Zu den „Klassikern“ unter den „unreinen Bieren“ hierzulande gehört zweifelsohne das belgische Witbier. Grund dafür mag unter anderem sein, dass es die Köstritzer Brauerei als erste (und bisher einzige) „Großbrauerei“ gewagt hat, diesen Bierstil deutschlandweit dank einer Ausnahmegenehmigung (nach §9 Absatz 7 des Vorläufigen BIergesetzes – wer das gestrige Bier des Tages gelesen hat, weiß Bescheid) deutschlandweit explizit als Bier anzubieten.

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Gerüchten zufolge soll man beim bayerischen Brauerbund geschäumt haben ob dieser Unterwanderung des geheiligten Reinheitsgebots. Obergärige Biere, die mit Koriandersamen und Orangenschalen gebraut werden, gehören nicht nur seitdem zu festen Bestandteil vieler Craftbrauer.

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Dass Felix vom End – im Moment einer der kreativsten Köpfe im Freistaat – mit seiner Orca Brau in Nürnberg auch mal zu Orangenschalen und Koriandersamen greift, wundert da nicht. Im Gegenteil, sein Roosdaal (benannt nach einer Gemeinde in Flandern) ist unter all den „verrückten Bieren“ der Orca Brau eher eines der normalen. Zumindest, wenn man es mit Bieren wie dem genialen Boomshakalaka oder dem Colab mit Freigeist und Pirate Brew Room 237 (ja, dem Tomatenbier!!!) vergleicht.

 

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Das Roosdaal braut Felix vom End als belgisches Pale Ale, also eher etwas kräfiger und mit der Wyeast 3522-Hefe. Diese „belgische Ardennenhefe“ soll eine „wunderbare Balance zwischen filigranen fruchtigen Estern und subtilen würzigen Noten“ liefern. Beim ersten Schluck hat man auch tatsächlich gleich mal so einen „belgischen Hefe-Flash“. Das Mundgefühl, die Fruchtigkeit …. so etwas kennt man von heimischen Bieren nicht. Wobei die Hefe bei aller Liebe zu den verspielten Details der Orca-Biere nicht die Hauptrolle spielt. Die übernehmen die fruchtige Orange und der für mich deutlich präsentere Koriandersamen. Klar, auch dieses Bier schmeckt komplett anders als das, was man klassisch gewohnt ist. Erwartet man ein „Schüttbier“, sollte man zum unendlich geilen (und leider noch nicht besprochenen, aber ich hole es nach) Pale Ale Anders greifen. Das kippt sich locker weg.

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Das Roosdaal lässt sich zwar auch trinken, fordert aufgrund seiner fruchtig-hefig-würzigen Aromatik den Gaumen aber viel mehr, vielleicht auch ein wenig mehr als andere Witbiere. Das ist sicher der Punkt, an dem viele Biertrinker stirnrunzeld fragen, ob es solche Biere unbedingt braucht. „Everybodys Darling“ ist das Roosdaal (das ich übrigens wirklich mag!) sicher nicht, aber der Massengeschmack kann und darf nicht die Grundlage dafür sein, welche Biere erlaubt oder eben nicht erlaubt sein sollen. Und auch das Argument, man habe ja noch nicht alle Geschmacksvariationen, die Wasser, Malz, Hopfen und Hefe bieten, noch nicht ausgeschöpft, wird von Bieren wie dem Roosdaal widerlegt. Wie wollte man so ein Bier rein mit den erlaubten Zutaten imitieren?

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Vom Tomatenbier Room 237 ganz zu schweigen …. Aber darüber schreibe ich ein andermal.