Es ist schon ein Kreuz mit dem Biermarkt! Das Jahr 2016 könnte so schön sein, immerhin feiert die deutsche Brauwirtschaft 500 Jahre Reinheitsgebot. Aber die Feierlaune dürfte dem einen oder anderen vergangen sein. Nicht nur, dass der offizielle Festakt in München dem Amoklauf dort zum Opfer fiel. Auch die Absatzzahlen lassen die Mundwinkel eher hängen als freudig nach oben zucken. Vergleicht man mal die Absatzzahlen der letzten zwei Jahre, denn war der Juli eigentlich immer ein starker Monat für den Bierabsatz. Nehmen wir mal nur Bayern, dann wurden 2015 im Juli locker 2.041.757 Hektoliter Bier steuerpflichtig abgesetzt. Im Juli 2016 waren es dagegen nur 1.680.767 Hektoliter. Ein sattes Minus von 17,7 %!!! Deutschlandweit ging der Absatz um 13,1 % zurück.

Bierabsatz

Dabei sah für den Juli alles gut aus, vor allem in Bayern. Da stieg der Absatz zwischen 2012 und 2015 kontinuierlich an. Das ließ für 2016 hoffen. Und jetzt der herbe Dämpfer. Bayern- sowie deutschlandweit ging der Absatz auf unter das Niveau von 2012 zurück. Hauptursache für den massiven Rückgang dürfte das wenig sommerliche Wetter gewesen sein. Bier ist ein sehr temperaturabhängiges Produkt. Sommer = Sonne = Biergarten – das ist der Dreiklang der Brauwirtschaft. Fällt eines aus, bricht das Kartenhaus zusammen. Als ein Ausweg aus der Krise suchen Brauereien nach neuen, spannenden Sorten, die den Konsumenten wieder an den Seidlakrug locken sollen. Und da gibt es gerade zwei „Trends“: Die „urigen, bayerischen Hellen“ und die Kellerbiere.

IMAG6326

Bei den Kellerbieren sind mir neulich zwei neue Kandidaten in die Hände gefallen: Das Aecht Nürnberger Kellerbier der Tucherbräu aus Nürnberg/Fürth (das Sudhaus soll ja der Legende nach auf der Stadtgrenze beider Städte stehen) und der Bürgerbräu Haustrunk der Würzburger Hofbräu.

 

IMAG6335

Das Aecht Nürnberger Kellerbier führt die Retro-Linie der Brauerei konsequent fort. Das Etikett ist historisierend. Das Bier ein honigfarbenes, gleichmäßig trübes Kellerbier, fast wie aus dem Bilderbuch.

IMAG6342

Wie aus dem Bilderbuch ist auch der Geschmack – oder zumindest fast. Der Antrunk ist überraschend fruchtig, verspricht ein schönes, vollmundiges Kellerbier. Aber dann fällt das Bier im Mittelteil ab. Wo man kerniges Malz erwartet, Röstaromen und eine schöne Hopfenbittere, kommt ein wenig Karamell, ein immer schwächer werdender Körper und ein für ein Kellerbier zu kurzer Abgang. Am Anfang nicht so verkehrt, aber auf Dauer fehlt mir der eigene Charakter. Und das bei einem Bier, das der Tucher Meisterbier-Linie entstammt. An technischen Daten muss man beim Tucher Aecht Nürnberger Kellerbier die 12,5 % Stammwürze und die 5,3 % Alkohol nennen. So weit, so gut. Was an dem Bier ein wenig abgekupfert wirkt (zumindest für einen Bamberger), ist der „Aecht Nürnberger“-Schriftzug. Als Bamberger fühlt man sich da gleich an das „Aecht Schlenkerla“ erinnert.

IMAG6337

Und noch etwas ist mir aufgefallen. Es gibt nämlich eigentlich schon ein Tucher Kellerbier, das aber wohl vornehmlich im Ausland vertrieben wird. Zumindest taucht so ein Bier bei ratebeer bzw. bierprobe-online.de auf. Ob es sich um das gleiche Bier handelt, kann ich allerdings nicht sagen.

Optisch einen anderen Weg geht die Würzburger Hofbräu. Das Etikett des Bürgerbräu Haustrunks ist im Vergleich zum Tucher wesentlich moderner, ohne dabei aber auf historisierende Anklänge zu verzichten. Dafür lehnt man sich beim Würzburger Hofbräu weiter aus dem Fenster. Begriffe wie „Würzburger Biermanufaktur Bürgerbräu“ und „Delikate Brauspezialitäten“ legen die Qualitätslatte sehr hoch. Dazu passt auch der Spruch „Das Lieblingsbier des Brauers. Experten schätzen den herrlich vollmundigen Charakter und besonders milden Geschmack.“

IMAG6331

Farblich unterschedien sich die beiden Biere kaum. Und auch der Hinweis auf den „milden Geschmack“ lässt wenig Gutes erahnen. Schließlich sind fränkische Kellerbier eher kerniger Natur. Was im Vergleich zum Tucher Kellerbier auffällt, ist die höhere Karbonisierung des Würzburger Biers. Und der hopfigere Antrunk. Zumindest da unterscheiden sich die beiden Biere. Worin sich die beiden Biere aber wieder gleichen: Der Anfang gefällt, über das ganze Seidla bleibt das Bier für meinen Geschmack ein wenig zu flach. Bei Stammwürze und Alkohol bleibt das Würzburger Hofbräu knapp hinter dem Tucher zurück: 12,2 % Stammwürze und 5,2 % Alkohol.

IMAG6348

Was mir hier noch aufgefallen ist: Vor einiger Zeit hatte ich schon mal ein Bier der Marke „Würzburger Bürgerbräu“, ein ziemlich günstiges Pils. Bei der Würzburger Hofbräu hat man sich diese Marke wohl ausgesucht, um sie neu und vor allem edler wieder aufzubauen. Dazu passt, dass das ehemalige Bürgerbräu Gelände architektonisch zu neuem Leben erweckt werden soll.

IMAG6351

Ob sich mit solchen Bieren allerdings das Ruder auf dem Biermarkt herumreißen lässt, wage ich zu bezweifeln. Bei allen Unterschieden ähneln sich die beiden Biere trotzdem ziemlich stark. Und sicher auch den anderen „neuen Kellerbieren“ auf dem Markt. Sicher, die neuen Biere wecken kurzfristig die Neugierde der Konsumenten. Aber reicht das aus, um neue Käuferschichten zu erschließen und Kunden an die eigene Marke zu binden? Da habe ich so meine Zweifel. Aber ob Tucher bzw. Kulmbacher oder ich da Recht haben, werden die Statistiken der nächsten Monate zeigen.