Lasst uns mal über den Bierabsatz und -konsum in Deutschland reden. Da zeigt die Kurve ja seit „gefühlten Jahrhunderten“ fast immer nur in eine Richtung, nämlich bergab! Das wird vonseiten der Bierwirtschaft und -verbände regelmäßig beklagt. Aber es ist eigentlich nur die halbe Wahrheit, denn schaut man sich den Absatz von Bier mal nur ein klein wenig längerfristig an, bekommt man ein äußerst interessantes Bild.

Verglichen mit der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg jammern wir vielleicht ein wenig auf sehr hohem Niveau. Zwar geht es bergab, aber wir sind immerhin ungefähr auf dem Niveau der Sechzigerjahre. Und da konnte man noch munter trinken und Auto fahren, arbeiten und überhaupt!

Vielleicht ist es ja tatsächlich so, dass sich in der Vergangenheit eine „Bierblase“ aufgebaut hat, ein „Blase“ von Überkapazitäten, die irgendwann mal platzen musste. Vielleicht ging es zu sehr darum, um jeden Preis zu wachsen? Vielleicht können die Brauereien der gegenwärtigen Entwicklung wenig entgegensetzen, weil es nicht zum Entgegensetzen gibt? Ich bin ja kein Wirtschaftswissenschaftler, aber schaut man sich die Zahlen an, könnte man schon auf den Gedanken kommen.

Interessant ist jedenfalls, dass es in der Vergangenheit in jedem Ort und in jeder Stadt viel mehr Brauereien gab, der Verbrauch jedoch zum Teil wesentlich geringer war. Das Problem scheint also nicht die Anzahl der Brauereien zu sein, sondern die Marktkonzentration auf immer größere Brauereibetriebe selbst. Dabei wird das doch immer wieder als Lösung vorgeschlagen. In Würzburg soll es zum Beispiel mal mehr Brauereien als Weinschenken gegeben haben, von der Region ganz zu schweigen. Aber letztlich ging alles den Bach runter. Ob es unvermeidbar war? Wer weiß. Aber irgendwie ist es beispielhaft. Die Geschichte der Würzburger Hofbräu liest sich ein wenig wie eine Erfolgsgeschichte. Im 17. Jahrhundert gegründet begann man im 19. Jahrhundert zu expandieren und andere Brauereien zu übernehmen. Selbst in die USA soll Bier exportiert worden sein. In den Siebzigern übernahmen die Würzburger unter anderem die Brauerei Heil aus Tückelhausen. Deren erfolgreichstes Bier, das Jagd-Pils wird seitdem von den Würzburgern weitergebraut. Aber wie? Das Jagdherren Pils ist ein echtes Billigbier, im schlechtesten Sinn des Wortes. Die helle Farbe und der weiße Schaum sind noch das Beste an dem Bier.

Früher einmal Brauerei Heil/Tückelhausen

Der Rest ist …belanglos, beliebig. Nicht im geringsten pilsig. Für ein Pils startet es zu süß, ist eher deutlich malzig wie ein Helles. Der Hopfen mag aber nicht überzeugen. Das Aroma ist … langweilig, die Bittere kommt am Ende schon, aber sie animiert nicht zum Weitertrinken. Bestenfalls will man die Flasche leer haben, damit man es hinter sich hat. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Heil Jagd-Pils so geschmeckt haben dürfte. Selbst wenn die Etiketten in jeder Ecke behaupten: „Gebraut nach dem bayerischen Reinheitsgebot und nach den Rezepten der Brauerei Heil, Tückelhausen„. „Nach den Rezepten“ soll wohl heißen: Wir haben uns die Rezeptbücher angeschaut und dann alles zusammengestrichen, was irgendwie zu viel Geld kostet.

Bei so einem Bier kann man schon verstehen, dass sich die Kunden abwenden. Das ist ja immer das Problem bei Brauereiübernahmen. Die Mutter schaut sich ihre neuen Töchter vor allem unter zwei Gesichtspunkten an:

  1. Wie viel Absatz kann ich übernehmen?
  2. Wie viel Kosten kann ich dort sparen?

Das Ende vom Lied sind langweiligere Biere, denen die Kunden davonlaufen. Was den Würzburgern übrigens ebenfalls passiert. Mit der Übernahme durch die Kulmbacher werden Randsorten im eigenen Sortiment nicht mehr angeboten oder nicht mehr beworben. Die Begründung dafür soll fehlende Rentabilität sein. Wo sich die Katze in den Schwanz beißt: Die Randsorten rentieren sich nicht? Also werden sie nicht mehr beworben. Damit sinkt ihre Rentabilität weiter, weshalb sie nicht mehr angeboten werden. Damit sinkt aber der Ausstoß und die Akzeptanz auch der anderen Biere, was durch Kosteneinsparungen auch bei den Stammsorten aufgefangen werden muss. Schwindende Qualität bei den Rohstoffen und eine Ausrichtung auf den Massengeschmack bzw. Trendsorten hin verprellen die letzten Stammkunden. Und im Supermarkt verkauft man nur noch über den günstigeren Preis …

Vielleicht sehe ich die Sache auch zu schwarz? Aber ich kann mir nicht helfen. Bei einer Flasche Jagdherren Pils kann ich keine „Rettung“ für die verfahrene Situation auf dem deutschen Biermarkt erkennen …