Auf solchen Messen wie der Wurst & Bier in Berlin trifft man die unterschiedlichsten Menschen, kommt ins Gespräch und philosophiert über Gott und die Welt, was in dem Fall heißt: über Bier! Meistens kommt das Gespräch dann früher oder später auf das Lieblings-(Streit)-Thema der „Biergemeinde“ zu sprechen, nämlich auf das „Reinheitsgebot“. Sei es nun mit dem Bierzauberer und Autor Günther Thömmes, mit dem amtierenden Weltmeister der Bier-Sommeliers Oliver Wesseloh oder dem Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauerbundes Holger Eichele. Was dabei immer wieder als – zugegebenermaßen sehr starkes – Argument für die Beibehaltung des „Reinheitsgebots“ ins Feld geführt wird, ist, dass es beim Bier im Gegensatz zu anderen Lebensmitteln kaum bis keine Skandale gibt. Bei vielen anderen Lebensmitteln bzw. Produkten liest man ständig von „Deutschlands großen Einkaufslügen“ – wie auch heute auf Süddeutsche.de. Da wird unter anderem bemängelt, dass Bäcker ihr Brot mit Farbstoffen „dunkler färben“, weil eine dunklere Farbe beim Konsumenten als „vollwertiger“ und gesünder wahrgenommen wird. Zu den Farbstoffen, die der SZ-Artikel erwähnt, gehören „Inhaltsstoffe wie Zuckerrübensirup, Karamellsirup, Malzextrakt und Röstmalz“. Das sind zwar keine chemischen Farbstoffe, dennoch sind sie beim Brot als Farbstoffe anzugeben. Die befragten Bäckereien gaben zum Teil zur Antwort, dass die Farbstoffe zum Färben genutzt werden, zu einem anderen Teil wurde ihr Einsatz durch eine geschmackliche „Abrundung“ gerechtfertigt. Ob man das jetzt ein „Skandälchen“ nennen mag oder eine „Lebensmittel-Lüge“ steht natürlich in einer Welt, in der in nahezu jedem Verarbeiteten Produkt färbende, stabilisierende und geschmacksverbessernde Zusatzstoffe stecken, jedem frei. Allerdings muss man fairerweise anmerken, dass auch das durch das Reinheitsgebot geschützte Bier nicht von dem befreit ist, was die SZ immerhin als „Lüge“ tituliert. Auch in Bieren wie dem Franken Urbräu von der ehemaligen Brauerei Wolf aus Fuchsstadt, das jetzt von der Kauzen Bräu in Ochsenfurt gebraut wird, gibt es zum Teil diese Farbstoffe!
Das ist nun im Vergleich zum Brot kein Skandal, weil es das „Reinheitsgebot“ ausdrücklich zulässt. Im §9 (4) des vorläufigen Biergesetzes, der immer noch definiert, was Bier sein darf, heißt es: „Die Verwendung von Farbebieren, die nur aus Malz, Hopfen, Hefe und Wasser hergestellt sind, ist bei der Bierbereitung gestattet, unterliegt jedoch besonderen Überwachungsmaßnahmen.“ Heißt im Klartext: Farbstoffe sind zulässig, solange sie wie Bier hergestellt werden. Das widerspricht dem Reinheitsgebot nicht, weil es sich ja „praktisch“ um Bier handelt, das man anderem Bier zugibt. Eine Technik, die nicht zu wenig eingesetzt wird. Eine Untersuchung des Chemischen und Veterinäruntersuchungsamtes Karlsruhe aus dem Jahr 2008 zeigte, dass von 80 untersuchten Bieren gerade 18 Stück nur unter Zuhilfenahme von dunklem Malz gebraut wurden. Bei 22 Bieren wurden dunkles Malz und Farbebier verwendet. In dem Fall diente das Farbebier wohl zur Einstellung des Farbwerts. Bei geschlagenen 40 Bieren, also der Hälfte der untersuchten Bieren, handelte es sich um umgefärbte Helle.
Wenn man so will, ist das nichts anderes als die „Einkaufslüge“ beim Brot – und genauso wie beim Brot würde man beim Bier eigentlich keine Farbstoffe erwarten. Zur Deklaration solcher Farbebiere genügt übrigens „Malzextrakt, Gerstenmalzextrakt oder Röstmalzextrakt“ – so kann man es auf der Homepage eines der größten Hersteller von Farbebier, der Mälzerei Weyermann®, lesen. Auf der Homepage von der Aspera Brauerei Riese GmbH, einem anderen Röstmalzbierhersteller kann man sogar lesen, dass die Zugabe deklarationsfrei wäre: „Dem deutschen Kennzeichnungsrecht entsprechend dürfen Aspera Röstmalzbiere allen unter- und obergärigen Bieren ohne Deklaration zugesetzt werden.“ Interessant ist in diesem Zusammenhang die Erweiterungsvorlesung Internationale Braumethoden an der TUM mit dem Titel „Die Kennzeichnung vonBier / Lebensmittelrechtliche Verpflichtungen bei der Etikettengestaltung“ von Dario Cotterechio. Auf S. 28 des Skripts findet sich die „Deklarierung von Röstmalzbier bei „dunkeln Bieren “ in Bayern“. Demnach hängt die Deklarationspflicht von Röstmalzbier vom eingesetzten dunklen Malz, dem EBC-Wert und der Vergärungsart ab. Eine klare und einheitliche Deklaration sieht nach meinem Dafürhalten anders aus. Und es weckt Zweifel. Denn der Verbraucher meint ja, dass gerade dank Reinheitsgebot keine Farb-, Aromastoffe oder Konservierungs- und Stabilisierungsmittel im Bier sind.
Der Hinweis auf Malzextrakt, Röstmalz oder Röstmalzbier findet sich übrigens auch in Franken in vielen Bieren. Wenn man sich mal so durch die Etiketten der Brauereien sucht, fällt es einem immer häufiger auf. Wobei ich generell nichts gegen den Einsatz von Farbebier einzuwenden hätte. Denn es handelt sich ja streng genommen um einen natürlichen Zusatzstoff. Ich fände es nur fair und vor allem transparent und im Sinne des Begriffs „Reinheit“ im Reinheitsgebot, wenn jeglicher Einsatz von Röstmalzbier gekennzeichnet werden müsste.
Denn so, wie ich die Regelungen in Bayern verstehe, müsste es zum Beispiel beim Franken Urbräu von der ehemaligen Brauerei Wolf aus Fuchsstadt, das jetzt von der Kauzen Bräu in Ochsenfurt hergestellt wird, nicht unbedingt angegeben werden. Schließlich steht nirgendwo auf dem Etikett, dass es sich um ein „Dunkles“ handelt. An der dunkelbraunen Farbe ist jedenfalls der Farbstoff Röstmalzbier – Farbebier soll man es nicht mehr nennen, wie man auf der FAQ-Seite der Mälzerei Weyermann® lesen kann – nicht unbeteiligt.
Der Schaum ist passend dazu leicht cremefarben und zeigt ein paar dunklere Schlieren. Das sieht ordentlich „urig“ aus und riecht auch so: Dunkle, brotige und würzige Aromen prägen ja solche „Landbiere“. Im Geschmack kommt zunächst das kernige Malz zum Tragen. Dazu typische Aromen, wie man sie aus der Rinde von Landbrot findet, auch wenn dessen kernig dunklere Farbe auch wieder mit Malzextrakten gefärbt sein dürfte. Dazu kommen ein wenig dunklere Röstaromen. Die könnten vom Röstmalzbier kommen, müssen sie aber nicht. Je nach Hersteller scheint es diesen „Zusatzstoff“ mit unterschiedlichen Färbe- und Geschmackseigenschaften zu geben. Was an dem Bier auch nicht so übel ist, ist, dass der Hopfen aromatisch durch das Malz-Wechselspiel hindurch kommen darf. Das ergibt ein uriges, nett trinkbares und ganz brauchbares „Brotzeitbier“.
Vielleicht finde ich es auch ein „ehrliches“ Bier, denn immerhin steht sowohl der Farbstoff Röstmalzextrakt als auch der tatsächliche Hersteller des Biers auf dem Etikett. Das ist – trotz Reinheitsgebot und der besonderen Sensibilität der Verbraucher beim Thema Bier – alles andere als selbstverständlich. Dabei wäre es ein leichtes, den Einsatz von Farbebieren genauso wie den von Hopfenextrakt durch eine einfache Änderung in der Durchführungsverordnung zum Vorläufigen Biergesetz deklarationspflichtig zu machen. Es muss ja nicht gleich eine Angabe mit Prozentzahlen sein. Für kleine Betriebe ohne eigenes Analyselabor wäre sowas auch nicht machbar. Außerdem steht da der Schutz des Rezepts als geistigem Eigentum vor dem Informationsinteresse der Biertrinker. Auf der anderen Seite wäre es aber auch interessant zu sehen, bei welchen Pilsnern z. B. Farbebiere zum Ausgleich von Farbschwankungen beim Malz eingesetzt würden. Ich denke, da würde mancher Konsument staunen und vielleicht auch regional bewusster einkaufen.
Vielleicht findet sich ja demnächst eine Gelegenheit, auch mal über solche Themen zu diskutieren. Vielleicht sogar in zwei Wochen in München auf der Braukunst Live. Am besten in informeller Runde, mit einem Bier in der Hand. Denn bei allen Gegensätzen in den Sachthemen – die Leidenschaft für ein gutes Bier eint uns dann doch alle wieder.
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