Eigentlich habe ich heute so gar keine Lust auf eine Bierkolumne. Das liegt nicht etwa an akuter Bier-Unlust. Aber wenn die ganze Welt über den Wert der Meinungs- und Pressefreiheit diskutiert, weil ein paar durchgeknallte Fanatisten meinen, sie müssten ihren Gott und/oder ihren Propheten (oder das, was sie dafür halten) dadurch eheren, dass sie sich zu Herren über Leben und Tod aufschwingen, dann denke ich mir immer, dass es schon wichtigere Themen als das mit dem Bier gibt. Da schlägt mein Politik-Studium durch. Dann würde ich ja gerne glühende Reden für Toleranz und Meinungsfreiheit in die Tastatur hacken … aber dafür ist das hier das komplett falsche Forum. Und außerdem würde das nur so wirken, als wollte da wer irgendwie auf den Zug aufspringen.
Dabei gäbe es „Aufreger-Themen“ genug in Sachen Bier. Die belgischen Nachbarn liegen sich zum Beispiel derzeit über die Begriffe Brauerei und Brauer in der Wolle. Und auch hierzulande wird – vor allem in der „Craftbier-Comunity“ – immer wieder darüber diskutiert, wer sich denn nun politisch korrekt Brauer nennen oder „Brauerei“ auf seine Etiketten schreiben dürfe. Die Frage, wer denn nun das Bier, das man im Glas vor sich stehen hat, gebraut hat, treibt zwar eher die Craftbierfreunde um, betrifft aber bei weitem nicht nur sie. Nur dass im Bereich der traditionellen Biere nichts o viel darüber gestritten wird. Dass Warsteiner zum Beispiel nicht immer aus Warstein stammen muss, regt scheinbar nur Verbraucherschützer auf. Unter dem Aktenzeichen I ZR 55/96 stellte der Bundesgerichtshof fest, dass „nur 8 % der befragten Verbraucher, die Bier tränken, sei es auch nur gelegentlich oder selten, […] wüßten, daß es einen Ort Warstein gebe, und die auf Nachfrage diesem Ort auch Bedeutung beimäßen.“ Soll heißen: Warsteiner kann auch aus der zu Warsteiner gehörenden Paderborner Brauerei kommen. Interessiert doch eh keinen. Und genauso wird mittlerweile Beck’s zur Auslastung auch bei Spaten-Franziskaner in München gebraut. gehört doch eh alles zusammen! Interessiert doch keinen. Ist doch eh schon alles wurst …
Umso bemerkenswerter finde ich es, wenn man auf Etiketten einen klaren Hinweis auf den (anderen) Brauort findet. Auf den Etiketten des neuen Schmitt Bräu/Scheßlitz Urstoff 1847 steht zum Beispiel klipp und klar: „Hergestellt von Schlossbrauerei 96182 Reckendorf“ Geht doch! Und es schadet dem Bier nicht. Die Mehrheit wird es – siehe Warsteiner-Urteil – eh nicht interessieren. Und die, die es interessiert, können sich nun entweder sagen „Bäh, ein Lohnbräu! Das lasse ich stehen“ oder „Schau an, bei den Reckendorfern. Na deren Bier ist ja auch nicht schlecht! Also nehme ich es mit!“. Soll heißen: Man kann Transparenz in solchen Dingen auch als Chance sehen.
Nur muss das Produkt dem ganzen auch gerecht werden. Und da scheitert es bei vielen abschreckenden Beispielen. Aber in Sachen Urstoff 1847 kann ich da nicht groß nörgerln. Das bernstein-klare Bier mit 5,3 % ist ein echtes Brotzeitbier: Malzig, mit Karamell- und Brotaromen, nicht ganz unkernig … Sowas süffelt sich zu Brot, Pressack und Gerupftem lässig nebenher. Insgesamt ist es nicht zu süß, auch wenn das Malz im Vergleich zum Hopfen dominiert. Aber die Kombination aus Malzherbe und Hopfen hat das ganz brauchbar im Griff. Vielleicht hatte ich während des Tests ja nur anständig Durst, aber bei so einem Bier kann man fast schon von einem „Drei-Schluck-Seidla“ sprechen. Kein Kracher, aber alles andere als schlecht. Zumindest ein deutliches Fehlaroma wie bei ratebeer bemängelt, fand ich nicht. Ich fand es wie gesagt nett trinkbar. Und dass auf den Etiketten steht, was hierzulande eh jeder weiß, macht es noch sympathischer. Da heimst es bei mir Pluspunkte ein. Denn es geht doch. Man kann transparent und ehrlich sein und trotzdem Bier verkaufen. Zumal das nicht das einzige Beispiel ist!
Aber das sind nur mal so meine Gedanken zu dem Theman nebenbei, denn eigentlich gibt es gerade wichtigere Themen auf der Welt …
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