Es ist schon verrückt mit diesem Biermarkt und mit den Konsumenten. Ich schätze mal, als Brauer rauft man sich da häufiger die Haare. Kaum hat der Craftbeer-Hype in Deutschland langsam Fahrt aufgenommen und immer mehr und mehr kleine Brauereien versuchen, sich ihren Platz in dieser gutbezahlten Nische zu sichern, da kursiert in der Presse die Frage, ob die Revolution schon wieder vorbei sei. Gut, dann schauen wir halt wieder auf die deutschen Klassiker – aber ach, Weizen und Pils, die gefühlt urdeutschen Sorten, schwächeln ebenso. Dafür gehen gerade milde Helle wie Sau … Nur wie lange noch? Der Biermarkt zeigt sich im Moment recht verwirrend: Die einen denken eine Rückbesinnung an, nicht jede Kreation müsse mit „vogelwilden Rohstoffkombinationen“ die Geschmacksnerven der Konsumenten fordern oder gar überfordern.

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Auf der anderen Seite punkten die jungen Wilden auf Messen und Bierfesten mit ihren schrägen Kombinationen – und manchmal denkt man sich, dass das Credo „Je schräger, desto mehr Aufmerksamkeit und positive Bewertung“ eben auch noch gilt. Wie zum Beispiel bei Felix vom Endt mit seiner Orca Brau. Der hat auf dem Craft Beer Fest in München – sozusagen im heartland des Reinheitsgebots und vor der Nase des Bayerischen Brauerbundes – erst kürzlich den zweiten Platz beim Publikumsvorting fürs beliebteste Bier des Festivals eingeheimst – mit seinem boomshakalaka, einem Smoked Rasperry-Chilli Ale. Also mit einem Bier, das so vogelwild ist, wie nur irgendetwas. Rauchmalz, Himberen und Habaneropulver und dazu noch eine angenehme Säure. So ein Bier polarisiert. Und dazu muss man es noch nicht mal probiert haben. Alleine der Gedanke, so etwas Bier nennen zu wollen, bringt den traditionellen Biertrinker auf die Palme. Die Bier-Nerds jedoch lässt so etwas entzücken. Dementsprechend zwiespältig waren die Reaktionen auf den zweiten Platz in den sozialen Medien.

Quelle: https://www.facebook.com/photo.php?fbid=10212838658418330&set=a.2048535090063.2125194.1145011325&type=3&theater

Quelle: https://www.facebook.com/photo.php?fbid=10212838658418330&set=a.2048535090063.2125194.1145011325&type=3&theater

„Übelstes Gesöff“ hier, „fantastisches Bier“ da. Bleibt nur eines: Sich eine eigene Meinung bilden. Der Antrunk gestaltet sich schon mal rauchig. Und fruchtig. Die Verbindung aus Himbeere und Rauchmalz klingt schräg, ist aber erstaunlich cool. Von Anfang an kommt das Raucharoma deutlich herüber, die Mischung mit der Himbeere nimmt ihr das „Schwarzwälder Schinken“-Feeling und gibt ihr eher etwas von Zwetschgenbaames. Für all die Nichtfranken: Unter dem Begriff versteht man einen luftgetrockneten Rinderschinken, der hauchfein aufgeschnitten das Highlight einer jeden Brotzeitplatte bildet. Was das boomshakalaka zu einem interessanten Begleiter zu fränkischem Landbrot macht. Passt erstaunlich gut, man möchte es nicht glauben … oder würde passen, denn da war ja noch die Geschichte mit dem Habanero-Pulver …

img_0031Und gerade die Schärfe, die durch das Habanero-Pulver ins Bier kommt, dürfte all den traditionellen Biertrinkern den Rest geben. Schärfe und Bier passen halt nicht zusammen. Bier darf süßlich sein, mild, natürlich auch würzig, herb oder schön bitter – aber scharf??? Was macht man also mit so einem Bier? Sicher nicht abends auf, wenn man mit Freunden die weltpolitische Lage, die Lage in der Bundesliga oder der eigenen Beziehung diskutieren will. Dafür öffnet man sich eines der vielen hellen Vollbiere, die es gerade auf dem Markt gibt. Auch mit einem Schäuferla oder einer Haxen mag sich das boomshakalaka nicht unbedingt anfreunden. Aber hey, wo (außer in den Köpfen der Traditionalisten) steht geschrieben, dass nur solche Getränke nur Bier sein sollen, die man in ordentlicher Menge zu möglichst viel Schweinefleisch mit Soße kippen kann???

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Vielleicht ist es mit der Bierszene im Moment einw enig wie mit der Grillszene. Auch da gibt es Traditionalisten, die bevorzugt auf Holzkohle nichts anderes als Steaks und Würstchen auf dem Rost dulden. Und es gibt die zum Teil recht vogelwilde Szene, die gerne auch mal neben dem Grill übernachtet, um satte 20 Stunden lang dem Pulled Beef beim Garen zuzusehen. Apropos Beef: Sucht man den passenden Anlass für ein so extremes Bier wie das boomshakalaka mits einer Rauchmalzigkeit, seiner fruchtigen Säure und seiner deutlichen Schärfe und seinem ordentluch rauchig-scharfen Abgang, dann würde ich so ein kurz und scharf gegrilltes Stück Rind vorschlagen. die bunten Pfefferkörner auf dem Fleisch könnte man sich dann sparen. ;) Die fruchtige Säure würde gut zum rosig (oder gerne auch blutigen) Fleisch passen und das Raucharoma schmiegt sich sowieso an alles Gegrillte an.

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Lustigerweise passt das boomshakalaka auch recht gut zu kernigem Landbrot, vor allem deshalb, weil es dem Bier ein wenig Schärfe nimmt. Denn das ist etwas, was man meinetwegen noch ändern könnte: Die Schärfe ist schon sehr deutlich spürbar. Wäre es weniger scharf, wäre es trinkbarer. Aber andererseits ist das Schärfeempfinden recht individuell, der eine findet eine Speise zu scharf, der andere gerade recht. Und irgendwie ist es mit dem Bier ja auch so: Der eine mag es klassisch, der amdere vogelwild. Hauptsache, jeder trinkt das, was ihm schmeckt!