Wenn ich gefragt werde, was main Lieblingsbier ist, kann ich das ehrlich gesagt nicht beantworten. Auch bei meiner Lieblingsbrauerei tue ich mir schwer, wobei im Zweifelsfall – und jetzt sind wir wieder beim Bierpatriotismus – eine Bamberger Brauerei nennen würde – bzw. zwei Bamberger Brauereien. Zum einen ist da die Brauerei Spezial. deren Lager mag ich einfach, es ist für mich in Sachen Rauchbier und Trinkbarkeit einfach die Referenz. Mal ganz abgesehen von der urigen Wirtsstube, dem Personal, dem Bräu, dem Brauerei-Höfla, dem Bierkeller … Da passt für mich alles.

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Daneben entwickelt sich für mich aber eine andere Brauerei in Bamberg zu einer Art „Hot-Spot“ für neue Bierideen. Und das ist die Brauerei Greifenklau. „Der junge Siggi“ – bei der Familie Brockard heißen die Söhne seit Generationen alle Sigmund – versteht es, Tradition und Innovation auf eine leichte und lockere Art zu mischen, dass es fast schon „genial“ ist. Ich weiß, das ist jetzt eine „schreckliche Lobhudelei“ und andere Brauer machen das nicht minder erfolgreich. Aber was so peu à peu im Greifenklau passiert, finde ich wirklich faszinierend.

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Seit gestern gibt es zum Beispiel bei bestem Biergartenwetter einfach mal so hopfengestopfte Varianten des Greifenklau Zwickl – ohne irgendwelche Werbung, abgesehen von einem Facebook-Posting und dem „üblichen“ Din A 4-Blatt. Das hat seinen Grund: Wer kann schon sagen, ob den alteingesessenen Bambergern oder den nach fränkischer Bierkeller-Tradition gierenden Touristen ein Bier mit Mandarinengeschmack zusagt? Dass es sich bei Mandarina Bavaria, Hallertauer Blanc, Huell Melon und Polaris um die Kulthopfen der Craftbierszene handelt, werden die wenigsten wissen, die gestern „auf’m Greif“ hockten. Von den vier Varianten gibt es jeweils nur nur 50 Liter. So viel hat er von seinem Zwickl abgezweigt und in Fässern mit den modernen Aromasorten veredelt. Ist ein Fass leer, kommt das nächste ran. Man muss also grade fragen, „welches Zwickl“ man bekommt.
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So ist jedes der neuen Biere, die Siggi „nebenher“ anbietet, ein echtes Experiment. Die Leute sitzen da, trinken entweder ihr gewohntes Greifenklau Lager oder probieren etwas Neues aus. Vielleicht schmeckt es ihnen, vielleicht kehren sie zum Lager zurück … „das sieht man dann“, sagt der junge Bräu in solchen Situationen oft, lächelt und kehrt zur Arbeit zurück.

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Die Basis der Biere ist das Greifenklau Zwickl, die unfiltrierte Variante des Lagers. das ist hellgelb und zeigt eine schöne Trübung. Mit seinen 4,9 % Alkohol ist es auch nicht zu stark. Vom Charakter her ist es malzig, nicht zu herb … ein Bier, mit dem man so ein Experiment durchaus machen kann.

Mandarina

Quelle: http://www.hopfen-der-welt.de/pellets-typ-90/deutschland/mandarina-bavaria/

 

Als erstes war die Mandarina Bavaria-Variante am Hahn. Dieser Hopfen ist mit seiner fruchtig-ätherischen Madarinennote schon eine Herausforderung für den traditionellen Biertrinker. Und so waren die Reaktionen bei uns am Tisch (ein „zusammengewürfelter Haufen“ von Zugereisten Biertraditionalisten aus Nord und Süd, einer Einheimischen, einem Bier-Gastronomen, einem Brauer, einem Barley’s Angel und mir) durchaus unterschiedlich. Wobei es bei den „Biernerds“ am Tisch gut ankam. Der Geruch zeigt schon deutlich fruchtige Mandanrinennoten. Da weiß man sofort, was man bekommt. Die Süße der malzigen Basis, das fruchtige Mandarinenaroma. Ein gut ausbalanciertes Bier, bei dem das Hopfenaroma schön klar, aber nicht extrem dominant rüberkommt. Beim „Stopfen“ hat sich Siggi mit 100 gr. auf ein 50 Liter Fass fast schon vornehm zurückgehalten. Der Abgang zeigt eine angenehme Herbe, der Nachhall nochmal ein wenig feinen Hopfen. Der Körper ist eher leicht.  Doch, das gefällt mir wirklich. Oder besser: Das hat mir gefallen. das 50er Mandarina Bavaria ist schließlich leer. Aber wie gesagt: Die Reaktionen auf so ein Bier sind unterschiedlich. Für die einen ein herrlich frisch-fruchtig-spritziges Sommerbier – für die anderen eine Mandarinenschorle, „die sich spreizt“.

Hallertau

http://www.hopfen-der-welt.de/pellets-typ-90/deutschland/hallertau-blanc-1/

Als zweites gab es die Variante mit Hallertauer Blanc. Von der Optik machen die Biere natürlich keinen Unterschied. Das Aroma erinnert an … ja, da tu ich mir schon schwerer als beim Mandarina Bavaria. Aromatisch und geschmacklich ist dieses Bier komplexer. Da sind schon so blumige Weißweinaromen, auch ein wenig Stachelbeere vielleicht. Aber mit Stachelbeeren habe ich so meine Probleme: Ich mag sie nämlich nicht. Also, ich mag das „pelzige“ Mundgefühl nicht. „Pelzig“ schmeckt das Zwickl Hallertauer Blanc gottlob nicht. Eher zeigt es ein wenig feine Fruchtsäure, die Herbe kommt hier vielleicht ein wenig deutlicher hervor. Da geht es ein wenig in Richtung Grapefruit. Oder Passionsfrucht? Jedenfalls ist es meiner Meinung nach hintenraus in Sachen Hopfen vollmundiger, aber nicht unbedingt „klarer“ in seiner Aromatik.

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Interessant und lecker waren beide Varianten. Aber welche war besser? Da gab es bei den vier verbliebenen „Biernerds“ an unserem Tisch am Ende Gleichstand. Zwei Stimmen für das Mandarina Bavaria, zwei für das Hallertauer Blanc. Vier Stimmen für ein gelungenes Experiment. Und die Vorfreude auf die Varianten Huell Melon und Polaris. Wer also heute Morgen noch nichts weiter vorhat, möge bitte zum Greifenklau auf einen Frühschoppen gehen.
Wenn ich heute Mittag nämlich mit der Arbeit aufhöre, wäre es schön, wenn das nächste 50er bereit wäre.