Ich bin heute – passend zum Faschingsdiestag – mal ganz „jeck“ und mache einen speziellen „Bier-Dreier“.  Denn heute geht es mal um etwas ganz Besonderes im Bier-Bereich. Es geht um Bier-Wein-Hybride … oder Wein-Bier-Hybride … Das ist im Falle der heutigen drei Biere schwer zu sagen. Denn wenn sich Bier und Wein während des Produktionsprozesses verheiraten, ist es schwierig aufzudröseln, was in den konnkreten Falle überwiegt.

41ribv4c7rl-_sy264_bo1204203200_ql40_Das Thema Bier-Wein-Hybrid ist mir zum ersten Mal während der Recherche zum Craft Beer Führer Franken untergekommen. Das war in Aschaffenburg, mein Kollege Martin und ich hatten Christian Hans Müller interviewt, waren eigentlich schon fertig, da hatte er uns sein damals „neuestes“ Kreativbier „gezwickelt“. Ich habe es jetzt leider nicht mehr im Kopf, was es genau war – jedenfalls etwas Dunkles, das mit rotem Traubenmost gor. Interessant, aber schon auch sehr rotweinig. Und ich bin doch kein Weintrinker …

In der Zwischenzeit, muss ich sagen, ist das Thema Bier-Wein-Hybrid an mir vorübergegangen. Da gab und gibt es so viele Biere zu entdecken, wer muss sich da sowas Weiniges antun. Klar, das eine oder andere Bier, das im Weinfass ausgebaut wurde, war dabei. Aber da war die Sache klar: Mit Wein aromatisiertes Bier. So richtig eingestiegen in das Thema bin ich wieder über die Recherche zu einem neuen Buch: diesmal die 111 Deutschen Craftbiere, die man getrunken haben muss. Und da kommst du um das Thema Hybrid nicht rum. Bier-Kaffee-Hybride sind ja gerade ein großes Ding in der Szene. Sber ein Bier-Kaffee-Hybrid passt schlecht nach Franken. Bei uns – vornehmlich im Steigerwald – küssen sich ja Bier- und Weinkultur. Warum dann nicht auch als Bier-Wein-Hybride in Flaschen.

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Auf die Idee mit den Bier-Wein-Hybriden ist Helmut Bayer von der Brauerei Bayer in Theinheim gekommen. Das Thema ligt bei ihm auch mehr oder minder vor der Haustüre. Theinheim ist irgendwie schon  unterfränkisches Weinland und von Bamberg her wirft Bierfranken noch seinen langen Schatten rüber. Und diese Verbindung bringt Helmut Bayer als Vinator hell (Müllerbock) bzw. dunkel (Cabernetbock)  in Flaschen. Gemacht wird die Spezialität so:

Bayer Theinheim Vinator
Im Herbst, wenn das Wetter für die Weinlese passt und die Trauben die richtige Reife haben, ruft der Winzer des Vertrauens beim Brauer an. Der Brauer weiß dann, dass es Zeit zum Einmaischen ist. Für den Viantor Hell braut er einen bernsteinfarbenen Doppelbock ein, für den dunklen Kollegen einen dunklen Doppelbock. Derweil werden die Trauben gelesen und daraus Most bereitet. Der Brauer ist in der Zwischenzeit beim Hopfenkochen. Und im anschließenden Schritt, wenn im Whirlpool der Heißtrub von der Würze geschieden wird, werden Most und Bier „vermählt“ – und zwar Pi mal Daumen im Verhältnis 50:50. Ein waschechter Hybrid also, der im Anschluss lange und langsam mit einer untergärigen Bierhefe vergoren wird. Klar, eine Weinhefe hätte man auch nehmen können, aber die Bierhefe macht den klareren Geschmack. Und der hat es in sich. Der helle Vinator (Müllerbock), also der Hybrid aus bernsteinfarbenem Doppelbock und Müller-Thurgau-Traubenmost versucht dich ja im ersten Moment klar auf die Weinseite zu ziehen. Die fruchtige Säure ist einem klassischen Doppelbock sowas von fremd. Aber der zweite Eindruck zeigt schon deutlich bieriges Karamell. Also doch ein Bier, moussierend, ein wenig erdig? Sowas kann klassischer Wein schließlich nicht. Ganz ehrlich: Und so geht es den ganzen Trunk über weiter. Mal fühlt man sich mehr in die eine Richtung, mal mehr in die andere gedrängt. Ein irgendwie vollkommen „paritätisches“ Geschmackserlebnis, das sich wirklich schwer in Worte fassen lässt.

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Der dunkle Vinator (Cabernetbock) mit seiner krischroten Farbe und der Mischung aus dunklem Doppelbock und Cabernet-Dorsa-Traubenmost macht es nicht weniger spannend. Auch hier kann der Gaumen nicht sagen, wo das Bier aufhört und der Wein anfängt. Oder eben umgekehrt. Hier schieben sich feine Röstaromen über die Zunge, dort umspielen fruchtige Beerennoten den Gaumen, dann hat man wieder den kurzen Eindruck von weiniger Säure, nur um gleich darauf wieder den vollmundigen weichen Malzkörper zu schmecken. Ich bin ja kein Weinfreund, das muss ich offen zugeben. Und so manches im Rotweinfass gelagerte Bier bräuchte es meinetwegen nicht. Aber die beiden Kollegen sind in ihrer harmonischen Art genial. So genial, dass ich vor lauter Schlürfen und Schlucken, Gurgeln und freudigem Glucksen vergessen hatte, Fotos der Biere zu machen. Man verzeihe mir bitte. Die Hybride gibt es seit 2015. Anfanglich waren es nur 200 Liter, mittlerweile sind es so 300 bis 350 Liter Vinator, die pro Jahr entstehen. Und wer sich denkt, dass er gleich mal losfährt, um den 2017er Vinator zu probieren: Immer langsam mit den jungen Pferden. Der Vinator braucht ein sattes Dreiviertel Jahr, um so zu reifen, bis er passt. Übrigens nicht im Holzfass, denn das wäre dann tatsächlich zu viel des Guten!

Orca Brau Nürnberg Felix vom Endt Sylvaner Grape Ale

Einen anderen Ansatz, Bier und Wein zu mischen, geht Felix vom Endt mit seiner Orca Brau aus Nürnberg. Der Kreativkopf der fränkischen Bierszene braut ja so ziemlich alles, was schräg ist. Ich denke da nur an das Room 237, ein Colab mit Freigeist und Pirate Brew, bei dem Chipotles, Kampotpfeffer, Salz und Tomatenpüree ihren Weg in den Sudkessel gefunden haben. Dass es natürlich auch von Felix vom Endt ein Silvaner Grape Ale, also einen Bier-Wein-Hybriden gibt, wundert da kaum. Allerdings geht Felix einen anderen Weg. Er braut ein belgisches Saison, lässt es komplett vergären und lässt es jetzt – im Lagertank – auf Silvaner-Traubenmost drei Monate ruhen. Was irgendwie einer zweiten Gärung gleich kommt, schließlich leben auf den Trauben wilde Hefezellen, die sich jetzt ans Werk machen. Das Ganze wird dann – sozusagen in einem dritten Schritt – kontrolliert mit Weinhefe nachvergoren.

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Kann man sicher auch einfacher machen. Aber warum sollte man? Das Ergebnis dieser Zusammenarbeit von Brauer und Winzer (in dem Fall Weingut Olinger in Iphofen) gefällt. Aber es ist komplett anders als der Hyprid vom Grünen Baum/Bayer aus Theinheim. Hier hat man von Anfang an mehr Weinaromen auf dem Gaumen. Die fruchtig-säuerliche Aromatik der spritzige Charakter machen daraus eine Art … Sektersatz für Bierliebhaber, würde ich sagen. Im Vergleich zum hellen Vinator überwiegt hier der Weinanteil im Geschmack mehr. das ist vielleicht dem leichteren „Grundbier“, dem Saison geschuldet. Und vielleicht auch der Tatsache, dass zum Schluss mit einer Weinhefe nachvergoren wird.  Was das Bier, sorry: den Hybriden trockener macht. der Charakter passt jedenfalls zum Namen: Silvaner Grape Ale, also ein Trauben-Bier. Ich fand es gut und vielleicht ist das Grape Ale eine Möglichkeit, eingefleischte Weintrinker langsam auf die Bierseite zu ziehen? Wer weiß …

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Allerdings sind weder die beiden Vinatoren noch das Silvaner Grape Ale wirkliche „Trinkbiere“, wie man sie klassisch kennt. Dagegen spricht alleine schon ihre Stärke: Beim Vinator sind es mal eben 9,8 % Alkohol, beim Grape Ale immerhin noch 7,2 %. Aber das ist natürlich noch längst nicht das obere Ende der Fahnenstange. Mal sehen, welches Starkbier ich als nächstes aus dem Hut zaubere …