Eigentlich wollte ich ja nur …
Also ehrlich, eigentlich wollte ich gestern ja nur mal kurz nach Weiher fahren, um mir zwei Fläschchen von dem neuen Rauchbock zu kaufen, den Roland Kundmüller und Alexandre Bazzo von der Cervejaria Bamberg in Brasilien zusammen gebraut hatten. Von besagter Cervejaria hatte ich bei einem legendären Tasting-Abend im Cafe Abseits – wo sonst? – schon mal was probieren dürfen.
Die Weiherer Biere kenne ich ja auch. Und ein Rauchbock – sowas hatte ich ja in diesem Jahr auch schon gebraut! Das versprach interessant zu werden. Also hatte ich ein paar Flaschen von meinem Roten Rauchbierbock eingepackt, schnürte los nach Weiher, um dort ganz unauffällig zwei Fläschchen Weiherer und Cervejaria Bamberg Rauchbock zu kaufen und zwei Fläschchen Gleisdreieck Roten Rauchbierbock für die beiden Braumeister – man kennt sich und ein wenig Feedback von professionellen Brauern nehme ich immer gerne mit – stehen zu lassen. Wie gesagt, das war der Plan!
Der hielt auch ungefähr so lange, bis ich in die Gaststube kam. Und kaum ein paar Minuten später musste ich a) meine weltbeste Biertestergattin anrufen, dass ich später nach Hause kommen würde, und saß b) mitten in einer Kruzverkostung mit beiden Braumeistern Oswald und Roland Kundmüller, der Biersommelière Lisa Luginger, die in Weiher die Pressearbeit betreut, der Bierkünstlerin Angie Wilkes mit ihrem Mann und einem amerikanischen Craftbrauerpaar. Das war so wirklich nicht geplant, ich wollte doch eigentlich nur …
Also gut, wenn ich schon mal da bin, kann ich ein „kleines Schlückchen“ vom Rauchbock gleich vor Ort probieren. Darüber, dass das kleine Schlückla – ich wollte wirklich nur so ein kleines Versucherla! – fast ein ganzes Seidla war, schweigen wir mal lieber. Darüber, dass der Bock mit seinen ~7 % was geworden ist, muss man dagegen nicht schweigen. Im Gegenteil, wenn ich mir die Farbe ansehe, werde ich schon ein wenig neidisch. So einen glänzenden Bernstein-Orange-Ton bekommen wir mit unserer Anlage nicht hin, wobei wir auch so bei ca. 27 EBC rausgekommen sind. Und auch beim Malz landet man irgendwie bei ähnlichen Ausgangsstoffen. Wir hatten Rauchmalz, Pilsner, Wiener und Melanoidin verbraut, Roland Kundmüller und Alexandre Bazzo Rauchmalz, Pilsner Malz, Melanoidin und Carared. Schon witzig, wie unterschiedliche Brauer (ich zähle mich im Kleinen einfach mal dazu) da unabhängig in ähnliche Richtungen gehen.
Neben der gelinde gesagt geilen Farbe finde ich auch das Raucharoma gut. Die Rauchnote ist schön, vom Fass wirkt sie vielleicht ein wenig feiner als aus der Flasche. Dazu kommt noch eine Spur Hopfen. Während wir da eher dezent mit einer Hand voll Perle und ein wenig Willamette zu Werke gingen, haben Roland Kundmüller und Alexandre Bazzo mit Hallertauer Gold, Saphir, Spalter Select (den Lieblingshopfen von Roland Kundmüller, der ist immer drin) und Spalter Spalter, letztem aus eigenem Anbau, viel mehr Wert auf die Hopfung gelegt haben. Das merkt man auch geschmacklich. Das Raucharoma ist von Anfang an auf Zunge und Gaumen präsent, aber es erschlägt einen nicht. ich sage dann immer, es „schlenkt“ nicht. Und das ist gut so, denn es lässt dem Hopfen hintenraus Platz, sich ein wenig entfalten zu können. Was wiederum interessant, aber auch ungewöhnlich ist. Denn fränkische Rauchbiere sind in der Regel alles, aber nicht hopfenbetont. Selbst Roland Kundmüller ist von dem Effekt des Hopfens in dem gemeinsamen Bier ein wenig überrascht. Aber der Hopfen setzt in dem Bier nicht unbedingt einen Kontrapunkt. Er entwickelt sich, je mehr ihm das Rauchmalz Platz lässt – sowohl in Aroma als auch in der Bittere. Und die wiederum ist nicht zu übertrieben. Ich mag’s ja nicht, wenn Brauer einen pappsüßen hellen Bock zum Beispiel dadurch „zu retten“ versuchen, dass sie hintenraus mit übertriebener Bittere gegensteuern. Sowas ist einfach nicht ausgewogen. Das haben Alexandre Bazzo und Roland Kundmüller besser gelöst. Vor allem, weil sich im Nachhall wieder ein wenig malzige Honigsüße zeigen darf.
Tja, und dann sind wir halt ein wenig länger sitzen geblieben und haben gefachsimpelt und diskutiert, diesen Rauchbock mit jenem verglichen – unserer schnitt nicht schlecht ab, war aber trotzdem nur zweiter. Wobei unsere Hopfung mit Willamette gut ankam. Tja, und am Ende bin ich dann mit einem Glas Dosenfleisch *sabber* und ein wenig mehr als den beiden geplanten Flaschen nach Hause gefahren. Ich muss das nur dazu schreiben, nicht, dass es dann heißt, ich wäre nicht mehr objektiv und ließe mich bestechen. ;-) Ich bemühe mich trotzdem, objektiv zu schreiben. Ich würde den Bock ja auch kritisieren, wenn es Anlass dazu gäbe. Und wenn ich grade dabei bin: Vielen Dank, Lisa, für die Fotos. Die sind natürlich um Welten besser, als das, was ich so mit meinem Handy knipse …
Denn eigentlich wollte ich ja nur …
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