Das Thema Marktbereinigung und Brauereiensterben lässt mich ja in letzter Zeit nicht los. Und im Sommer dieses Jahres kommt ein neues Kapitel dazu: In Coburg geht das Bier aus. Ehemals eigenes Herzogtum und zwischendurch auch mal Feistaat hatte Coburg wie so viele Städte eine lebhafte Dichte an Klein- und Kleinstbrauereien. Alleine Im Stadtgebiet lassen sich da über 30 nachweisen. Die für eine Kleinstadt hohe Zahl lag unter anderem auch daran, dass früher nahezu jedes Gasthaus sein eigenes Bier „braute“, wobei der Begriff „brauen“ zum Teil relativiert werden muss. Das gemeinsame Brauen in einem Kommunbrauhaus und Vergären/Reifen im eigenen Keller berechtigte nämlich auch schon den Namen Brauerei. Die Industrialisierung, Kriegsauswirkungen und Wirtschaftskrisen machten der Vielfalt wie überall den Garaus. Gerade für die Brauereien in Coburg sind die Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs aber besonders drastisch: Traditionell lag ein großer Teil des Absatzgebietes von Coburger Bier in Südthüringen. Nach der Teilung Deutschlands rückten die Brauereien plötzlich vom Herzen des Landes an den unbeliebten „Zonenrand“. Bei manchen Brauereien fielen so 3/4 des Kundenstammes weg. Diese Marktbereinigung überlebten immerhin noch en paar Brauereien: Scheidmantel, Sturm’s, Hofbräu usw. In der nachfolgenden Zeit passiert das, was exemplarisch für den Rest des Landes ist. Die „mittelgroßen“ Coburger Brauereien – die größte Brauerei Coburger Hofbräu hatte maximal einen Ausstoß von 150.000 hl/Jahr – wurden von den Branchenriesen übernommen, um sich die Absatzgebiete zu sichern, und später auf Grund fehlender Rentabilität und zur besseren eigenen Maschinenauslastung geschlossen. Schon 1921 übernahm die Paulaner die Hofbräu. In Coburg wurde aber noch bis 1981 das Bier gebraut. Dann aber war Schluss. Der Vertrieb unter dem Coburger Label lief noch bis 1990. Bei der Scheidmantel-Brauerei begann es mit einer Cooperation im Jahre 1998. Die „Kulmbacher“ kaufte sich ein – und nicht nur dort. Als bei der Brauerei Sturm der letzte Brauereivorstand seinen Tod (in einem Gärbottich) fand, übernahm die Kulmbacher auch diese Brauerei und führte Scheidmantel und Sturm zur „Coburger-Brauerei“ zusammen. Gebraut wurde seither in der Callenberger Straße auf dem Gelände der Brauerei Sturm. Auch die Geschichte der Brauerei Sturm ist exemplarisch für das Ende einer Brauerei: Mit dem plötzlichen Tod des Inhabers wird die ungeregelte Nachfolge auch zum Todesurteil der Brauerei. Ein Konzern kauft sich ein, übernimmt den Absatzmarkt, verlagert die Produktion in den Konzern und stößt die Immobilien in bester Lage gewinnbringend ab. So wird die Kulmbacher in diesem Jahr die Produktion in Coburg endgültig einstellen. Große Entlassungen stehen dabei laut Konzernangaben nicht an, werden die vollautomatischen Braumaschinen nur noch von einem Braumeister bedient, der eh pensioniert wird. Die Marken Scheidmantel Pils und Sturm’s Pils bleiben (zunächst noch) erhalten, heißt es. Also wird es schnell noch verkostet, auch wenn es eigentlich kein richtiges Coburger Bier mehr ist und böse Zungen behaupten, es sei das gleiche Bier in unterschiedlichen Flaschen.
Der Test beweist aber: Das ist es nicht! Farblich und im Alkoholgehalt von 4,9% geben sich beide Biere tatsächlich nichts. Geschmacklich und im Geruch fallen aber sofort Unterschiede auf. Das Scheidmantel hat eher einen wässrigen Antrunk, bevor die Hopfenwürze einsetzt – die dafür länger nachläuft. Das ist nicht überragend, aber durchaus trinkbar und nicht so sehr „pilsig“. Dafür müsste das Hopfenaroma schon im Antrunk deutlicher herausstechen. Das tut es bei Sturm’s Pilsener. Der Antrunk gestaltet sich gleich mal hopfig und pilstypisch, aber … ach jeh, die Würze fällt für ein Pils vielleicht ein wenig zu kurz aus. Für Freunde eines ausgeprägten Biergeschmacks sei folgendes Experiment empfohlen: 50% Scheidmantel und 50% Sturm’s in einem Glas! Nein, das war jetzt ein Scherz! Das Sturm’s Pilsener ist von beiden Kandidaten charaktervoller und eigenständiger. Das Scheidmantel ist zwar weicher, aber leider eben auch ein wenig unspezifischer. Die Kulmbacher will zunächst beide mit den jeweiligen Rezepturen weiterbrauen. Allerdings zeigen andere Beispiele (Sandlerbräu usw.), dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis das „Coburger Bier“ völlig aus der Gastronomie und den Regalen verschwindet. Eine Hoffnung gibt es aber noch. In vielen Städten, in denen die angestammten Brauereien den Gesetzen des Marktes zum Opfer fielen, etablieren sich wieder kleine Gasthausbrauereien. Ein oder zwei kleine Gasthäuser mit eigener Brauerei stünden dem historischen Stadtkern gut zu Gesicht. Und das darf man jetzt gerne als Aufruf zur Gründung sehen …
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