Ich bleibe heute am 2. Weihnachtsfeiertag mal bei ganz besonderen Fest- und Starkbieren. Und auch, wenn es eigentlich „unfair“ ist, über sein eigenes Bier zu schreiben, habe ich mir für heute unseren selbstgebrauten Roten Rauchbierbock ausgesucht – ganz einfach, weil ich bisher über das Bier nahezu nur Positives gehört habe und weil ich es deshalb hier und da verschiedenen Brauern/Braumeistern usw. als Weihnachtsgeschenk vorbeigebracht hatte.

Roter Rauchbierbock

Vom Typ her ist der Rote Rauchbierbock ein Starkbier mit 17 % Stammwürze und einem Alkoholgehalt von ca. 7 %. Die Farbe ist ein nettes bernstein-kupfer, wobei er filtriert natürlich farblich glänzender herauskäme. Aber an der Sache mit der Filtration scheitern wir Hausbrauer meistens. Dafür bräuchte man „andere Technik“. Wer wie wir Faschengärung betreibt – also die komplett vergorene Würze vor dem Abfüllen noch mal mit einer bestimmten Menge unvergorener Würze „aufspeist“ und dann in Flaschen füllt –, braucht ein gewisses Maß an Hefe im Bier für die Nachgärung in der Flasche. Wobei es mit der Flaschengärung so eine Sache ist. Sind Speise oder Hefe in den Flaschen nicht gleich verteilt, kann es Flaschen mit unterschiedlicher Karbonisierung geben. Das gilt auch für unseren Roten Rauchbierbock: Aus manchen Flaschen (vor allem den zuletzt abgefüllten „2 Liter-Bomben“ will das Bier schon raus. Was Geruch und Geschmack angeht, zitiere ich mal die Urteile von Kollegen, Freunden und Brauern/Biersommeliers, die ihn verkostet hatten. Von „Das Bier ist dein Meisterstück“ bis zu „Für dieses Bier würde ich töten!“ war im Freundeskreis alles dabei. Klar, ein Rauchbier schmeckt nicht jedem, aber wer Rauchbier mag, fand es recht süffig. Von fachlicher Seite lautete das dann z. B.: „Geruch ist fehlerlos mit leichter Rauchbiernote mit spritiger Note.

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In Sachen Körper könnte er ein wenig mehr Volumen haben. Da wünschte sich der eine oder andere „Kollege“ mehr Volumen. Hier und da eine Schippe Cara Red zum Beispiel. Das Raucharoma ist nicht zu dominant, steigt von Schluck zu Schluck an und lässt dem Hopfen am Ende noch ein ganz klein wenig Platz. „Sanft im Antrunk steigt das Aroma des Rauchmalzes im Abgang wieder auf. Eine auf der Zunge verbleibende leichte Bitterkeit animiert zum Weitertrinken.„, beschrieb das ein Sommelier. Gut, mehr Hopfenaroma am Ende wäre ein Punkt, den man probieren könnte. Dann ginge das Bier mehr in Richtung z. B. des Weiherer Rauchbierbocks. Aber auch bei der Testverkostung mit den Brauern dort, schnitt unser Roter Rauchbierbock nicht schlecht ab. Und mein Lieblingssatz von einem Braumeister über diesen Bock ist sowieso „Für einen handwerklichen Sud sehr beachtlich.

Gleisdreieck Roter Rauchbierbock

So, jetzt habe ich unser Bier aber genug gelobt! Eigenlob stinkt ja bekanntlich und wenn etwas „anrüchig“ ist, dann versucht man den Fehlgeruch zu überdecken. Und beim Brauen kann viel schief gehen. Auch heute noch. Und auch reinheitsgebotskonform kann man mit der entsprechenden Technik Fehlaromen im  Bier „behandeln“ – z. B. mit „Kohlensäurewäsche“. Früher hatte man mit Kräutern oder Gewürzen Fehlaromen behandelt. Und das nicht nur in Zeiten des finsteren Mittelalters. Gemeinhin liest man ja, dass das Bier in dunklen Vorzeiten ungenießbar gewesen sein soll. Dann kamen die Reinheitsgebote, die aus schlechten Bieren plötzlich ein gesundes Getränk machten und seither ist das Bier so gut, wie wir es kennen. Was nicht einmal annähernd die halbe Wahrheit ist. Bayerische landesherrliche Verordnungen von 1551 und 1616 erlauben z. B. neben Wasser Gerste(nmalz) und Hopfen auch abwechselnd Salz, Koriander, Kümmel und Wacholder. Und auch wenn ein Bier „nach dem Reinheitsgebot“ gebraut wurde, konnte es vollkommen legal nachträglich mit Kräutern und Gewürzen behandelt werden. Das zeigt das Haus-, Feld-, Artzney-, Koch-, Kunst- und Wunder-Buch des Johann Christoph Thieme, das ab Ende des 17. Jahrhunderts in Nürnberg gedruckt und verlegt wurde. Darin findet sich ein ganzes Kapitel über die Bierbereitung und die Behandlung von Bierfehlern bzw. die Verbesserung des Biergeschmacks. So manches, was heute „modern“ erscheint, war damals schon gang und gäbe.

Thieme 3

Quelle: http://digital.slub-dresden.de/werkansicht/?id=5363&tx_dlf[id]=8806&tx_dlf[page]=731

  Was sich heute modern „barrel aging“ nennt, kannt man auch damals schon. Bier in mit Wein vorbelegte Fässer zu lagern, war ein beliebtes Mittel, den Geschmack des Bieres zu verändern. Neben all den Rezepten, wie man Bier allgemein schmackhafter machen und Bierfehler beheben kann, gibt es ein eigenes Kapitel über die Verwendung von Bier als Medizin. Die sogenannten cervisiae mediatae oder Kräuterbiere. Wer heute – wie die Klosterbrauerei Weißenohe beim Virtac Bior – sein Bier mit Zimt, Kardamom, Orangenschale, Ingwer, Nelken, Piment würzt, muss den Zorn des Beyerischen Brauerbundes fürchten. Damals wäre ein solches Getränk als Kräuterbier (und eben unter der Bezeichnung BIER!!!) nach einem üppigen Mal gereicht, nicht nur selbstverständlich gewesen, sondern auch erwünscht.

Quelle: http://digital.slub-dresden.de/werkansicht/?id=5363&tx_dlf[id]=8806&tx_dlf[page]=741

Quelle: http://digital.slub-dresden.de/werkansicht/?id=5363&tx_dlf[id]=8806&tx_dlf[page]=741

Thieme 5

Quelle: http://digital.slub-dresden.de/werkansicht/dlf/8806/742/0/

Es war vor dem Erlass von 1516 und auch danach nämlich sehr wohl üblich, Biere mit Kräutern oder Gewürzen „zu stopfen“, um damit allerlei Gebrechen und Und Unwohlsein vorzubeugen oder sie zu kurieren. Und in diese Richtung geht das Virtac Bior der Klosterbrauerei Weißenohe.  „Genießen Sie unser Virtac Bior als flüssige Nachspeise, wie einen Digestiv aus einem kleinen Glas und fühlen Sie sich wie ein Nürnberger Pfeffersack des 13. Jahrhunderts nach einem ‚Ghelach.‘“ beschreibt die Brauerei ihre Brauspezialität auf der eigenen Homepage.

 

Quelle: http://www.klosterbrauerei-weissenohe.de/gute-biere/craft-biere/virtac-bior.html

Quelle: http://www.klosterbrauerei-weissenohe.de/gute-biere/craft-biere/virtac-bior.html

So ein Gewürzbier deckt sich nur bedingt mit dem, was wir heutzutage als Bier kennen. Das Feiertagsbier, das bedeutet nämlich der Begriff „vîrtac“, ist ein untergäriges, braunes Starkbier mit 7,0 %, das deutlich nach Kardamom und Gewürzen riecht. Aber Hallo!!! Das Malz und der Biergeschmack dienen hier nur noch als Basis, darüber hat man die volle Bandbreite an Gewürzen. Das erinnert einen vielleicht eher an Lebkuchen als an Bier. Aber Kräuter und Gewürze waren früher immer auch Medizin und wurden nicht selten vom Apotheker verkauft. Das „Magenbrot“ wurde wegen seiner magenfreundlichen Wirkung gelobt. Und mit Nelken, Zimt usw. gewürzte Kuchen nannte man seit jeher Gesundheitskuchen.

Virtac Bior 2

So muss man sich dieses Bier, bei dem die Gewürze 3 Monate im Lagertank auf dem Bier liegen, als „Verdauungsbier“ vorstellen. Entweder vor einem reichlichen Mal als Verdauungsanreger oder danach anstelle des üblichen Kräuterschnapses. Sicher ist das ein ungewöhnliches Bier und nicht mit seinem deutlichen Kardamom und Gewürzaroma nicht nach jedermanns Geschmack. Die  Reinheitsgebotsfetischisten vom bayerischen Brauerbundwürden sicher sofort mit Klage drohen,  nennt man so ein Getränk  Bier. Aber eines lässt sich nicht bestreiten:

Weißenohe Triple

Solche Biere, wie von der Klosterbrauerei Weißenohe auch mit dem Gruitbier gebraut, waren ein Teil unserer vielfältigen und lebendigen, vielhundertjährigen Bierkultur. Dass sie es jetzt – vor allem im Hinblick auf das 500jährige Jubiläum des Reinheitsgebotes – nicht mehr sein sollen, ist eigentlich unverständlich!