Wer an Franken denkt, denkt an kleine Orte mit noch kleineren Brauereien. Idyllische Biergärten oder Bierkeller, Fachwerkromantik in Sichtweite mittelalterlicher bzw. barocker Kirchlein. Ohne Frage, biertechnisch ist Franken das Paradies.

Es hätte aber auch alles ganz anders kommen können. Um ein Haar hätte man fränkisches Bier mit Begriffen wie „Billigbier“, Massenproduktion“, „Preisdumping“ und noch weit weniger Schmeichelhaftem verbunden – kurz mit allem, was man der Brauerei Oettinger so alles nachsagt. Laut biertrend.de hat Oettinger einen “ so schlechten Ruf wie kaum eine andere Biermarke“. Und nicht nur das – mit ihrer Firmenpolitik, alles wegzulassen, was Bier irgendwie teuer machen könnte, und den Preisvorteil an den Kunden weiterzugeben, hat das Brauhaus im Bayerisch-Schwäbischem nicht weniger als eine ganze Branche umgekrempelt. Keine Werbung, kaum Sponsoring, eigener Vertrieb, keine Zwischenhändler. Die Kiste Oettinger steht schon mal zum Kampfpreis von vier Euro irgendwas im Handel. Die Premiumkonkurrenz kostet mindestens das Doppelte, wenn nicht sogar mehr. Die Wahl zwischen einer Kiste Jever, Warsteiner, Bitburger oder Oettinger trifft bei einer Vielzahl der Deutschen der Geldbeutel. Punkt für Oettinger.

Oettinger 1

 

An Oettinger kommt man in Sachen Bier in Deutschland nicht vorbei, selbst als fränkischer Bierblogger. Und das nicht nur, weil im Oktober 2015 eine Kreativagentur im Auftrag der Großbrauerei Blogger usw. ansmailte und fragte, ob man nicht mal auch über sie schreiben wolle. Damals hatte ich ja nonchalant mit der Begründung abgelehnt, dass die Brauerei dafür ihren Firmensitz ein paar Kilometer vom Weiß-Blauen ins Rot-Weiße verlegen müsse. Würde man das tun, könne ich auch über Oettinger schreiben. Aber das war von mir zu kurz gedacht.

Oettinger 2

 

Denn ein Teil der Oettinger-Geschichte ist tatsächlich fränkisch, wenn auch gerade noch so. Alles beginnt im kleinen Ort Fürnheim, einem Ortsteil von Wassertrüdingen. Fürnheim hat keine 350 Einwohner, dafür eine äußerst interessante Geschichte. Die Einwohner des Orts unterstanden – je nachdem, wo sie wohnten – drei unterschiedlichen Grundherren: den Markgrafen von Ansbach, dem Deutscherrenorden oder den Fürsten von Oettingen. Im 19. Jahrhundert wurde Fürnheim dann eine selbstständige Gemeinde und 1978 endlich nach Wassertrüdingen eingemeindet.

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Da war das Fürnheimer Brauhaus schon lange in Händen der Familie Höhenberger. 1731 ist Johann Simon Höhenberger Brauer in Fürnheim und bis nach dem zweiten Weltkrieg ziert der Name das Fürnheimer Bier. 1949 heiratet Otto Johann Kollmar Hedwig Ida Höhenberger. 1956 übernehmen Otto und Günther Kollmar das nahe gelegene Fürstliche Brauhaus zu Oettingen. Der Braubetrieb in Fürnheim lief dagegen nur noch bis 1958, dann fiel die Brauerei in einen Dornröschenschlaf. Und aus Oettinger wurde die Billigmarke der Nation.

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Gott sei Dank ist die Geschichte genau so gelaufen. Nicht auszudenken, wie Fürnheim jetzt aussähe, wenn dort Millionern Hektoliter pro Jahr gebraut würden. Dann wäre Forstquell jetzt in aller Munde, hätte aber einen bescheidenen Ruf. Und in Oettingen wäre die Sudpfanne vielleicht schon längstens stillgelegt. So aber war/ist es andersherum.

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Bis 1997: Da wurde das Fürnheimer Brauhaus unter dem Namen Forstquell von der Familie Kollmar wieder wachgeküsst und in ein echtes Juwel verwandelt. Liebevoll eingerichtet empfängt jeder Raum den Gast mit einem anderen, eigenständigen Ambiente.

 

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Highlights sind das kupferglänzende 13-Hektoliter-Sudwerk und die Brunnenstube. In der schaut der Gast – Nomen est Omen – in einen 50 m tiefen Brunnen, aus dem auch heute noch das Brauwasser gewonnen wird.

Ein Blick in den Brunnen der Brunnenstube ...

Ein Blick in den Brunnen der Brunnenstube …

Interessant sind auch die Forstquell-Biere. Drei stehen zur Auswahl: Das Forstquell Pils ist ein schönes, unfiltriertes Pilsner mit einer feinen Hopfenblume in der Nase. Auf Zunge und Gaumen verbinden sich die Hefe und der Hopfen zu einem erfrischend fruchtigen Bouquet. Gut, für ein Pils ist es nicht so brachial herb, die Hefe wirkt da der Bittere entgegen. Aber der Hopfen legt auf die ganze Distanz doch noch ein wenig zu. Schluck für Schluck wird das Bier kerniger und bitterer. An „technischen Daten“ wären noch die 11 % Stammwürze und die 5,1 %  Alkohol zu erwähnen.

 

Links: Gold, rechts: Kupfer

Links: Gold, rechts: Kupfer

Den „Job des Dunklen“ übernimmt das Forstquell Kupfer. Das hat 12 % Stammwürze bei nur einem Wimpernschlag mehr Alkohol (5,2 %). Dem malzigen Antrunk folgt ein runder, stimmiger Körper. Vom Charakter her bleibt das Bier malzig, mit einer angenehmen Karamell-Süße. Positiv fällt auf, dass das Bier nicht so schwer brotig wird. Die feine Citrusnote unterstützt noch die Süffigkeit.

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Das beste Bier der drei war für mich die Fürnheimer Weisse. Das honigbraune Bier begleitet ein schönes Bananenaroma. Auch geschmacklich kommt die sehr reife Banane durch, wird aber auch von einer angenehmen Würze begleitet. Sogar die feine Säurenote am Ende passt ins Gesamtbild dieses Biers.

Oettinger

So aus dem Bauch heraus würde ich jetzt sagen, die Forstquell-Biere sind sozusagen „das bessere Oettinger“ – aber ehrlich gesagt fehlt mir der Vergleich. Ich glaube, mein letztes Oettinger hatte ich 1992 in der Hand. Damals waren wir mit einer Kiste Oettinger mit dem Zug nach Berlin gefahren. Die letzten paar Flaschen, die warm geworden waren, hatten wir dann spät in der Nacht für teures Geld mit dem Hinweis, es handle sich um feinstes bayerisches Bier, an unterhopfte Großstädter verkauft. Damals kannte in Berlin kein Mensch Spätis und Oettinger. Wenn ich sowas heute wieder einmal machen möchte, müsste ich Fürnheimer Forstquell nehmen …