Es tut sich was in Bamberg. Es tut sich sogar eigentlich eine Menge, aber es tut sich eher im Verborgenen. Die Lokalzeitung Fränkischer Tag berichtet nicht darüber, in den kostenlosen Werbeblättchen Wobla und Bamberg Stadt & Land ist nichts zu finden und auch die Stadtmagazine wie die Fränkische Nacht oder die Zwiebel haben keinen ihrer Reporter hingeschickt, so wie es scheint. Dabei wäre das, was da gerade passiert mehr als nur den einen oder anderen Bericht wert:
Die vielbeschworene Craftbier-Revolution ist endlich in der Domstadt angekommen!
Gut, in der Umgebung gibt es mit den Holladiebierfee-Bieren ja schon medienwirksam vermarktete “neue Biere”. Und die Braukreationen der Braumanufaktur Weyermann® genießen eh einen Sonderstatus. Aber abgesehen von der einen oder anderen “versteckten” Mahr’s-Edition ist die heimliche Hauptstadt des Biers sieht es bei den Domstadt-Brauereien sonst eher mau in Sachen Experimentierfreude aus. Nun ist es ausgerechnet eine der kleinsten und traditionsreichsten Brauereien in Bamberg, die einen, wie ich finde, sehr mutigen Schritt wagt. Beim Greifenklau experimentiert der junge Sigmund Brockard seit einiger Zeit so beherzt wie behutsam mit neuen Bierstilen und neuen Techniken, dass man staunen möchte. Neben den Standardsorten, die es das ganze Jahr über gibt, legt er saisonal Bierspezialitäten auf, die es für Bamberger Verhältnisse in sich haben. Ich meine jetzt gar nicht mal das gottgeniale Greif R, ein wirklich zartrauchig-süffiger Traum von einem Bier. Ein Rauchbier zu brauen ist in Bamberg wahrlich keine Revolution, wenngleich sich das Schlenkerla und das Spezial seit gefühlten Jahrhunderten den Rauchbiermarkt teilen. Auch ein leicht trübes Pils und das Kellerbier Laurenzi meine ich nicht. Wobei auch hier der Teufel im Detail steckt. Das Pils wurde hopfengestopft. Woanders feiert man das als Revolution. In Bamberg probiert es der junge Brauer einfach mal aus, ohne groß Worte darüber zu verlieren.
Und jetzt gab es zum hochheiligen Dreikönigstag den Greifenklau Bock aus der letzten Saison als holzgereifte Versionen. Das muss man sich als Franke mal geben! Am 06.01. geht jeder gestandene Bierfranke in die Gaststätte seiner Wahl um sich die Stärke fürs neue Jahr anzutrinken. Ziel ist es, für jeden Monat ein Seidla zu schaffen. Für Biertrinker ist das ein fast genauso heiliger Festtag wie der Bockbieranstich im Herbst/Winter. Und ganu zu dem Zeitpunkt schenkt der Greifenklau den Bock, über dessen Süffigkeit man nur sagen mus, dass er drei Tage nach dem Anstich “ausgetrunken” war, als auf Edelhölzern gereifte Sondereditionen aus. Das sind nicht unbedingt die Biere, die man beim Stärkantrinken erwartet.
Nun ist das mit dem Holz und dem Bier so eine Sache. Holzaromen sind nicht jedermanns Sache. Und Holzfässer, zumal wenn sie entsprechend vorbelegt sind, sind auch nicht gerade günstig. Aber Biere, die mit Holz aromatisiert sind, sind gerade “das große Ding”. Hat Schneider nicht gerade seinen Aventinus als TAPX Mein Aventinus Barrique vorgestellt? Dabei macht es sich der Brauer, der vorbelegte Fässer – also gebrauchte Sherry-, Wein- oder Whiskey-Fässer – verwendet, relativ einfach. Da kann man anhand der Aromen der enstprechenden Weine oder Brände sehr gut auf das Endergebnis schließen. Und dementsprechend schmecken die so “gebrauten” Biere häufig recht deutlich nach den vorbelegten Getränken. Meiner Meinung nach manchmal sogar zu sehr.
Hier aber wurden statt vorbelegter Fässer sogenannte “Aromahölzer” in Kegs verwendet. “Aromahölzer” klingt jetzt im Zusammenhang mit Bier erstmal irritierend. Dabei wird das Holz keineswegs mit Aromen präpariert. Manche Baumarten haben von Natur aus Geschmacksaromen, die durch entsprechende Wärmebehandlung des Holzes (Toasting) noch verstärkt oder verändert werden können. Im Weinan und -ausbau genauso wie bei Edelbränden ist die Wahl des richtigen Holzes und der dadurch ins Getränk gebrachten Aromen eine hohe Kunst. Fürs Bier hingegen gibt es kaum Vergleichswerte. Wie wirkt sich High Spice auf ein Lager aus? Kann man einen Bock mit Dark Roast veredeln? Und wie viel davon soll man für zum Beispiel ein 50er Keg verwenden? Dass sich da nicht jeder rantraut, ist verständlich. Das habe ich erst im letzten Jahr während eines Fachvortrags über die Grundlagen der Holzfassreifung beim 2. Bamberger Biersymposium gelernt.
Bei den 3 Königsböcken im Greifenklau gab es die Aromahölzer als Staves, also als “Leisten”, in den Kegs. Einmal als Version mit Mocha-Hölzern und einmal mit Vanilla. Der Greifenklau Bock durfte dann eineinhalb Monat auf diesen Hölzern “reifen”. Das ist, vergleicht man es mit den fassgelagerten Bieren, die man sonst so bekommt, sehr kurz. Da wird gerne auch mal ein Dreiviertel Jahr das Bier im Fass oder auf dem Holz gelassen. Allerdings hat die Sache einen Haken. Gerade, wenn vorbelegte (also ausrangierte) Wein- oder Whiskeyfässer benutzt werden, kann das Bier im Fass “altern”. Kohlensäure tritt aus, Lust kann ins Fass gelangen. Ein amerikanischer Brauer fragte mich einmal, warum wir diese Biere oft “barrel-aged” nennen? “Why would you ‘age” a beer? Aging means oxydation.” Er wäre dafür, das Bier kürzer Im Fass zu lassen. Das Bier würde dadurch nur gewinnen.
Den 3 Königsbock „mit Mocha“ hatte ich oben in der Gaststätte probieren dürfen. Und ehrlich gesagt: Ich war vom Anfang an begeistert. Ein wenig bernsteinfarben mit toller Schaumkrone. Die Optik stimmt jedenfalls. Beim Geruch meint man, ein wenig Hopfen neben den „holzigen“ Noten zu vernehmen. Und beim Geschmack? Da hat der Bierfreund ein Problem: Wie beschreibt man diese holzigen Aromen? Dem Weinfreund ist das ja nicht fern und auch Cognac- und Whiskeyliebhaber können stundenlang über diesen oder jenen Eichentyp philosophieren.
Der erste Eindruck war: weich, sehr weich. Das Holz schmeichelt dem Bock, gibt ihm beerige Noten, dominiert den Antrunk noch nicht. Da baut sich – vor allem, wenn das Bier ein wenig kühler ist – der holzige Charakter erst auf. Der Bock wird dadurch weniger kernig. Oder anders kernig, denn wenn das Holz kommt, dann kommt es. Dann wechselt er ins Trockene, Holzige. Das mag sicher nicht jeder, das ist dem jungen Brauer auch klar. Trotzdem experimentiert er damit. Und im Falle der Mocha-Version kann sich das Ergebnis sehen lassen.
Von der zweiten Version habe ich mir eine Flasche abfüllen lassen und sie zu Hause verkostet. Hier geben Vanilla-Aromahölzer den Ton an. Optisch ist diese Version ein wenig heller, wie mir scheint. Das Aroma ist schwer zu beschreiben. Es wirkt ein wenig „ätherisch“, die Vanille kommt sehr stark hervor, lässt das Aromenprofil fast ein wenig in eine Kokos-Richtung kippen. Geschmacklich hat es mich entfernt an das The Bruery White Chocolate erinnert. Die Holzaromen machen den Bock auf der einen Seite zwar weicher, dominieren das Bier aber auch, lassen ihm weniger Platz , sich zu entfalten. Schon vom Antrunk an kommen diese vanillig-holzigen Noten durch, bleiben bis zum Nachhall präsent und lassen den Bock auch eher süßer wirken. Die zweite Version ist sicher die komplexere und auch ungewöhnlichere von beiden. Zusammen mit ein paar Schokoaromen könnte ich mir das sehr gut vorstellen. Oder mit ein wenig weniger Holzaromen. Jedenfalls wirkt das gleiche Bier dank unterschiedlicher Holzaromen wie ausgewechselt. Aber wie gesagt – ohne Vergleichswerte sind solche Biere mutige Experimente. Und als solches sieht sie auch der Braumeister. „Ich wollt‘ halt mal was ausprobieren“, hört man ihn dann sagen. Und dass das nicht jedermanns Geschmack sein wird, dessen ist er sich bewusst.
Aber vielleicht ist genau das die eigentliche, vielbeschworene Craftbier-Revolution? Mutige Brauer, die ohne viel Trara Neues ausprobieren und in ihren Gaststätten ausschenken. Nicht auf nationalen und internationalen Biermessen, wo ein entsprechend vorgebildetes Fachpublikum von Gratisprobe zu Gratisprobe pilgert und Biere in den Himmel lobt, von denen Otto Normalbiertrinker nie etwas mitbekommen wird. Von Szenegrößen wie Schneider oder Riegele erwartet man das ja mittlerweile schon, ebenso wie von „hippen“ Neugründungen. Wenn solche Biere aber plötzlich in ur-traditionellen Wirtshäusern auftauchen, ist das was ganz Anderes! Dass meinen Kollegen und mir, die einen tieferen Einblick in die nationale und internationale Bierszene haben, bei solchen Bieren ein Lob genauso schnell von der Hand geht, wie so ein Bier über den Gaumen rinnt, ist auch nicht ungewöhnlich. Den Umsatz machen aber die Stammkunden. Und die sind es auch, die das Überleben einer Brauerei sichern. Deshalb finde ich es mutig und vor allem genau richtig, wie beim Greifenklau neue Biere ganz unprätentiös ausgeschenkt werden. Kein Presserummel, der den Stammtisch beim Schafkopf stört. Keinen Sommeliers, die den Wirt in Beschlag nehmen, der sich dann nicht mehr um seine Stammgäste kümmern kann. Bodenständig bleiben und trotzdem Neues wagen! Manche Biertrinker werden lieber zum altbekanten Lager greifen, andere vielleicht neugierig mal das eine oder andere probieren. Vielleicht „erzieht“ man sich so seine Stammkundschaft? Vielleicht ist das ein Rezept für die kleinen Brauereien, um mit den Großen mitzuhalten? Die Ideen gehen Sigmund Brockard Junior jedenfalls nicht aus. Und den Rückhalt der Familie – das ist bei so kleinen Betrieben wie dem Greifenklau wichtig – scheint er auch zu haben.
Wenn also von der vielbeschworenen Craftbier-Revolution die Rede ist, müsste die Brauerei Greifenklau ganz vorne genannt werden. Dass darüber kaum geredet wird, macht die Brauerei noch sympathischer. Ich hoffe, man verzeiht es mir, dass ich es jetzt doch mal gemacht habe.
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