen Stoff namens Cumarin, der auch in Waldmeister oder frischem Heu vorkommt und der im Verdacht steht, krebseregend zu sein. Und deshalb ist die Verwendung der Tonkabohne als Lebensmittel zum Beispiel in den USA verboten. Verrückte Welt. Während man hier trotz des Reinheitsgebots entweder über eine Ausnahmegenehmigung oder „still geduldet“ ein Tonkabohnen Stout brauen darf/kann, wäre dasselbe Bier in den USA, die ja auf ein Reinheitsgebot verzichten, illegal. Schon irgendwie schräg, oder?

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Aber bevor jetzt die Reinheitsgebotsfreunde jubeln und auf die vermeintliche Giftigkeit unreiner Biere verweisen: In Deutschland (bzw. EU-weit) gibt es für die Verwendung der Tonkabohne einen Grenzwert von 5 bis 50 mg Cumarin/Kg – je nach Lebensmittel. Und diese Latte dürfte das Tonkabohnen Stout wohl beim besten Willen nicht reißen. Gefährlich ist es also nicht. Dafür ist es durchaus exotisch. Das dunkle Braun und die schöne Crema sind stouttypisch. Beim Geruch hat man neben den dunklen Aromen eines Stouts noch würzige Anklänge in der Nase. Probiert man es, bekommt man fast schon ein wenig weihnachtliche Gefühle. Zumindest mir ging es so. Die Kaffeearomen des Stouts mischen sich mit Vanille, Muskat, Nelke … eben mit der „Exotik“ weihnachtlicher Aromen. So ganz auseinanderhalten lässt sich das nicht so leicht, bei diesem Bier kommt viel zusammen: Die Haferflocken, die ihm einen weichen Körper geben, das dunkle Malz mit seinen Röstaromen und Schokoladennoten, die exotischen Tonkabohnen. Interessant und in sich recht ausgewogen und stimmig, wenn man sich darauf einässt. Wer ein klassisches Bier sucht, für den ist – oder vielmehr war, das Bier ab es eigentlich im letzten Sommer – das Tonkabohnen Stout natürlich nichts. Und den Streit, ob man „so ein Bier überhaupt braucht“, will ich erst gar nicht vom Zaun brechen.

Aber ein paar kleine Randnotizen (sozusagen unnützes Wissen) habe ich noch für euch. Wusstet ihr, dass

  • die Tonkabohne für uns Europäer von Alexander von Humboldt entdeckt wurde, weil die Wäsche in Venezuele, die mit Tonkabohnen gewaschen wurde, so gut duftete?
  • die Tonkabohne eine hypnotische, erotisierende Wirkung haben soll? Deshalb wird sie als Duftstoff zum Beispiel bei Herrenparfums benutzt.
  • die Tonkabohne in Südameriak als Glücksbringer bzw. zum Schutz gegen Krankheiten getragen wird? Im Geldbeutel getragen soll sie übrigens zu Wohlstand und der Erfüllung von Wünschen beitragen.

Tja, again what learned. ;-)