Ich mus sheute ein wenig „predigen“, befürchte ich. Es geht leider nicht anders. Denn es gibt ja die neuen statistischen Zahlen zum Bierkonsum in Deutschland. Und prompt wirft sich der Bayerische Brauerbund in die Brust und die Medien jubilieren
„Deutschland entdeckt das Helle“
Sauber, liebe Süddeutsche, habt ihr’s auch endlich gemerkt! „Vom Erfolg bayerischen Bieres angespornt, wurde zuerst der Weizenbiermarkt mit eigenen Produkten bedient. Und nun entdecken die Brauereien etwa in Hessen, Nordrhein-Westfallen und Schleswig-Holstein ihre Liebe zum hellen Lagerbier.„, konnte man am 06.02. dort lesen. Und es klingt ein wenig so, als sei das ein neuer Trend. Dabei ist es das beileibe nicht. Im Gegenteil, schon seit Jahren wird das „bayrische Helle“ als Sorte auf den Markt geworfen, dass man ihm fast schon nicht mehr entkommen kann. Im Fahrwasser von Augustiner, Tegernseer, Chiemseer und wer weiß was nicht alles zogen andere Brauereien munter mit. Tucher zum Beispiel mit der Retro-Marke Grüner und neuerdings auch mit Zeltner. Kulmbacher mit dem Mönchshof Bayerisch Hell. Leikeim mit seinem Leikeim Hell in Rautenoptik. Oder ganz dreist die „Blaue Kästen-Kopie“ Bayreuther Brauhaus. Ich will mich jetzt nicht selber loben, aber über den Trend hatte ich schon 2011 geschrieben! Ich persönlich frage mich eher langsam, wann diese Hell-Euphorie wieder abflaut. Mal ganz abgesehen davon, dass dieser „Hell-Trend“ nur Teil eines allgemeineren Retro-Trends ist. Man denke nur an all die wieder eingeführten Euro-Flaschen und Retro-Marken!
Aber noch geht es und deshalb kommt ein Helles nach dem anderen auf den Markt. Gemeinsam ist allen, dass sie den Typ der „milden Bierspezialität“ verkörpern – und damit weder so neu noch so bayerisch sind. Ich habe das Gefühl, so manches Bier, das vor einigen Jahren noch „Gold“ oder „Mild“ hieß, bekommt jetzt ein wenig Rautenoptik und wird auf Tradition gepimpt. Und das nicht nur bei den fränkischen Brauerei-Riesen wie Kulmbacher, Tucher oder eben dem Leikeim. Auch Brauereien, die es eigentlich wirklich besser können, machen da mit. Die Miltenberger Brauerei Faust zum Beispiel. Die wird ja zurecht für ihre Bier-Raritäten gelobt und mit Auszeichnungen prämiert. Die können echt gutes und vor allem auch geschmacklich interessantes Bier brauen. Und trotzdem gibt es als Innovation ein … Bayrisch Hell!
Mir als Hardcore-Franken stößt das mit dem „B-Wort“ sauer auf. Mir wäre ein Miltenberger Hell, Fränkisch Hell oder Maintaler Hell, sogar Chrumainzer Hell lieber, das gebe ich zu. Aber das scheint der Markt grade nicht zu wollen. Und warum sollen wir Franken nicht auch endlich mal von unserer Zugehörigkeit zu Bayern profitieren dürfen? Warum sollen wir den Markt den südbayerischen Großbrauereien überlassen? Schlechter als die können wir sowieso nicht brauen. Im Gegenteil! das Faust Bayrisch Hell mit seinen 4,8 % kann sich locker mit seinen südlicheren Geschwistern messen. Der Malzkörper ist angenehm, wobei 11,4 % Stammwürze schon ein wenig wenig sind. Aber das passt und in Sachen Aroma gefällt die feine Hopfenblume. Auch geschmacklich lässt sich nichts daran aussetzen. Mild ist es in seiner kaum auffallenden Bittere, sonst ist es durchaus angenehm getreidig-hopfig-würzig. Ordentlich. Süffig. Lecker! Es ginge zwar auch geschmacklich charakterstärker, aber wie gesagt, das feine Hopfenaroma und das Malz … sehr gut!!!
Nur bayerisch? Ich weiß ja nicht. Miltenberg war seinerzeit Churmainzisch, kam erst 1816 zu Bayern. Dass das jetzt einfach im Rest der Republik mit Lederhosen, Seppelhut, Hofbräuhaus und Dirndl-Romantik gleichgesetzt wird, ist tatsächlich das einzige, was mir an dem Bier nicht gefällt. Aber da muss ich dem Präsident des Bayerischen Brauerbundes, dem Unterfranken Friedrich Düll, schon recht geben, wenn er sagt: „Nicht alles, was auf den ersten Blick bayerisch daherkommt, ist tatsächlich aus einer bayerischen Brauerei.“ Vielleicht kann man das ja auch als Aufruf verstehen, die eigene kulturelle Identität und Biervielfalt als Marke mehr zu stärken und in der Republik bekannter zu machen.
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