Bier bekommt ja gerade eine neue Wertigkeit („verpasst“, wird sich mancher vielleicht dazu denken). Das Produkt Bier kann etwas, hat viel mehr vorzuweisen, als man zunächst denkt. Weg, vom Proll- und Sauf-Image, hin zum Qualitätsprodukt. Den einen nervt’s, weil er einfach nur Bier trinken will, ohne über Hopfensorten und Lagerdauer parlieren will. Den anderen freut’s, weil er mit einem „Gourmetbier“ in der Hand von der Weinfraktion nicht mehr so leicht von oben herab belächelt werden kann. Und als Brauer kann man sich ein wenig in der Zwickmühle fühlen: Ohne das Volumengeschäft geht es nicht, dem Trend zu hochwertigeren (und damit auch höherpreisigeren) Spezialbieren kann man sich aber auch nicht verschließen. Wie weit dieser Spagat geht, lässt sich im Moment recht schön an der Lang Bräu in Schönbrunn sehen.

img_2163Bisher war das ja eine Brauerei, die ich eher in die Kategorie „Ist sich für keinen Scherz zu schade“ einsortiert hatte – Hauptsache, man setzt damit das eigene Bier ab. Zumindest wenn man sich Biere wie das Erotik Bier (und den Medienrummel darum nebst Videos vom halbnackten Brauereichef am Sudkessel) oder das Faschingsbier mit dem launigen Namen „Schit dibri nó„, lautmalerisch für „Schütt die Brüh hinunter“. Für mich zweifelslos Biere, bei denen es eher um Konsum als um ausgibiges Verkosten geht. „Ex und hopp“ statt „schauen, schnuppern, schmecken“ …

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Das ist aber nur das eine „Extrem“ des Sortiments. Auf der anderen Seite versucht man das eigene Produkt Bier durch Spezialitäten aufzuwerten. Das Naturtrübs SuperAle kam zum Beispiel mit einem kleinen Heftchen am Hals daher, in dem der Kunde über die Besonderheiten dieses Biers aufgeklärt wurde. Hopfensorten, ideale Biertemperatur, Lagerdauer … über all das wird man auch beim neuen Lager Brewers Gold von der Lang Bräu aufgeklärt. Und dazu gibt es stimmungsvolle Bilder aus der guten alten Zeit, als Brauen noch so wirklich, wirklich handwerlich war. Als noch Natureis aus den Weihern gebrochen wurde. Was für ein Unterschied zur Halbnackten vom Erotik Bier, bei der die Brauereichefs von damals sicher einen Herzkasper bekommen hätten.

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Aber mal Spaß beiseite. Mit dem Lager Brewers Gold will man zurück zu den ursprünglichen Wurzeln handwerklicher Braukunst. Zumindest erklärt einem das dem Bier beigefügte Heftchen, das nicht mit Brauereiromantik aus der guten alten Zeit spart. Apropos Zeit – dass es wichtig ist, dem Bier Zeit zu lassen, betont das Heftchen auch. Sechs Wochen darf das neue Lager deshalb reifen. Das klingt gut, allerdings fehlt den meisten Biertrinkern der Vergleich. Sind sechs Wochen jetzt lange? Oder sehr lange? Und wie lange lagert das „normale“ Lang-Bier denn eigentlich? Bei solchen Aussagen merkt man erst mal, wie wenig man als Durchschnittskonsument von der Bierherstellung versteht. Insofern könnte man natürlich auch noch mehr Informationen geben. Warum zum Beispiel ausgerechnet die ursprünglich aus England stammende Hopfensorte Brewers Gold? Die begleitet bei dem Lager nämlich die eigentlich eher lagertypischen Hopfensorten Perle und Smaragd.

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Was die Hopfensorte geschmacklich so macht, darüber schweigt das Infoheftchen. Auch darüber, was die spezielle Hefe (eine neutral vergärende Lagerhefe) macht. Immerhin erfährt man, dass das Bier rund und ausgewogen schmeckt. ;)

img_2168Was soweit stimmt. Das bernsteinfarbene Lager rieht feinhopfig und schön malzig. Sollte es, wenn es nach einer Hopfensorte benannt ist, nicht hopfiger riechen? Nicht unbedingt, denn das Bier wird ja nicht hopfengestopft, sondern der Hopfen wird im Wirlpool gegeben. Ganz klassisch – genau das soll das Bier ja reproduzieren: ein ganz klassisches heimisches Lagerbier.

img_2169Eines ohne Fehler, ohne Fehl und Tadel sozusagen. Ausgewogen (aber das hatten wir ja schon), schön kräuterig-würzig im Aroma, dazu die passende Herbe. Passt allles, lässt sich nett trinken. Das Lager ist jetzt nicht besonders aufregend, aber eben auch nicht gerade langweilig. Und, was man auch sagen muss, es läuft!

img_2162Nur, ist es eine gelungene Neuinterpretation eines deutschen Lagerbiers? Da kann man zweierlei Meinung sein. Es modernisiert auf angenehm unaufgeregte Weise das klassische Lagerbier. Ein richtig nettes Retro-Bier. Aber andere Lagerbiere können das auch, ohne so viel „Rummel“ drumherum zu machen.

img_2167Mir fehlt für eine Neuinterpretation eines Lagers ein wenig mehr „Modernität“. Vielleicht ein wenig mehr fruchtigen Hopfengeschmack? Oder mehr Citrusnoten? Oder das ganze als Single-Hopped-Lager? Einfach einen kleinen „Twist“ mehr. Dann wäre es perfekt!

Immerhin surft die Lang Bräu nicht gedankenlos auf der „Noch-ein-Retro-Helles-ohne-Seele-Welle“ und kommt in der fast unvermeidlichen Euro-Flasche daher. Dafür bekommt es Extrapunkte! ;-)