Über das heutige Bier des Tages ließen sich viele Geschichten schreiben. Nicht, weil die Brauerei eine jahrhundertelange Tradition hätte; nicht, weil der Bierstil so urfränkisch wäre … Nein, das Witbier Very Whit Pornstar, das Christian Hans Müller unter seinem Label Hanscraft & Co. zur Braukunst Live 2015 mitgebracht hatte, erzählt andere Geschichten.
Da wäre zum Beispiel die Geschichte mit der Köstritzer Brauerei und ihrem 2014 erschienen Witbier. In der Bierszene war das ein Paukenschlag. Zum ersten Mal hatte eine Großbrauerei den Schritt gewagt und eine Ausnahmegenehmigung vom Reinheitsgebot beantragt – und auch bekommen. Seitdem stand ein nicht nach dem Reinheitsgebot in Deutschland gebrautes Bier in heimischen Supermärkten! Für den Bayrischen Brauerbund ein klarer Eklat, ach was, ein Fanal! Und nach dem Motto Wehret den Anfängen! wurde gegen die Praxis der Ausnahmegenehmigungen „mobil gemacht“.
Und da beginnt die Geschichte eines Konflikts – und auch der mit Vorgeschichte. Die Vorgeschichte beginnt damit, dass Christian Hans Müller unter seiner Marke Hans Müller Sommelierbier GmbH bei einer unterfränkischen Brauerei ein hopfengestopftes, nettes Weizen namens Bayrisch Nizza braute. Dem Bayrischen Brauerbund war das – aus welchen Gründen auch immer – zu unbayrisch. Was bayrisches Bier sei, solle wohl ein privater Verein (der BBB gibt sich zwar ab und an staatstragend wie eine staatliche Institution, ist aber dennoch nur ein Verein!) bestimmen. Dorn im Auge des Bayrischen Brauerbundes waren damals unter anderem die verwendeten amerikanischen Hopfensorten. Letztendlich zog der BBB den Kürzeren. Als ob bei einem BMW jedes Bauteil aus Bayern käme …
Aber zurück zur Geschichte des „unterfränkischen Witbiers“ Very White Pornstar – übrigens mit eigener Facebook-Präsenz! Dank Köstritzer ging sowas wie ein Aufatmen durch die Szene: Endlich darf frei und kreativ Bier gebraut werden. Köstritzer sollte der Präzedenzfall sein. Christian Hans Müller beantragte also folgerichtig für sein zuvor schon als Hobby-Sud gebrautes Witbier eine Ausnahmegenehmigung, um das Bier auch verkaufen zu können. Nun ist es aber so, dass in der Theorie alles geht, nur in Bayern halt nicht! Die Ausnahmegenehmigung wurde verweigert. Genehmigen können das nämlich nur Landesbehörden und der Einfluss des BBB reicht in Bayern scheinbar weit. Was also tun? Den nächsten Rechtsstreit mit dem BBB ausfechten? Oder einfach weggehen aus Bayern? Denn das muss man wohl, wenn man anders brauen will, als es dem BBB gefällt. So entstand das Very White Pornstar als Collaborationssud mit Kolja Gigla von der Mashsee Brauerei in Hannover. Denn in Niedersachsen ist das mit der Ausnahmegenehmigung geht in Niedersachsen. Nicht nur in der Theorie!
Und dann erzählt so ein Bier natürlich seine eigene Geschichte. Zu der gehören neben Wasser, Weizen- und Gerstenmalz East-Kent-Golding-Hopfen und Hefe auch Weizenflocken, die Schalen von Bio-Orangen, Koriander- und Kardamomsamen und chinesische Süßholzwurzel. Für ein bayrisches Bier ungewohnte Zutaten, aber das Very White Pornstar will ja kein bayrisches Bier sein. Es wollte nur in Bayern gebraut werden dürfen …
Hell ist es geworden. Heller als der erste Sud, den Christian Hans Müller braute. Darum heißt es ja auch VERY White Pornstar – aber das ist wieder eine andere Geschichte. Mit nur 18 Bittereinheiten ist es auch sehr mild. Riecht man am Bier, hat man die feinen Orangen- und Gewürzaromen in der Nase. Auf Zunge und Gaumen ein weiches, sehr leicht trinkbares Witbier. Nicht zu extrem, aber schon mit einer schönen Orangennote. Die Gewürze drängen sich nicht in den Vordergrund, begleiten das Bier eher. Mir gefiel auch die Süße-Säure-Balance bei dem Bier, wobei ich auch sagen muss, dass ich es gerne ein wenig süßlicher mag. Doch, das Very White Pornstar hat mir gut gefallen. Für den Sommer ist es ein lässiges, blumiges Bier, die 4,7 % passen auch. Das ist halt etwas ganz anderes, vor allem für Bayern! Aber vielleicht ist das ja auch so ein Problem für den Bayrischen Brauerbund: So ein Bier, das fast ein wenig wie Parfum duftet, das ist halt nichts „für a boarisches, gstandenes Mannsbild!“ Oder wie auch immer man da denkt …
Bleibt letztendlich noch die Geschichte mit dem Namen: „Sehr weißer Pornostar“ … so kann man ein Bier nennen. Nur warum? Provoziert man damit nicht automatisch die Feministinnen? Für treue Emma-Leserinnen ist Porno ja per se Gewalt gegen Frauen (für Hardcore-Feministinnen die Penetration an sich ja schon)! Manifestiert so ein Bier nicht das Bild, das Bier ein Männergetränk sei? Vielleicht – und doch ist ein Witbier vielleicht auch ein für Damen interessanter Bierstil. Wer sagt denn, dass mit „Pornstar“ so ein „blondes Silikontittenpüppchen“ gemeint sei? Nach dem Namen gefragt, meinte Christian Hans Müller, er habe eigentlich in der Namenwahl dem vorher erschienen Backbonesplitter nur eins draufsetzen wollen. Sein erster Sud hieß noch White Pornstar, aufgrund der helleren Farbe wurde dieser zum Very White Pornstar. Dass sich viele heimische Craftbrauer in den Bezeichnungen ihrer Biere an den bisweilen „kraftstrotzenden“ Namensschöpfungen ihrer US-Kollegen orientieren, sieht man nicht nur auf Messen wie der Braukunst Live immer wieder. Und überhaupt – der internationale Frauentag war gestern! Da hätte man anlässlich dieses Bieres eine Gender-Debatte lostreten können. „Müssen“ tut man das in meinen Augen sowieso nicht!
Ach übrigens: Dass das unbayrisch-bayrische Witbier Very White Pornstar seinen Premierenausschank in München auf der Braukunst Live – sozusagen vor der Nasenspitze des Bayrischen Brauerbundes – hatte, ist aber „leider“ wohl nur mehr oder minder Zufall. Die BKL war halt die nächste größere Biermesse. Eine schöne Geschichte „für später am Lagerfeuer“ gibt es aber allemal!
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