Es gibt unzählige Faktoren, die unsers ensorisches Empfinden beeinflussen können. Wissenschaftlich spricht man dann unter anderem von „kognitiven Einflüssen auf sensorisches Erleben“. Dabei geht es zum Beispiel darum, wie sehr unser Geschmacksempfinden durch den Namen eines Produkts beeinflusst wird. Kurz gesagt: Vom Namen eines Produkts beeinflusst kann man Aromen schmecken, die gar nicht im Produkt enthalten sind.
Vor diesem Hintergrund ist es natürlich interessant, Ende November das Sommerbier der Brauerei Meusel aus Dreuschendorf zu testen. Allerdings gab es das Bier noch bis letzter Woche im Sortiment. Und wer wünscht sich nicht „Sommerfeeling“ zurück, wenn er gerade früh morgens die ersten Minuten am Tag mit dem Freikratzen der Autoscheiben verbringen muss.
Aber was muss ich mir unter einem Sommerbier vorstellen? Wie schmeckt der Sommer? Langnese hat einem da ja erfolgreich in den Schädel geträllert, dass der Sommer wie Eis zu schmecken habe. Sonst hätte ich jetzt in Sachen Bier auf etwas Spritziges, Leichtes und Fruchtiges getippt. Nur nichts Dunkles und Schweres, schließlich erzählt uns Ferrero seit den Neunzigern, dass der Sommer leicht und verführerisch sei – und eben ohne Schokolade auskomme. Aber während die Raffaello-Ladys in sommerlich leichtem Weiß irgendwo durch die Karibik wandeln, steht im Krug das Meusel Sommerbier in sattem Fast-Schwarz. Aber Dreuschendorf ist halt nicht auf den Bahamas. Und immerhin: Die Sommerbier-Lady räkelt sich nicht weniger genussvoll in ihrer Badewanne voller Bier. Sinn für Humor haben sie ja schon in Dreuschendorf. Die Raffaello-Ladys haben sich so viel Freizügigkeit nicht getraut.
Ein Schwarzbier mit blonder Seele soll es sein, was irgendwie nach einem gefärbtem Pils klingt. Besonders „leicht“ ist es nicht gerade. 4,8 % sind eher normal, auch wenn man sagt, dass dunkle Biere gerne ein wenig mehr Alkohol haben. In der Nase spiegeln sich … ja, was eigentlich wieder? Irgendwo meint man dunkle Aromen zu erschnuppern. Aber nur ganz wenig. Stroh- und Hopfennoten aber auch. Und alles irgendwie ein wenig diffus. Oder mein Geschmacksempfinden ist nicht mehr auf Sommer eingestellt. Oder der optische Eindruck (schwarzes Bier) will nicht zum Aroma passen. Das Bier verwirrt mich jedenfalls. Und nicht nur in Sachen Geruch, sondern auch beim Geschmack. Ich tu mir schwer, es einzuordnen. Es schmeckt jetzt nicht unbedingt wie ein „Blondes“, aber auch nicht so schwer dunkel, wie es aussieht. Die Röstnoten wirken leichter, das Malz ein wenig süß zwischendrin mit einem Hauch von Nougat. Aber eben auch nicht so wie Nutella oder Hanuta. Dazu kommt noch eine Spur Hopfen, allerdings ohne großartige Bittere. Also eher ein mildröstiges Bier mit einem längeren, getreidigen Nachhall.
Joah, daran könnte man sich gewöhnen, wobei ich noch nicht genau sagen kann, was das Bier so „sommerlich“ macht. Aber das habe ich auch bei Raffaello nie verstanden. Und in Sachen Geschmack gibt’s ja eh noch so manches Unverständliches: Frisch Verliebte schmecken Bitteres und Salziges weniger stark als die, die in Langzeitbeziehungen sind. Frauen nehmen Bittere überhaupt eher wahr als Männer. Überhaupt bestimmt laut einer Studie des Kings College in London unser Erbgut zu 41 % bis 48 %, was uns schmeckt und was eben nicht. Und dann wäre da noch der Versuch des französischen Önologen Frédéric Brochet: Der servierte einer Gruppe von 54 Weinkennern „Rotwein“, bei dem es sich aber tatsächlich um mit Lebensmittelfarbe auf Rot getrimmten Weißwein handelte. Dass Geschmack und Farbe nicht zueinander passten, bemerkte keiner. Man schmeckt, was man sieht – so könnte das Fazit lauten. Was im Fall des Meusel Sommerbiers bedeuten könnte, dass die mein Gaumen dunkle Aromen schmeckt, weil er sie der Farbe nach erwartet. Oder sie sind wirklich da. Wobei die testenden Kollegen von ratebeer.com auf eine ähnliche Bewertung des Biers kommen wie ich.
Allerdings muss das auch nichts bedeuten …
P.S.: Was mich am Sommerbier übrigens auch noch irritiert, ist das Etikett. Denn auch, wenn ich die Süße in ihrem Bierbad „nett“ finde, fehlt mir da eigentlich was …
Noch keine Kommentare