Wenn ich ab und an mal Seminare oder Vorträge zum Thema Bier halte, dann geht es natürlich immer wieder auch um das Thema Craftbeer. Oft werde ich dann von „gestandenen Bierfranken“ gefragt, ob man sowas überhaupt braucht – bzw darauf aufmerksam gemacht, dass man sowas in Franken eben nicht brauche. „Wir haben hier genügend gutes Bier! Da braucht keiner so einen neumodischen Schnickschnack!“, kann man die Reaktion vieler kurz beschreiben. Ich entgegene dann in der Regel, dass das Craftbeer-Segment eine Chance sein kann …
Das kann man sich gerade in Pegnitz mit der Brauereivereinigung, dem Boeheim-Bier, anschauen. 2015 stand das Überleben der Brauerei auf der Kippe. Der Nordbayerische Kurier titelte damals „Durchhalteparolen bei Brauerei„. 2016 war man dann schon optimistischer „Erst Umsatz, dann Investition„, hieß es vom Geschäftsführer Martin Weiß. Nicht nur in der Region sollte der Umsatz „passen“, sondern auch auf anderen Märkten. Womit wir bei der dritten Headline des Nordbayersichen Kuriers wären: „Böheim Bier bald in Nürnberg„. Und damit nicht genug – mittlerweile gibt es drei Boeheim-Locations in Nürnberg und eine weitere in Fürth soll folgen. „How comes?“, fragt man sich da verwundert und reibt sich die Augen. Und die Antwort lautet: Wir krempeln mal eben zwar nicht alles, aber immerhin vieles um.
Wir sind nicht die gewöhnliche fränkische Brauerei und wir sind auch nicht die üblichen neuen Craftbier-Brauer.
Mit dem Satz von der Homepage lässt sich das neue Konzept vielleicht am besten beschreiben. Den traditionellen Brauereien weht ein immer rauherer Wind entgegen. Die. die ihre Stammkundschaft im Ort noach haben oder einen gewissen Kultstatus genießen, kommen über die Runden, die einen besser, die anderen schlechter. Aber es geht. Bei anderen knirscht es dagegen massiv im Gebälk. Wenn die Stammkunden ausbleiben, weil sie ihr Bier von Großbrauereien billiger bekommen, dann ist man plötzlich nur noch eine Brauerei von vielen. Gut vielleicht, aber das reicht nicht. Die anderen sind ja auch nicht schlecht. Also was tun? Man muss sich von den Mitbewerbern absetzen, neue Kundenschichten erschließen, alte zurückgewinnen. Beim Böheim-Bier hat man sich das gar nicht so ferne Nürnberg als lohnenden Markt ausgeguckt. Das gewinnt man im Moment am besten mit einer Mischung aus Tradition (Landbiere gehen da seit Jahren gut) und Moderne (Craft wächst in Nürnberg auch beachtlich). Also überarbeitet und modernisiert man die eigenen Biersorten und Rezepte, stellt ihnen ein modernes IPA zur Seite und eröffnet eine coole Bar und eine Bierhalle in der Stadt, in der man neben eigenem Bier auch gleich noch weitere nationale und internationale Klassiker anbietet. Dass man beim Thema Food den gleichen Weg geht, liegt auf der Hand: Pulled Pork, Beef Brisket, Franconian Sausages aus dem Smoker … Ich weiß, braucht kein Mensch, wenn er „a gescheits Schäuferla“ bekommen kann. Aber Schäuferla hat mittlerweile jeder auf der Karte. Und immer nur Schäuferla wird auch irgendwann langweilig …
Den Unterschied zwischen früher (als sich „Böheim“ noch mit „ö“ schrieb) und heute (jetzt heißt es „Boeheim“ mit internationalem „oe“)kann man vielleicht am besten am Boeheim Pils erkennen. Vor einiger Zeit (gemauer gesagt vor 270 Bieren) hatte ich das mal im Urlaub – sozusagen als „Ferienarbeit“ – zum Testen mitgenommen. Damals ein fränkisches Pils wie viele andere auch: Nicht wirklich bitter, netter – für ein Pils viel zu voller – Körper, eigentlich mehr ein würziges Helles. Nett zu trinken, wirklich nett. Aber nichts, wofür man extra nach Pegnitz hätte fahren müssen. Und jetzt steht auf dem Nürnberger Bierfest ein Böheim-Stand mit einem gründlich überarbeiteten Pils, das ein komplett anderes Bild zeichnet.
Vom Beginn an hopfig, das riecht man schon. Aber nicht „klassisch“ gehopft, also nicht so, wie man es gewohnt ist. Das Aroma spielt irgendwo zwischen würzigen Kräutern und grünen Beeren, würde ich sagen. Das liegt natürlich daran, dass das Bier kaltgehopft wurde. Fragt mich jetzt bitte nicht, mit welchem Hopfen. Da bin ich überfragt. Und knackig ist es, mit einer ordentlichen Grundbittere. Kein Vergleich zum „alten Pils“. Das hier zeigt, dass es in Sachen Bittereinheiten ein Pils ist. Mir gefällt sowas ja. Denn das Boeheim Pils ist eigenständig in der fränkischen Pil-Landschaft. Und es polarsiert natürlich: Die einen jubeln „So kann Pils!“, anderen ist es sicher zu kantig, zu unsüffig. Oder eben „zu crafty“. Aber eines ist es nicht mehr: austauschbar.
Wie gesagt: Ideen aus der Craftbeer-Bewegung können für fränkische Brauereien ein Weg aus der Krise sein. Ob das neue Boeheim-Konzept aufgeht, wird die Zeit zeigen. Ohne den Schwenk in die Craft-Ecke wären die Lichter in der Brauerei aber sicher schon längst ausgegangen. Insofern ist es schon mal ein Erfolg.
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