Ich schlage heute mal einen ganz großen Bogen von Hof nach New York und zurück nach München und Iserlohn. Was nicht an mir liegt, sondern am Scherdel Premium Pilsner. Das wollte ich ja schon vor einiger Zeit, genauer im Frühsommer dieses Jahres, mal (wieder) testen und vorstellen, aber dann passierte folgendes.

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Beim Öffnen der Flasche riss ein Teil des Mundstücks der Flasche mit ab. Tja … und dabei hatte ich mich an jenem Tag so schön auf ein Pils zum Grillen gefreut. Alternativ gab es das Mönchshof Original. Kulmbacher ist schließlich Kulmbacher, also was soll’s. Und das war’s dann auch erst mal mit dem Scherdel Premium Pils. Aus den Augen, aus dem Sinn.

 

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Damals auch mit recht „farblosem“ Etikett: Das Scherdel Premium Pilsner in den Neunziger Jahren.

 

Was in mehrfacher Hinsicht gilt. Denn ich habe das Scherdel Premium Pils nicht zum ersten Mal in der Hand. Ich beobachte Frankens Brauereilandschaft ja schon seit den Neunzigern des letzten Jahrhunderts. Und da hatte ich natürlich auch das Scherdel Premium Pils in der Hand, was mir aber erst während der Recherche zur heutigen Kolumne wieder eingefallen ist. Was soll ich sagen, besonderen Eindruck schien es nicht hinterlassen zu haben.scherdel-premium-pils-2014

 

Was es mit dem Scherdel Premium Pilsner von heute gemeinsam hat. Denn auch bei dem muss ich knallhart sagen, dass es eigentlich nicht viel Eindruck hinterlassen hat. Was man jetzt so oder so sehen kann. Das Pils ist geradezu typisch für ein Pils. Der Hopfen hat die typischen, allseits bekannten Pils-Aromen, der Trunk ist schlank, die Bittere nicht übertrieben, aber da …
Auf der Haben-Seite steht, dass es sich so locker trinken ließ, dass es fast schon weg war, bevor ich mir ein richtiges und umfassendes Bild von dem Bier hätte machen können. Dazu hätte ich vielleicht noch ein zweites trinken müssen. Andererseits hat es nicht unbedingt Lust auf ein nächstes gemacht – zumindest mir nicht. dafür war es geschmacklich zu unauffällig. Aber immerhin haben sich die Etiketten gebessert. Und mehr Alkohol hat es jetzt auch.

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Aber gerade eine geschmackliche Uniformität sehen manche Biertrinker als einen großen Vorteil bei Bieren an. Der US-amerikanische Starkoch David Chang brachte es in einem Artikel in der amerikanischen GQ so treffend zum Ausdruck: „But 95 percent of the time, I don’t want something that tastes delicious. I want a Bud Light. I am not being falsely contrarian or ironic in a hipsterish way. This is something that I genuinely feel: I do not want a tasty beer.“ Nun würde ich nicht so weitwie David Chang gehen und sagen, dass solche unaufregenden Biere der neue Champagner seien. Aber sie fordern einen nicht besonders. Sie sind sozusagen das Getränkeäquivalent zur Musik im Supermarkt. Bierige Hintergrundberieselung.

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Wenn man so will, ist das eine Form der Disziplinverweigerung. Unser tägliches Leben wird mehr und mehr dadurch bestimmt, gesellschaftlichen Anforderungen und Normen zu entsprechen. Bei „uniformen“ Bieren muss man sich wenigstens für eine kurze Zeit nicht anstrengen. Man muss keine besonderen Aromen herausschmecken. Man muss nicht über Hopfensorten philosophieren können – so wie Weintrinker über Anbaugebiete. Man muss – überspitzt ausgedrückt – nicht mal genießen. Trinken reicht. Das Glas „Einheits-Pils“ als „unproblematischer All-Inclusive-Kurzurlaub“ für die gestresste Psyche.

Für Brauereien ist das sicher ein verlockendes Geschäft. Allerdings sinkt dadurch extrem die Markenbindung. Wo der Geschmack nicht mehr ausschlaggebend ist, verkauft man über den Preis. Das hatte erst kürzlich das SZ-Magazin deutlich herausgearbeitet. Allerdings liest man dort auch einen sehr interessanten Satz: „Die Leute sehnen sich nach einem guten alten Pils, sie wollen keinen Einheitsbrei.„, wird dort der neue Chef der Iserlohner Brauerei, die dieses Jahr recht spektakulär Insolvenz anmelden musste, zitiert. Generell gebe ich ihm da Recht. Nur wie ein „gutes altes Pils“ schmeckt, das werden wir Deutschen vielleicht erst wieder lernen müssen …