Ich hatte ja letzthin beim Bier des Tages mal geschrieben, dass immer mehr fränkische Brauereien auf den Trend mit den „Bayrischen Hellen“ aufspringen und dass sich dadurch die „Farbensprache“ bei den Bieren ein wenig verschieben würde – nämlich von rot zu blau. Denn in den letzten Jahren waren mir immer wieder Helle mit dieser Farbe aufgefallen, während „normalerweise“ für Helle (und helle Exportbiere) eher rot dominierend ist.
Da schien ein neues Helles von der Schlossbrauerei Reckendorf im gleichnamigen Ort Reckendorf genau ins Muster zu passen. Das „alte Helle“ war mal klassisch rot, ist jetzt mehr so orange-rot (Foto oben). Das „neue Helle“ mit dem Namen Helle Freude, das es neben dem klassischen Lager Hell gibt, kommt dagegen mit dem blauen Etikett daher (Foto unten).
Da kann man sich jetzt fragen: Braucht es überhaupt ein neues Helles, wenn es doch schon ein helles Lager gibt? Natürlich wird man auf dem Biermarkt besser wahrgenommen, wenn man immer wieder Neuheiten auf den Markt bringt. Aber man bläht dadurch auch sein Sortiment auf, was zusätzliche Kosten schafft. Und zwei ähnliche Biere nebeneinander im Getränkemarkt – nimmt da nicht das eine dem anderen die Kunden weg, statt insgesamt mehr neue Kunden anzulocken?
Also habe ich mir mal die beiden Hellen für einen Vergleich mitgenommen. Optisch gibt es wenig Unterschiede. Vielleicht ist die Helle Freude ein wenig satter in der Farbe. Aber wenn, dann ist es tatsächlich nur ein Hauch. Beim Aroma ergeben sich dagegen schon deutlichere Unterschiede. Wo das helle Lager „getreidiger“ riecht, wirkt die Helle Freude ein wenig süßlicher, aber auch frischer und hopfiger. Auch geschmacklich zeigt sich bei beiden Bieren ein Unterschied: Die Helle Freude hat tatsächlich wie auf dem Etikett und der Homepage versprochen eine feine Citrusnote, aber eine sehr feine. Die fehlt im Vergleich zum hellen Lager. Außerdem wirkt die Helle Freude vollmundiger, aber auch süßlicher – wiederum im Vergleich zum hellen Lager. Süffig sind sie beide, mir persönlich sagte die Helle Freude sogar noch ein wenig mehr zu, weil mir die Süße und Frische einfach gefallen haben. Allerdings zeigt der Vergleich zwischen beiden auch, dass die Unterschiede nicht riesig sind. Oder nicht so riesig, dass sie zwei Helle nebeneinander rechtfertigen würden.
Aber bei genauerer Betrachtung will die Helle Freude dem Lager hell ja vielleicht auch gar keine Konkurrenz machen. Mit 5,2 % Alkohol liegt sie gut über dem Lager mit nur 4,8 %. Und mit dem volleren Körper und der Hopfennote geht sie eher in Richtung eines Dortmunder Exports. Was mich daran erinnert, dass es im Sortiment der Reckendorfer Schlossbräu auch mal ein helles Export gab. Und dessen Etikett war ebenfalls blau. Nur hatte das damals nur 5,0 %. Da hat die Helle Freude also ein wenig zugelegt.
Schaut man sich jetzt das Sortiment auf der Homepage an, fehlt das blaue Export. Dafür hat dann (wohl) die Helle Freude den Platz eingenommen (ein wenig verschnörkelt und auch versteckt steht ja auch Exportbier auf dem Etikett). Insofern passt es eigentlich ganz gut wie – laut Brauerei „Liebhaber auch dieses traditionsreiche Bier“ nennen: „A Blaus“
P.S.: Die Verwirrung, ob die Helle Freude jetzt ehere in bayerisches Helles oder ein Export sein soll, gibt es z. B. auch auf ratebeer. Dort macht man stilistisch keinen Unterschied zwischen einem hellen Lager und einem Dortmunder Export, was dazu führt, dass die Helle Freude von einem Rezensenten nicht als „a ‚franconian‘ Bier at all, but an exact copy of a boring ‚lower-bavarian‘ Helles“ gesehen wird. Dafür müsste man das Bier aber jetzt statt mit seinem Lagerbier-Geschwister mit südbayrischen Kollegen im Stile von Tegernseer oder Augustiner vergleichen …
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