Ich gehe mal von einem fränkischen Konzern zum nächsten. Die Kulmbacher-Gruppe ist ja in Franken riesiger als riesig. Von Lohr am Main bis nach Hof hat sie sich schon ausgebreitet. Und dabei sind die einzelnen Ableger und Töchterunternehmen selbst alles andere als klein.
Bei der Hofer Scherdel werden pro Jahr zum Beispiel 100.000 Hektoliter gebraut. Das alleine ist in Franken eine beachtliche Menge. Eigentlich könnte die Geschichte der Brauerei Scherdel eine echte Erfolgsstory für den an wirtschaftlichen Erfolgen eher armen Nordosten Oberfrankens sein: In den 1830er Jahren begann der gelernte Bäcker Georg Matthäus Scherdel in Hof mit dem Brauen.
Anfänglich noch im Kommunbrauhaus, aber weil ihm das nicht so oft zur Verfügung stand, wie er es wünschte, entstand 1862 eine eigene Brauerei. Zudem setzten Scherdel und sein Sohn früh auf den Export des Hofer Biers Richtung Sachsen und Preußen, was zum weiteren wirtschaftlichen Aufstieg der Brauerei führte. Selbst das Wegbrechen der Märkte im Osten nach dem zweiten Weltkrieg überstand die Brauerei durch eine konsequente Umorientierung nach Süden. Anfang der 2000er Jahre war Scherdel die Nummer 5 unter den bayerischen Privatbrauereien. Allerdings schützt reine Größe alleine nicht vor Problemen. 2003 war die Brauerei in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Gläubigerbanken wollten keine weiteren Kredite gewähren. Ein “weißer Ritter” musste gefunden werden. Der fand sich auch in der Kulmbacher Brauerei AG, die 2003 die Hofer Brauerei als eigenständiges Tochterunternehmen übernahm. Die guten Zahlen aus dem laufenden Geschäft trotz der Insolvenz dürften dazu beigetragen haben. Die Scherdel Bräu ist zwar keine freie Privatbrauerei im Familienbesitz mehr, aber immerhin wurden Braustandort, Marke und Arbeitsplätze erhalten. Für die ehemalige Bierstadt Hof ist das fast schon ein Erfolg.
Jetzt kann man sich natürlich fragen, ob der Brauereigründer Georg Matthäus Scherdel mit dieser Entwicklung glücklich gewesen wäre. Schließlich prangt auf den Etiketten webewirksam der Satz: “In Erinnerung an Georg Matthäus Scherdel” Aber die Frage ist eigentlich müßig, beantworten lässt sie sich ja eh nicht. Dass die Scherdel Bräu mittlerweile nach der Insolvenz der Zelt Bräu das Hofer Schlappenbier zum berühmten Schlappentag braut, hätte ihn sicher stolz gemacht. Ein durchaus süffiges und charakterstarkes Bier. Dem kann das Lager leider gar nicht folgen. Das hell-gelbe und sprudelige Bier mit seinen 4,9 % ist nämlich eher “gewöhnlich”. Dabei hatte beim Öffnen der Flasche alles so schön begonnen: “Hopfen”, war der erste Gedanke. Und der zweite: “Woher kommt der bei einem hellen Lager???” Nicht, dass es nicht auch andere, interessant gehopfte Helle in Franken gäbe – ich erinnere nur mal an das Keesmann Hell oder das Spalter Helle –, aber sonst geht der Franke mit dem grünen Gold im Bier schon eher sparsam um.
Aber, ach!, leider war der Anflug von Hopfenaroma nur ein Strohfeuer. Auf der Zunge macht es eine ganz gewöhnliche Figur. Nicht besonders würzig, die Aromen sattsam bekannt nach hellem Malz und Getreide, erst im Nachhall kann es wieder ein wenig punkten … Nicht wirklich schlecht, aber vor allem auch nicht wirklich interessant. Ein durchschnittliches Bier. Ich weiß, was für uns Franken “durchschnittlich” ist, mag andernorten für richtig gut gehalten werden. Und zwischen unaufregender Unanspruchslosigkeit und dem stillen Schauer rührender Einfachheit liegt oft nur ein kleiner Schritt auf dem weiten Feld der Bieraromen …
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