Zu den „interessanten Seiten“ dieser täglichen Kolumne gehört sicherlich die Recherche. Und damit meine ich nicht das stundenlange Herumstreichen in Getränkemärkten, die Fahrten über Land zu einzelnen Brauereien und das Fachsimpeln mit jedermann, der etwas mit Bier zu tun hat. Genauso interessant ist die regelmäßige Lektüre von Zeitungen, Zeitschriften, online-Portalen usw. zum Thema Bier. Zum einen lernt man dabei wahnsinnig viel über das Lieblingsgetränk, die einzelnen Marken und deren Marktstrategien und gesellschaftliche Trends. Zum anderen ergeben sich immer wieder „lustige“ Zufälle, wenn Nachrichten zusammentreffen, die eigentlich so nicht zusammenpassen wollen. Da gibt es nämlich auf www.lieblingsbier.de gerade eine Themenreihe „Frauen und Bier“, in der u. a. die Bier-Journalistin und Bier-Sommelière Sylvia Knopp zu Wort kommt. Die hat in einem „Interview mit sich selbst“ meiner Meinung nach vollkommen zu Recht angemerkt, dass sich zwar in der Gesellschaft die typisch maännliche und typisch weibliche Sphäre auflösen würden. „Jedoch oder gerade deshalb, so scheint mir, wird in der Bierwerbung der Geschlechterkampf erbitterter denn je ausgetragen“, so ihr Fazit. Und darauf wundert sie sich „dass die Industrie es sich leisten kann, die Frauen komplett auszuschließen.“ Wo sie Recht hat, hat sie Recht. Bier und Frauen passen nur zusammen, wenn „die Bier so schön geprikelt ‚at in meine Bauc’nabel“…
Dazu passt wunderbar eine andere Meldung aus dem Weser-Kurier vom 8.12.:
„Beck’s erteilt Frauenbier eine Absage“, wird da getitelt. Frauenbier wäre ein zu kleines Marktsegment und Frauen, die Bier trinken würden, würden ein ganz normales Bier trinken. Und Männern braucht man eh nicht mit Frauenbier zu kommen – im Gegenteil: Der AnheuserBusch-InBev Chef Chris Cools betonte in dem Interview, dass die Konzernmarken (Becks, Hasseröder, Franziskaner usw.) Erlebniswelten verkaufen würden. Klar, das Bier müsse natürlich auch stimmen, aber Hasseröder zum Beispiel bekomme eine neue Flasche, die „männlicher“ aussehe.

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Frauen und Bier bleibt also ein spannendes und spannungsvolles Thema. Dabei erobern die Frauen tatsächlich die Sudkessel zurück, wie man auch auf lieblingsbier.de lesen kann. Die Zeiten, in denen nur gestandene Männer Brauer waren, beschränken sich eh nur auf die letzten paar hundert Jahre. Die „feminine Seite des Bieres“ ist dagegen eigentlich viel älter. Und dass beim Lindenbräu in Gräfenberg zum Beispiel eine Braumeisterin mit für das Bier verantwortlich zeichnet, tut der Beliebtheit dieses Bieres keinen Abbruch. Niemand käme auf die Idee, das Festbier vom Lindenbräu ein „Frauenbier“ zu nennen. Es entspricht ja auch in keinster Weise dem, was man üblicherweise so tituliert: Frauenbiere seien süß, hell und werden am besten in durchsihtigen 0,33er Longneck-Flaschen verkauft, hört man. Das Festbier gibt’s in der urigen, hohen Bügelverschlussflasche (Typ Maurer!), farblich ist es bernsteinbraun und gehört also eher zu den dunkleren Festbieren. Vom Geschmack her ist es ein feines, schokoladiges Dunkles, das sich vor allem dadurch auszeichnet, dass im Antrunk und im Mitelteil die verschiedenen Malze ihr Aroma aufbauen dürfen, im Abgang dagegen ein „brachiales Röstfinish“ ausbleibt. Das ist zwar nach hinten raus ein wenig flach, aber andererseits auch ganz gut so, weil es das Bier eine Spur weicher und wie ich finde süffiger macht. Dieses Festbier schleicht mehr über das Zünglein, ein eher netter „Schokohappen“ als eine echter Dunkelhammer. Ob ich das Festbier vom Lindenbräu als „Begleiter“ eines echt würzigen fränkischen Sauerbratens empfehlen würde, weiß ich nicht. Dafür wäre es vielleicht eine Spur zu wenig charaktervoll, um gegen Blaukraut, Sauerbraten und Soße geschmacklich dagegenhalten zu können. Wer aber eine nette Begleitung zu Lebkuchen oder Plätzchen sucht, der wird hier fündig. Ein „Frauenbier“ oder gar zu lasch darf man dieses Bier aber nicht schimpfen, denn das wäre Jammern auf verdammt hohem Niveau. Denn gut ist das Bier vom Lindenbräu allemal und die „Erlebniswelt“ eines solchen Bieres passt auch. Da können sich Becks, Franziskaner und Co allemal eine Scheibe abschneiden!