Die aktuellen Zahlen zum Bierabsatz und die Konsequenzen, die die Brauwirtschaft daraus zeht, können einen schon ein wenig wütend machen. Ich habe zwar kein BWL studiert und nur ein klein wenig gesunden Menschenverstand – also den Teil, der der ständigen Biertesterei noch nicht zum Opfer gefallen ist. Aber mal ganz ehrlich: Wenn der Bierkonsum ständig nachlässt, wenn man Unsummen für Fernsehwerbung usw. ausgibt, wenn man das eigene Bier im Handel fast nur noch über Sonderaktionen, Rabatte oder mit Zugaben in Form von Extra-Flaschen oder sogar 5l-Dosen los wird – investiert man dann neue Millionen in Individualflaschen, die nun den Trend stoppen sollen und es so wenig tun, wie die Einführung der „edleren“ NRW-Flasche? Zur Einführung neuer Gebinde gibt es Sonderangebote, an die sich der Kunde gewöhnt und wenn es sie dann nicht mehr gibt, wechselt der Kunde zum Angebot der nächsten Marke. Der Inhalt ist ja austauschbar. So ein Verhalten zitiert auch das Handelsblatt in einer aktuellen Betrachtung zum Biermarkt.
Böse Zungen behaupten ja, dass die Individualflaschen nur eingeführt werden, um kleinere Brauereien vom Markt zu drängen. Denn die haben mit dem größeren Flaschenpool einen höheren Sortieraufwand und müssen die „Individual-Fremdflaschen“ für teures Geld zurück zur Großbrauerei bringen (lassen). Ob ein Kunde mehr ein phantasieloses Fernsehbier kauft, weil es in einer neuen Verpackung kauft, glauben mittlerweile nicht mal mehr die Marketinganalysten selbst. Ist wohl auch egal. Hauptsache, der Kunde erdreistet sich nicht mehr, einen eigenen Geschmack zu haben und für zwei bis drei Euro mehr ein Landbier zu kaufen.

418086_323173741057222_893880359_n

Da ist der deutsche Konsument ja wirklich „widerlich“! Statt wie im Rest der Welt gefärbtes, alkoholisiertes Wasser, das bestenfalls eisgekühlt trinkbar ist, als Bier zu akzeptieren, erwartet der bisweilen so etwas wie Authentizität, einen Charme jenseits großspurigen Lifestylegehabes und vor allem Geschmack!!! Mit einem Bier wie dem Fischer Spezial aus Wieseth kann man vielleicht kein Millionenpublikum glücklich machen, aber dafür haben die, die es zu schätzen wissen, ein verdammt ordentliches Bier in der Hand. Die Farbe darf man als gelb-braun bezeichnen – wie auf der Homepage. Damit lässt sich natürlich kein Marketing machen. „Gelb-braun“ klingt wie von einem Grundschüler mit dem Farbkasten zusammengemischt, sieht aber verdammt gut und altgolden aus, vom dichten Schaum ganz zu schweigen. Auch der leicht mattmalzige Geruch wird sich so nicht vermarkten lassen. Und beim Geschmack muss der vom seelenlosen Fernseh-Pils verseuchte Gaumen sowieso streiken. Wobei so ein braunmalziger Antrunk, das malzwürzige Volumen, der nur leicht herbe Abgang mit eher grasigem als bitterem Hopfen verdammt lecker sein kann – wenn man so etwas zu schätzen weiß. Und die 5,5% sind natürlich auch ein Marketing-GAU! Wenn ein Bier mehr Alkohol hat, trinkt der Kunde schließlich weniger! Nun ja, dass man bei entsprechendem Geschmack trotzdem das eine oder andere Seidla genießen kann, hat sich bei den Nadelstreiflern noch nicht rumgesprochen. Nur ein wenig jung kam das Fischer Spezial aus der Flasche, die ich in der Hand hatte, rüber. Wenn Biere populärer werden, kann es passieren, dass man mit dem Brauen nicht mehr nachkommt. Vielleicht wirkte es auf mich auch nur so?

Von einem durchgestylten Fernseh-Pils ist dieses Bier dafür so weit weg, wie auch nur irgendmöglich. Dafür sorgen auch schon das herrlich unprätentiöse Etikett und die urige Euro-2-Flasche. Dass die in bestimmten Fällen wesentlich besser als teure Individualflaschen sind, musste auch Nummer 10 auf dem Biermarkt, Erdinger, erkennen: Die teuren „Champ-Flaschen“ mit dem integrierten Dreh-Öffner im Boden wurden eingestampft, dafür wurde mit der Ur-Weisse die Euro-2-Flasche wiederbelebt. Mit dem richtigen Inhalt kann man sich solche Experimente auch gleich sparen … ;-)