Bevor ich auf das heutige Bier des Tages näher eingehen möchte, möchte ich allen anwesenden Braueren und Brauerinnen, Brierfreundinnen und Bierfreunden einen gesegneten Start ins neue Jahr wünschen …

Ins neue Jahr? Jetzt hat’s ihn komplett! Jetzt ist er verrückt geworden, mussta ja so kommen. Also komisch war er ja schon immer, aber so komisch. Das kommt sicher vom vielen Bier, das er da täglich trinkt. Ja, er beschreibt das nicht nur, der trinkt das auch weg. Da kann man schonmal komisch im Kopf werden und im September einen guten Start ins neue Jahr wünschen! Oder?

Also bevor hier der eine oder andere den psychologischen Notdienst anruft –oder schlimmer noch, meine Frau, muss ich sagen, ich bin nicht verrückt geworden. Nun nicht verrückter als vorher auch schon. Das mit dem Start ins neue Jahr hat nämlich tatsächlich seine Berechtigung. An Michaeli, also dem 29. September, endet nämlich das alte Braujahr und das neue beginnt. Da man früher nur in der kühlen Jahreszeit untergärig brauen konnte, war der 29. September in vielen Gegenden der Stichtag für das neue Bier. Ab jetzt ist es kühl genug für die untergärige Hefe, auch wenn es draußen nicht so aussieht. Die letzten Fässer mit untergärigem Bier, die bis Georgi (23. April) gebraut wurden, waren auch schön langsam leer getrunken und das neue Getreide und der neue Hopfen wurden in den Brauereien angeliefert. Heute hat das Datum eher nostalgischen Charakter, denn verbesserte Lagertechniken und Kühlmaschinen machen untergäriges Brauen auch im Hochsommer möglich. Aber auf der anderen Seite sollte man nicht jede alte Tradition vergessen, nur weil sie nicht mehr gebraucht wird.

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Also lasst uns mal einen moment innehalten und unser Seidla erheben und auf ein gutes, neues Braujahr trinken. Möge es ein gesegnetes Jahr für die fränkischen Brauereien sein. Und wünschen wir uns, dass das Brauereisterben sich zumindest abschwächt. Dem estlichen Anlass entsprechend habe ich mir für heute ein Festbier der Brauerei Wagner aus Kemmern ausgesucht. Das hat nette 5,0%, ist also nicht so schwer wie die Bockbiere, deren Saison traditionsgemäß auch zu Michaeli beginnt. Aber wer will beid en sommerlichen Temperaturen einen Bock trinken. Das hast doch gleich „an Seiä“. Farblich ist es altgolden, was im Glaskrug eine gute Figur macht. Im Geschmack passt es zu dem Tag. Nicht, weil es so besonders festlich wäre, aber hier zeigen sich das süßliche helle Malz und der Hopfen mit seinen Bitterstoffen richtig fein kombiniert. Man schmeckt beides, ohne dass sich eines von beiden in den Vordergrund drängt. Die nachhängende Herbe hält das Malz in Schach und umgekehrt. Irgendwie ein wenig wie mit dem frischen Getreide und dem neuen Hopfen, die angeliefert wurden … von solchen Bieren könnte ich auch im nächsten Jahr das eine oder andere mehr trinken. Ich wäre ja verrückt, wenn nicht …