Nach so einer ausufernden Kolumne zum Thema Reinheitsgebot, wie ich sie gestern „verzapft“ habe, wieder zum „Tagesgeschäft“ zurückzukehren, ist nicht immer ganz so einfach. Zu viel blieb noch ungesagt. Manches hat man gestern erst im Laufe des Tages neu gelernt. Oder man hat etwas gelesen, was die Sachlage prägnant auf den Punkt bringt – und was man nun „seiner lieben Gemeinde“ nicht vorenthalten möchte.

Hefeweizen Dunkel 1

Dass Weizen- bzw. Weißbiere dem Wortlaut nach überhaupt nicht nach dem Reinheitsgebot von 1516 gebraut werden können, wurde schon an vielen Stellen herausgearbeitet, gestern hatte ich zu diesem (und auch noch anderen Themen) diesen Artikel hier gefunden (Das Reinheitsgebot ist tot, lang lebe das Reinheitsgebot), der mehr als nur lesenswert ist. Beim Weizen wird ja der Bezug zur 1516er Regel über den Umweg hergestellt, dass man ganz allgemeinernd sagt, Gerste bedeute ja eigentlich Malz und Malz meine und beinhalte irgendwie auch alles andere Malz. So schwurbelt man den Satz „GEBRAUT NACH DEM REINHEITSGEBOT VON 1516“ auf Etiketten von WEIZENbieren, obwohl das Reinheitsgebot von 1516 ausdrücklich ein „Anti-Weizenbier-Gesetz“ war.

Hefeweizen Dunkel Reinheitsgebot

Beim Loscher Hefe-Weizen Dunkel steht es trotzdem auf dem Etikett – wie auf vielen anderen Weizen auch. Streng genommen ist das eine Verbrauchertäuschung, vor der der Bayerische Brauerbund, Gralshüter der 1516-Romantik, die Verbraucher immer so vollmundig schützen will. Aber die fast schon reflexhafte Wiederholung des Satzes „GEBRAUT NACH DEM REINHEITSGEBOT VON 1516“ auf nahezu jeder Art von Bieretikett zeigt doch nur umso deutlicher, wie sehr besagter Satz zur reinen Marketinaussage „verkommen“ ist. Oder sagen wir nicht „verkommen“. Der historisch vollkommen falsche Hinweis auf das 1516er Reinheitsgebot soll als – die Verbraucher täuschendes – Qualitätsversprechen verstanden werden: „Schaut her, hier bekommt ihr ein reines, gutes WEIZENbier wie die im Reinheitsgebot von 1516 vorgesehenen GERSTENbiere.“ Ein 1516 von einer bürgerlichen Brauerei hergestelltes Weizen wäre aber durch das Reinheitsgebot strafbar gewesen. Niemand im Herzogtum (außer dem Herzog alleine) sollte 1516 mit Weizen brauen dürfen. So steht es da!

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Was nichts an der Qualität des dunklen Loscher Hefe-Weizens ändert! Denn gut ist das dunkle Weizen durchaus. So ein dunkles Weizen zwischendurch setzt ja alleine schon optisch Akzente im ansonsten hellen Honigallerlei. Beim Loscher Hefeweizen bekommt man zur dunklen Farbe auch noch die entsprechenden Aromen: Schwere, reife Banane zum Beispiel, auch Nelkenwürze. Das ganze kombiniert mit dunklen Maltaromen ergibt kein schlechtes Weizen.

Gesundheitstrunk

Eines ist mir aber dann doch noch aufgefallen: Auf dem Etikett steht der Satz „ein wahrhaft genussvoller Gesundheitstrunk aus Bayern„. Und ob das so rechtens ist, weiß ich nicht. Denn mit Gesundheitsaspekten zu werben unterliegt eigentlich der EG Verordnung Nr. 1924/2006. Und die sagt: „Nach den Begriffsbestimmungen der genannten Verordnung ist […] eine ‚gesundheitsbezogene Angabe‘ jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht,
Was im Falle des „Gesundheitstrunks“ gegeben sein dürfte. Und da hege ich jetzt schwere Zweifel, dass ein dunkles Weizen vor Gericht als gesundheitsförderlich anerkannt wird. Immerhin wurde Warsteiner im letzten Jahr richterlich untersagt, das eigene Alkoholfreie „vitalisierend“ zu nennen.

Screenshot Twitter

Wenn ich dem Bayerischen Brauerbund vorstünde, ich würde mich nicht so sehr darauf versteifen, irgendwelche Craftbrauer wegen des Reinheitsgebots anzugehen. Denn im nächsten Jahr wird die Sache mit dem Weizenverbot im Reinheitsgebot von 1516 deutlicher im Vordergrund stehen. Am besten, der BBB wird bei den Weizenbrauern mal vorstellig und weist sie auf diese Irreführung des Verbrauchers hin, bevor es Lebensmittelaufsicht oder Foodwatch usw. tun. Und wenn wir schon dabei sind, sollte der BBB insgesamt mal auf die Etiketten schauen, damit sowas wie mit dem Gesundheitstrunk nicht passiert. Eine kostenfreie Überprüfung und Beratung der Etiketten für Verbandsmitglieder sollte doch drin sein. Dann könnten auch kritische Blogger wie ich der Arbeit des BBB mehr abgewinnen – mal ganz abgesehen davon, dass das zu den Aufgaben gehören würde, die ich von so einem Verband erwarten würde …