Ich komme noch mal aufs Brauereikartell. Nach Informationen der WELT soll ja auch gegen die Kölsch-Brauer Früh, Gaffel und andere ermittelt werden. Im Blick des Bundeskartellamts stünden auch die Deutschlandtochter von Carlsberg und die Radeberger-Gruppe. Damit trifft “der Skandal” auch eine fränkische Brauerei, nämlich Tucher.
Tucher ist ja in vielerlei Hinsicht für mich immer wieder ein Beispiel dafür, “wie man es nicht macht.” ehmen wir zum Beispiel das vor zwei Jahren wortreich eingeführten Nürnberger Pils. Damals warb die Brauerei noch mit romantischen Bildern der Nürnberger Burg in sternenklarer Nacht. Die Botschaft damals lautete: Tucher ist cool und das Bier der Stadt.
Und die Seele der Stadt brauchte ein entsprechendes Bier. Eine Pressemitteilung warb für das Nürnberger Pils: ” Nürnberger Pils von Tucher ist die Innovation im Pilsbereich. Schon die edle Aufmachung zeigt, dass den Braumeistern etwas Besonderes gelungen ist. Angeboten wird es in exklusiven Ale-Flaschen mit heißfoliengeprägten Etiketten. Die Unterschrift des Braumeisters, die individuelle Sudnummer und das Siegel am Halsetikett verbriefen außergewöhnliche Qualität. Als erste Brauerei in Deutschland hat Tucher einen QR-Code aufgebracht, der das Geheimnis des besonderen Brauverfahrens löst. Einzigartig aber ist der verführerisch milde Geschmack. Sein Geheimnis: die Kalthopfung“
Ich muss ja sagen, dass mir das Etikett recht normal erscheint. Was daran jetzt so speziell “heißfoliengeprägt” ist, kann ich nicht sagen. Vielleicht ist ja das spezielle Etikett mittlerweile wieder kassiert worden. Aber es soll ja nicht ums Etikett gehen, schließlich ist das Nürnberger Pils ja DAS innovative Premium-Pils der Republik. Kein anderes Pils einer großen Brauerei ist extra kaltgehopft. Bei Minus einem Grad wird das Bier mit dem Premium-Hopfen “Saphir” veredelt. Das klingt nach etwas ganz Besonderem, jedoch nur so lange, so lange man sich nicht an den kreativen Rändern der Bierszene bewegt. Kalthopfung, also das Hopfenstopfen, sind dort mehr gang und gäbe als eine besondere Brauart. Und auch der Premium-Hopfen “Saphir” findet sich häufiger, wenn man ein wenig recherchiert. Was mich dagegen bei diesem Bier ein wenig stört, ist der Einsatz von Hopfenextrakt. Wenn bei einem Bier so offenkundlich und imageträchtig mit der Hopfenqualität geworben wird, hätte man auf Hopfenextrakte verzichten können, finde ich.
Immerhin verspricht “Saphir” ein interessanteres Geschmacksprofil bei dem hellgoldenen, glanzfeinen Pilsner. Die Nase nimmt Hopfen wahr, aber in einer weichen und ins Malz eingebetteten Art. Das ist nicht so ungewöhnlich, wie man es von anderen kaltgehopften Bieren gewohnt ist. Beim Geschmack bin ich positiv überrascht, ich hatte mir wesentlich Schlimmeres vorgestellt. Andererseits bin ich aber auch enttäuscht: Von einem kaltgehopften Pils erwarte ich mehr, aber viel mehr Hopfenaromatik. So hat man ein nettes Pils mit milder, malziger Basis. Der Anflug von frischem Hopfen und grünen, blumigen und zitrusartigen Noten gefällt. Aber der Abgang könnte ein wenig knackiger sein. das erwarte ich mir von so einem Pils schon. Und der edlen Aufmachung mit Sudnummer und Unterschrift des Braumeisters wird es nicht gerecht. Dafür wirkt es im Endeffekt “zu normal”.
Das scheinbare Flagschiff des Tucher-Portfolios sollte ja eigentlich in der Gastronomie in Weinkühlern und mit speziellen gläsern serviert werden. Es sollte also ein schritt in die Richtung Edelbier sein. Hochwertige Flaschenanmutung, Qualitätsversprechen und eine besondere Brauweise sollten das rechtfertigen. “Um dieses exklusive Biererlebnis stilecht zu zelebrieren, serviert die gehobene Gastronomie das Nürnberger Pils in einem Flaschenkühler. Denn während klassisch gebrautes Tucher Pilsener zwischen sieben und neun Grad getrunken wird, genießt man Nürnberger Pils bei einer Trinktemperatur von sechs Grad.“, beschrieb es eine Pressemitteilung der Radeberger-Gruppe im Januar 2012.
Mal abgesehen davon, dass ein Bier bei kühleren Temperaturen nicht unbedingt gewinnt und ich die sechs Grad fast zu kühl finde, scheint dieser Schritt in Richtung Edelbier nicht viel gefruchtet zu haben. Denn der neue Markenauftritt der Tucher Bräu geht vollkommen weg vom urbanen, edlen City-Image und setzt komplett auf die Retro- und Authentizitätswelle. Das Tucher Nürnberger Pils spielt kaum ein paar Jahre später darin keine tragende Rolle mehr. Die “neue” Tucher Homepage geht auf all die “Vorzüge” des Biers überhaupt nicht mehr ein.
Ob sich die Investitionen in die Entwicklung des Bieres so gelohnt haben, darf bezweifelt werden. Dabei hätte man bei der Tucher die Linie des Nürnberger Pils konsequent weiterverfolgen können und einen Fuß in die Craftbier-Szene bekommen können. Allerdings hat Radeberger mit Braufactum ja schon seine eingeführte Craftbier-Marke. Tucher muss sich dagegen jetzt mit dem neuen Image hauseigenen Bieren wie dem Grüner Vollbier oder den Zirndorfer Bieren stellen. Und die haben im Vergleich zu den neuen Tucher-Bieren ein gewachseneres Standing. Der nächste Marken-Relaunch lässt da sicher nicht auf sich warten …
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