Zugegeben, man kann Bier einfach nur trinken. Die meiste Zeit mache ich das auch. Aber man kann auch mal auf die Geschichten hinter dem Bier blicken. Dabei lernt man viel über Land und Leute, die große und kleine Geschichte, Brauchtum und was weiß ich nicht noch alles. Beim heutigen Bier des Tages, dem Pyraser Angerwirts Weizen, hatte ich mich zum Beispiel gefragt, woher der Name kommt. Die Antwort: Das ist der alte Hausname des Gasthofs in Pyras, den Johann Adam Bernreuther 1749 im Alter von nur 21 Jahren erwarb und der zum Stammhaus der Pyraser Brauerei wurde, auch wenn die erst 1870 gegründet wurde. Die Gründung verdankt sie übrigens einem Baumschädling, der so übel in Franken hauste, dass der Wirt Adam Bernreuther nicht mehr wusste, wohin mit all dem Holz. Sein Bierlieferant wollte es nicht als Bezahlung annehmen, worüber sich der Wirt so sehr ärgerte, dass er kurzum sein eigenes Bier braute. Eine Geschichte, die irgendwie an den legendären Zwist zwischen Enzo Ferrari und Ferruccio Lamborghini erinnert.
Das alleine wäre schon die eine oder andere Geschichte wert. Am interessantesten ist aber, was 100 Jahre vor dem Erwerb des Angerwirtshauses geschah. Da kam Hans Bernreuther nämlich als Religionsflüchtling nach Franken. Ein Jahr nach dem Dreißigjährigen Krieg bedeutete “Religionsfreiheit”, dass man die Freiheit hatte, zu glauben, was der Landesherr glaubte. Wer etwas anderes glauben wollte, musste so lange wandern, bis eigene Konfession und Landeskonfession übereinstimmten. So verschlug es den Brauer aus dem erzkatholischen Österreich in den evangelischen Teil Frankens. Damit war er einer von 150.000, die ihres Glaubens wegen aus Österreich in die entvölkerten Gebiete des Markgrafen von Ansbach kamen. Eine Geschichte, die sich in Franken immer wieder wiederholte. Man denke nur an die Hugenotten in Erlangen.
Aber ich schweife vor lauter fränkischer Lokalgeschichte ab. Es soll ja um das Weizen gehen, genauer gesagt das helle Angerwirts Weizen. Denn neben dem heutigen hellen Weizen gibt es noch ein dunkles, ein leichtes, ein alkoholfreies und ein Weizen-Radler. Das Angerwirts Weizen ist dabei laut Homepage das populärste. Was daran liegen dürfte, dass es ganz ordentlich ist. Nicht zu fruchtig, nicht zu hefig, der Körper ist ein wenig schlanker als bei anderen Weizen, der Geschmack nicht ganz so schwer. Ja, mit dem Weizen kann man leben. Es ist ein ordentliches Standard-Weizen. Es könnte vielleicht vom Geschmack her ein wenig eigenständiger sein, aber das macht es ja durch die Longneck-Schraubverschlussflasche wett. Dass das Etikett voller weiß-blauer Rauten ist, muss man dem Weizen nachsehen. Weizen wird in Franken immer noch als eher “bayerischer” Biertyp angesehen und dementsprechend vermarktet. Wobei man in dem Fall vielleicht auch die österreichische Fahne als Hintergrund hätte nehmen können. “Ausland” ist schließlich “Ausland”.
Die oben erwähnte religiöse Prägung der fränkischen Dörfer und Städte kann man übrigens vielerorts auch heute noch beobachten. Ob man sich im Markgräflerland oder im Bambergischen oder Würzburgischen befindet, kann man nicht selten auch schon am Aussehen der Orte erkennen. Selbst bei den Bratwürsten gibt es katholische und evangelische. Und wenn ich mal Zeit und Muse habe, schau ich nach, ob man den Unterschied auch bei den Bieren schmecken kann …
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