In den letzten Jahren – was man dank des Serverabsturzes bei meinem Web-Hoster 1blu jetzt leider nicht nachlesen kann – war ich zum Stärkantrinken immer im Greifenklau in Bamberg. Das hat mehrere gute Gründe – in diesem Jahr sogar 9 Stück und die heißen:

Stärk antrinken 2016

Quelle: www.facebook.com/Greifenklau

Denn wie in den letzten Jahren auch, hat der Braumeister Sigmund Brockard in weiser Voraussicht ein paar Fässer seines verdammt süffigen Bocks beiseite gestellt, um sie fürs Stärkantrinken „zu veredeln“. Was durchaus ein wenig gewagt ist, denn beim Stärkantrinken handelt es sich eigentlich um eine urtraditionelle Sache, bei der man an alles denkt, nur nicht an hopfengestopftes Craftbier.

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Für alle, die das mit dem Stärkantrinken noch nicht kennen, sei hier kurz umrissen, worum es dabei geht: Die Zeit „zwischen den Jahren“, also zwischen Weihnachten und Dreikönig. Diese 12 Tage bzw. Nächte galten als Raunächte, in denen allerlei Spuk und Geister auftraten, in denen man die Zukunft fürs kommende Jahr voraussagen konnte und man sich deshalb auch gegen allerlei Gefahr wapnnete. Und wie macht das der Franke? Genau, mit dordentlich viel Bier, womit auch sonst. Wann genau zum ersten Mal Stärk angetrunken wurde, wer kann das schon genau sagen. Der Brauch soll aus dem 18. bzw. 19. Jahrhundert stammen. Wo andernorts die Aufklärung blühte, begab sich der Franke also erst recht ins „Mythische“ und versuchte sich mit einem Bock für jeden Monat gegen alle Gefahren zu wappnen. Warum auch nicht, so sind wir Franken eben.

Wo es allerdings andernorts um die reine Menge geht, hat Sigmund Brockard den alten Brauch neu interpretiert und gießt seinen Gästen etwas Besonderes ins Glas. Seinen eh schon süffigen Bock stopft er jedes Jahr mit unterschiedlichen Hopfenvarianten und zeigt seinen Gästen so, was „biertechnisch“ alles so geht. Das ist schon gewagt, aber das Experiment funktioniert. Und zwar obwohl – oder gerade weil –er keine große Werbung dafür macht. Der Franke mag den großen Rummel nicht. Er will gemütlich in seiner Wirtschaft sitzen und sein Bier trinken. Wenn es mal besonders schmeckt? Was soll’s, solnage es schmeckt! Und das tut es ja auch. Also sitzt der Stammtisch da und genießt z. B. Lemondrop-Bier aus Seidla-Krügen. Hipster-Kultur? Fehlanzeige! Wer sagt, dass Craftbier nur etwas für Vollbärte mit Boshi-Mützen und Karo-Hemden sei?

Lemondrop

Apropos Lemmondrop: Der Lemondrop Bock ist der Hammer. Das ist so süffig! Gut, zur Farbe muss ich nicht viel sagen, der Bock ist hell und unfiltriert. Im ersten Moment wirkt er leicht kratzig. Dass der Bock satte 6 Wochen!!! mit dem Hopfen gestopft war, merkt man da schon. Aber wirklic nur im ersten Moment. Mit dem zweiten Schluck ist das gleich wieder verflogen und das Hopfenaroma kommt hervor. Weich, nach grasig, lecht fruchtig mit einem Hauch Orange/Zitrone. Lemondrop soll ja nahezu alles an Aroma können: Brombeere, Grapefruit, grasig, kräuterig, Lakritz, Menthol, Minze, Orange, Pfeffer, Kiefer, Tabak, Zitrone. Wenn man sich jetzt noch vorstellt, dass 100 Gramm pro 50 Liter gestopft wurden, müsste man eigentlich echte „Fruchtbomben“ erwarten. Das sind sie schon, aber … die Fruchtnoten sind vollmundig, werden von der Süße und der Hefe begleitet. Die Herbe ist leicht kräuterig, das Bier einfach nur … hach …

Apollo

Und dann Apollo, der zweite Hopfen. Gaaanz anders! der kommt viel erdiger daher. Ich hätte auf Kiefern getippt (aber wann hat man schon an Kieferzapfen geleckt???), meine Mittester auf erdige Töne oder Kräuter. Das trifft das Profil des Hopfens auf Hopfen der Welt. Kräuterig ist er, würzig, auch hier wieder die leichte Bittere am Anfang. Aber auch hier stellt sich ein wahnsinnig weicher Körper ein. Was wiederum am zugrunde liegenden Bock  … ähm … liegt. Ach, was soll ich weiter schreiben? Das „Experiment“, einen Bock Jahr für Jahr mit unterschiedlichen Hopfen zu stopfen, ist auch in diesem Jahr mehr als gelungen. Das kann ich nach dem zweiten Bock schon sagen. Und ich denke, die nächsten Böcke werden ebenfalls gut sein. Am schönsten finde ich, dass das, was eigentlich Teil eines Sommelierkurses sein sollte (nämlich die Wirkung unterschiedlicher Hopfen auf den gleichen Sud zu erklären), hier ganz normal nebenher passiert. Dass man Craftbeer (denn das ist dieser von Hand auf einer ganz normalen Anlage gebraute, hopfengestopfte Bock mehr als viele andere Biere, die sich so bezeichnen) ohne Hipster-Attitüde ausschenken kann. In einer vollen Gaststätte. Mitten in Franken.
Liebe „Craftbeer-Hotspots“ der Nation, nehmt euch mal ein Beispiel daran! DAS ist Craftbeer-Revolution!

Aber ich muss jetzt langsam aufhören, denn als nächstes soll das Fass mit Enigma am Hahn sein … ich bleibe dran …