Ok., ich weiß, dass ich für den heutigen Essay bestenfalls ein Kopfschütteln ernten werde. Naja, wahrscheinlicher denkt ihr sicher, ich sei jetzt vollkommen durchgedreht. Es ist Sonntag Morgen, noch nicht ganz neun Uhr und wir müssen über Essigsäurepentylester reden!
Ja, ich weiß, das ist kein Thema für ein Gespräch so deutlich vor dem Frühstück (und um die Uhrzeit bei vielen auch vor dem Aufwachen), aber ich kann nicht anders. Ich habe nämlich gestern Abend ein Weizen getrunken, was man ja auf Facebook und Twitter sehen konnte und was an sich nichts ist, wessentwegen man so früh am Morgen eine Chemievorlesung starten muss. Aber das Weizen, es handelte sich um die Felsen Weisse der Brauerei Hartmann aus Würgau, hatte mich überrascht, sprachlos und neugierig gemacht.
Ich will mich gar nicht so lange mit der Optik des Weizens aufhalten. Es ist ein typisches, helles und trübes Weizen. Auch die 5,0 % sind nichts, worüber wir reden müssen. Aber sobald man an dem Weizen riecht, sieht die Sache anders aus. Denn man riecht Birne! Ja, Birne und nicht Banane. Da bin ich mir sicher, felsenfest sicher sozusagen! Und das macht mich neugierig, denn woher die Nelkenaromen im Bier kommen (ihr erinnert euch, es ging um die Ferulasäure und das Aroma 4-Vinylguaiacol), weiß ich und kann es auch halbwegs erklären. Das Bananenaroma kommt vom Isoamylacetat, einem der oben erwähnten Essigsäurepentylester. Nun haben diese Essigsäurepentylester verschiedene Namen. Man kennt sie auch als Bananenöl oder Birnenether.
Aha! Der „Schuldige“ für das Birnenaroma ist gefunden. Wobei ich mal schätze, dass da mehrere der um die 90 verschiedenen Fruchtester, die man im Bier finden kann, für so ein fruchtiges, birnig-blumiges Aroma verantwortlich sind. Ich hätte da ja noch Isobutylacetat (Ananas) und Phenylethylacetat (Rosenaroma) sowie Ethylhexanoat und Ethyloctanoat (Apfel) in Verdacht. Die haben sich wahrscheinlich dank der Hefetätigkeit in dem Weizen „zusammengerottet“ und machen, dass es dieses ein wenig süßliche, nicht zu schwere und vor allem interessante Birnen-Fruchtaroma zeigt. Gut, es ist nicht so ausgeprägt und wahrscheinlich trinkt sich das Weizen im Sommer nachdem man mit dem Rad den Würgauer Berg hoch- und wieder runtergefahren ist ganz locker weg, ohne dass man an Birnen denken muss. Aber so im Vergleich mit anderen Weizen, die ich im Verlauf der Woche probiert hatte, stach es heraus. Und auch ein Vergleichsweizen (St. Georgen/Buttenheim), das ich danach aufgemacht hatte, zeigte geschmacklich ein anderes Fruchtaromenprofil.
All diese Esther entstehen übrigens eher bei obergärigen Hefen (durch intrazelluläre Esterbildung, aber wen interessiert das schon um diese Uhrzeit?) und auch bei höheren Temperaturen, wobei das nicht gleichermaßen für alle Ester gilt. Der Glaube, dass diese fruchtigen Aromen vor allem vom Weizenmalz herrühren, ist übrigens so nicht haltbar. Markus Herrmann hat das in seiner Dissertation „Entstehung und Beeinflussung qualitätsbestimmender Aromastoffe bei der Herstellung von Weißbier“ in einem Diagramm sehr schön gezeigt. Ja, ich weiß, man muss schon ein wenig krank im Kopf sein, um sowas so früh am Morgen zu lesen, zumal ich eigentlich von Chemie überhaupt keinen blassen Dunst habe. Aber wenn ich was wissen will, will ich es eben wissen! Jedenfalls ist für die Esterbildung die Würzezusammensetzung (also welche Zuckerarten vorhanden sind) wichtiger. Und was „alte Braufüchse“ auch wissen: So ein Zink-Blech schadet auch nicht. Um die Zuckerzusammensetzung positiv für die Esterbildung zu beeinflussen, kann man übrigens nach dem sogenannten „Maltaseverfahren“ einmaischen. Maltase hat „die Fähigkeit durch Spaltung von Maltoseeinheiten zu Glucoseeinheiten das Glucose/Maltoseverhältnis signifikant zu verändern. (Herrmann: Entstehung und Beeinflussung qualitätsbestimmender Aromastoffe bei der Herstellung von Weißbier. S. 97). Einfach gesagt ist es ein Dekoktionsverfahren, bei dem eine Teilmaische bei 62 °C (Maltoserast) eingemaischt wird. Dann wird sie auf 70 °C (Verzuckerung) hochgefahren. Dann kommt die zweite Teilmaische hinzu, was die Gesamttemperatur auf 45 senkt. Bei einer 40 minütigen Maltaserast (danach ensteht nicht erheblich mehr Glucose) wird das Zuckerverhältnis jetzt so verändert, dass durch die Hefeaktivität mehr Ester wie Isoamylacetat entstehen, die einerseits die typische Bananigkeit bewirken, aber auch für ein Birnenaroma verantwortlich sein könn(t)en.
Was ich mit dieser zugegeben ein wenig ermüdenden Chemie-Vorlesung am frühen Sonntag Morgen sagen wollte: Die Felsen Weisse vom Hartmann in Würgau ist ein fruchtiges, eher birnig als bananig schmeckendes, nicht zu schweres, dafür aber trotz seines ein wenig ungewöhnlichen Aromas ganz nett trinkbares Weizen.
Nächste Woche treffen wir uns dann wieder. Dann gibt es vielleicht einen Vortrag über ein anders Thema. Mal sehen. Vielleicht etwas zum Thema Bier in der Antike und bei den Römern. Ich hätte da ein Bier im Testkühlschrank, das mich neugierig macht …
P.S.: Gut unterrichteten Quellen zufolge soll die Hartmann Felsen Weisse aus Ochsenfurt, genauer gesagt von der Kauzen Bräu kommen. Dass in Franken aber häufig von kleineren Brauereien Weizen zugekauft werden, ist mehr an der Tagesordnung als eine Besonderheit …
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