Definiere mir einer mal, was Craftbier überhaupt sei. Das ist alles andere als leicht. Da gibt es so viele Meinungen wie Brauer – wahrscheinlich sogar mehr. Craft kann viel sein: Ideologie oder Marke, Heilsbringer auf einem stagnierenden Biermarkt oder Randsegment, lecker oder verrückt. Was man häufig hört, wenn man sich mit Brauern über ihre Definition von Craftbier unterhält, ist die Liebe zum Produkt und zu den Rohstoffen. Und irgendwie natürlich auch die handwerkliche Herstellung. Natürlich gehören auch Mut und Kreativität dazu, aber nicht nur …

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Bei der Brauerei Faust sieht man sich auch in diesem „Spannungsfeld“ der Definitionen. Man spricht bei den eigenen Bieren auch weniger von traditionellen Bieren und Craftbieren, sondern von Bier-Spezialitäten und Bier-Raritäten. Aber alle diese Biere atmen etwas von der eigenen Tradition. Die ist bei einem traditionellen Bier genauso wichtig wie bei einem kreativen. „Wir möchten Biere brauen, die zu unserem geschmack passen und unserer Geschichte„, heißt das wörtlich. Und an Geschichte ist Miltenberg wahrlich nicht arm. Mitten im Ort steht zum Beispiel Deutschlands ältestes Gasthaus, genannt Zum Riesen: Mitte des 12. Jahrhunderts gab es das Gasthaus schon und seither sind so manche Könige und Kaiser dort abgestiegen.

So ein geschichtsträchtiger Ort braucht natürlich auch sein eigenes Bier. Da das Gasthaus Zum Riesen in der Hand der Brauerei Faust ist, hat man sich entschlossen, ein spezielles Faust Bier für den Riesen zu brauen, das Riesen-Spezial.

Aha! Wieder ein „Spezial„, diese Sorte, die nicht so leicht zu fassen ist (wenn überhaupt) und die sich vor allem in Tauber- und Mittelfranken finden lässt. Man könnte so ein Spezial wohl als Mischung aus Export und Märzen bezeichnen. Oder einfach nur als sattes, vollmundiges Bier. Das Riesen-Spezial hat 5,5 % und ist bernstein-klar. Beim Geschmack geht es zunächst in eine malzige Richtung, wobei das Malz nicht platt, sondern durchaus ausdifferenziert daher kommt. Karamellnoten mischen sich mit leichter Süße, das Bier wirkt fein, elegant und nicht so derb brotig. Dazu kommt ein langsam dominanter werdendes Hopfenaroma. Auch das gefällt – und erinnert an das Sommer- und Winterfestbier der Brauerei Faust. Klar, „modern“ ist an dem Bier wenig und „mutig“ im Sinne von „exotisch“ auch nichts. Und dennoch, so finde ich, merkt man dem Bier die Liebe zum Handwerk an. „Slow brewing“ mache man beim Faust, so heißt es. Soll heißen: Man gibt seinem Bier Zeit, lässt es offen vergären. Und man nimmt die eigene Tradition – wie zum Beispiel mit dem Riesen Spezial – als Ausgangspunkt für neue, modernere Biere wie die Brauerreserve, den Eisbock oder das Auswandererbier.

Vielleicht haben die handwerklichen Brauer in Franken ja schon immer sowas wie Craftbier gebraut, auch als es den Begriff noch gar nicht gab …