Das gestrige Bier des Tages, das Mönchshof unfiltrierte Export anno 1910, war ja ein wunderbares Beispiel dafür, was geht, wenn wenigstens die Werbeabteilung Geld in die Hand nimmt. Nun können aber nicht alle Brauereien so viel Geld in die Hand nehmen, um so schicke Retro-Etiketten zu stylen und gar Holzträger für ihre „Bierspezialität“ baen lassen. Gerade für die Familienbetriebe des Mittelstandes ist es nicht so einfach, jedem Trend folgen zu können. Nehmen wir mal nur die Flaschen. In den 1980er Jahren war mehrheitlich die sogenannte Euro-Flasche Standard bei den Bierflaschen. Das ist grade mal 35 Jahre her. Dann kam die NRW-Flasche und viele Brauereien stellten ihr Sortiment um. Als nahezu jeder NRW-Flaschen (und Kästen) aneschafft hatte, kam der Trend mit dem Bügelverschluss. Plötzlich ploppte es an allen Ecken und Enden. Und wer nicht sein ganzes Sortiment umstellen konnte, ließ wenigstens eine oder ein paar Sorten in Bügelverschluss-Flaschen fremdabfüllen. Und jetzt sind seit ein paar Jahren dank Augustiner & Co. die alten Euro-Flaschen wieder Trend. Und bei den Etiketten ist es ähnlich …
Kein Wunder, dass so manche Brauerei gegen den immer stärkeren Retro-Trend bei ihren „alten“ Premium-Etiketten bleibt. Auch, wenn der Begriff „Premium“ immer häufiger als „ist Mist“ übersetzt wird. Schließlich wirkt so manches „Premium-Etikett“ so, als wolle da die Fernseh-Biere kopieren. Dabei versteckt sich hinter den Hochglanz-Goldrand-Etiketen durchaus solide Braukunst vom Land. Münchsteinach im Steigerwald ist jedenfalls weit von jeglichem urbanem Premium-Style entfernt. So weit, wie man sich das nur denken kann.
Eigentlich wäre das 1881 Export der Brauerei Loscher aus Münchsteinach das ideale Retro-Bier. Die Zahl ist kein Fantasieprodukt, 1881 kaufte Johann Simon Loscher in Münchsteinach die Brauerei, die seither in Familienbesitz ist. Und seither wird dort so gebraut, wie es das Export 1881 darstellen soll. „Und das wird auch so bleiben!!“, verspricht die Brauerei auf ihrer Homepage. Im Falle des Exports darf das für mich auch gerne so bleiben. Denn das altgolden-hellbernsteinige Bier mt seinen 5,4 % fand ich gar nicht so schlecht. Der Geruch ist angenehm würzig, das Bier insgesamt nicht „extrem“, sondern eher auf eine malzige Süffigkeit ausgelegt. Gut, so richtig kernig vom Land ist was anderes, da zeigt das Bier durchaus ein wenig Eleganz. Oder wirkt das nur wegen des Hochglanz-Etikett so? Die Malzaromen haben Karamellanklänge, eine ganz feine Spur Röstaromen, der Hopfen ist für ein Export eher verhalten, vor allem im Abgang. Kein schlankes, typisch helles Export vielleicht, aber beiliebe auch kein „schweres Oktoberfest-Märzen“. Dafür ist das Malz hier feiner, leichter. Gut, etwas „Besonderes“ ist das Bier nicht, aber einfach „nett trinkbar“.
Eigentlich ein Bier für ein Retro-Etikett und die Euro-Flasche. Aber dann müsste man den ganzen Marketing-Auftritt mit anpassen. Die Lackierung der LKW zum Beispiel oder die Homepage. Und die Kosten für die Abfüllung in unterschiedlichen Flaschen? Ob sich das lohnt? Denn wer weiß, wann der nächste Trend über die Bierlandschaft hinwegrollt …
Noch keine Kommentare