Die “Kaiser Heinrich-Biere” aus Zeil am Main scheinen sich ja langsam zu einer eigenen Linie zu entwickeln. Den Kaiser Heinrich Urstoff gab es 2012 erstmals zur 1000-Jahr-Feier der Stiftung des Bamberger Doms. Dem Urstoff folgten zwei Weißbier-Varianten: die Kaiser Heinrich Urweisse hell und die Kaiser Heinrich Urweisse dunkel.
In ihren Euro-2-Flaschen mit den historisierenden Etiketten und dem “urigen” Namen bedienen diese Biere den Markt der “authentischen” Biere. Der Kaiser Heinrich Urstoff ist ja ein durchaus charakterlich eigenständigeres Bier. Und auch bei den beiden “Urweissen” erwartet man unweigerlich eigenständige Biere. Schließlich soll die Vorsilbe “Ur-” ja mehr ausdrücken, als dass man ein “stinknormales Weizen” in urige Flaschen mit urigen Etiketten gefüllt hat. Was aber genau eine Weisse zur Urweissen macht, lässt sich schwer sagen. Erdinger hatte ja im Januar 2008 den Begriff “Urweisse” republikweit bekannt gemacht. Die Erdinger Urweisse solle ein Bier aus den Anfangsjahren der Brauerei gewesen sein, hieß es in Pressemitteilungen. Ein kräftiges, würziges Aroma solle sie haben und mit anderen Malz-, Hopfen- und Hefesorten gebraut werden.
Kräftiger und würziger im Geschmack fand ich die Kaiser Heinrich Urweisse hell nicht unbedingt. Das Weizen mit 5,2 % und einer typisch honiggelben Farbe ist nicht schlecht, aber es ist auch nicht besonders “urig”. Eine “helle, spritzige, hefeblumige Weissbier-Spezialität“, nennt die Göller Homepage dieses Bier und klärt auf, dass sie nach einem alten, überlieferten Rezept hergestellt wurde. Nun ja, das mit den alten Rezepten ist immer so eine Sache. Die bilden vielleicht die Basis für die moderne Rezeptfindung. Jedoch werden solche Rezepte immer an die modernen Gegebenheiten angepasst. Alleine beim Mälzen hat sich in den letzten 100 Jahren so viel getan, das kaum einer auf neuen Anlagen nach alten Rezepten brauen würde. Die Kaiser Heinrich Urweisse hell ist jedenfalls ein nettes Weizen, das nicht zu bananig schmeckt, leicht süß, ein wenig fruchtig-säuerlich … Der Körper ist für ein Weizen vielleicht nicht so voll, aber das wäre das einzige, was man dem Weizen ernsthaft vorwerfen könnte. Abgesehen von fehlender “Urigkeit” höchstens.
Anders ging es mit bei der Kaiser Heinrich Urweisse dunkel. Die hat wie ihre helle Schwester 5,2 %, zeigt sich jedoch in richtig urigem dunklen Braun mit ordentlicher Trübung. Optisch kommt so ein Bier an das, was ich mir unter einer “Urweissen” vorstelle schon wesentlich näher. Klar auch, dass die Kaiser Heinrich Urweisse dunkel laut Homepage auch nach einem alten Rezept hergestellt worden sein soll. Aber geschmacklich kam ich mit diesem Bier überhaupt nicht zurande. Eigentlich finde ich dunkle Weißbiere ja immer interessanter, weil sie die typischen Aromen um dunkle, röstmalzige Noten bereichern. Wenn das ausgewogen gemacht wird, bekommt man ein sattes, vollmundig-malziges Bier. Und bei der Kaiser Heinrich Urweisse dunkel hat man auch diese typische Mischung aus diesen dunklen Aromen und einer leichten Bananennote. Auch hier ist der Körper für ein Weizen eher leicht. Aber – und das mag jetzt ein Fehler bei meiner Flasche gewesen sein – mir war die dunkle Urweisse zu dumpf-säuerlich. Verglichen mit den Rezensionen auf ratebeer.com zum Beispiel fällt zwar auch dort mal der Begriff “sour mash“, aber den dortigen Rezensenten schien das Bier besser gemundet zu haben. Wie gesagt, ich “nehme das Bier mal aus der Wertung”, weil ich befürchte, eine Flasche erwischt zu haben, die “einen Schlag hatte”. Blende ich dieses dumpf-säuerliche Aroma aus, hätte die Kaiser Heinrich Urweisse dunkel für mich eher das Prädikat “Urweisse” eher verdient als die helle. Unter dem Strich hat mir die kaiser Heinrich Urweisse hell aber besser geschmackt. Ein “Beigeschmack” bleibt aber letztlich auch der:
Die Rückkehr zur urigen Euro-2-Flasche, die Betonung der “Urigkeit” des Rezepts – das macht alleine noch kein uriges Bier. Das sieht dann doch sehr nach Marketing aus.
Interessanter finde ich da Biere wie das neue, hopfengestopfte Göller Wiener Lager, mit dem Brauerei-Junior Felix Göller Bundessieger bei den Nachwuchsbrauern wurde. Das werde ich mir demnächst auch mal holen müssen. Davon verspreche ich mir geschmacklich mehr als vom gefühlt hundertneunzigsten “Retro-Ur-Bier”. Da hoffe ich lieber für den Sommer auf eine hopfengestopfte leichte Weisse mit feinen Zitrus- und Fruchtaromen. DAS wäre mal eine Innovation!
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