Leute, ich verstehe mal wieder etwas nicht. Vielleicht kann mir ja jemand helfen das Reinheitsgebot und das Denken des Bayerischen Brauerbundes zu verstehen. Denn der wird ja nicht müde, das Folgende zu erklären:
„Bis heute sind Wasser, Malz, Hopfen und Hefe die einzigen Rohstoffe, die für die Bierherstellung in Bayern verwendet werden.„
Das kann man so lesen: Biere, die nur Wasser, Malz, Hopfen und Hefe als Zutat enthalten, sind gebraut nach dem Reinheitsgebot und somit auch legal. Biere die andere oder zusätzliche Zutaten enthalten, entsprechen nicht dem Reinheitsgebot und sind somit illegal. Nur ist es nicht so einfach. Deshalb habe ich ein kleines Bilderrätsel für euch. Welches der beiden Biere ist gebraut nach dem Reinheitsgebot?Hättet ihr jetzt auch A gesagt? Ich auch. B ist aber richtig, denn auch wenn A nur aus Wasser, Malz, Hopfen und Hefe besteht, ist es eben nicht das richtige Malz bzw. die richtige Hefe. Bier mit Weizenmalz MUSS obergärig gebraut werden. Bier A wird aber untergärig eingebraut. Dass bei Bier B, dem Kristall Weizen des Hochstiftlichen Brauhauses in Bayern(!), der ehemaligen Will Bräu in Motten, neben den vom Bayerischen Brauerbund so hochgelobten und ausschließlichen vier „besten“ Zutaten noch eine fünfte „beste“ enthält, scheint das Reinheitsgebot nicht zu verletzen. Denn auf dem Etikett steht klipp und klar: „Aus besten Zutaten gebraut nach dem bayerischen Reinheitsgebot„! Und auf der Homepage der Brauerei wird das Bier als „Original Bayerisch“ angepriesen.
Und das verstehe ich nicht. Ich weiß zwar, dass bei der Bierproduktion entstandene Kohlensäure dem Bier (oder auch einem anderen) wieder zugegeben werden darf. Die rechtlichen Grundlagen erlauben das. Aber warum das eine erlaubt (nämlich mehr als die vier berühmten Zutaten) und das andere verboten (nämlich mit diesen vier Zutaten zu brauen, wie man will) sein soll, DAS will mir nicht eingehen.
Nun ist ein Biertest mit einem solchen Bier natürlich nie richtig objektiv. Ich bin voreingenommen, wenn ich „CO2“ und „Reinheitsgebot“ auf einem Etikett lese. Insofern bin ich sicher gerade „hyperkritisch“, wenn ich schreibe, dass das Beste an diesem Kristallweizen noch die Farbe ist. Und vielleicht die 5,3 % Alkohol. Der Geruch ist auch ok., feine Bananennoten und ein typischer Weizenduft sind da. Aber geschmacklich finde ich es … langweilig! Es hat wenig Körper, eine leichte Säure und ansonsten ein wenig getreidige Noten, ein wneig Citrus, nicht so sehr fruchtig … Vielleicht charakterisiert man es mit „halbtrocken“ am besten.
Was am meisten auffällt, ist die prickelnde Kohlensäure! Ehrlich gesagt ist das das Einzige, was einem im Hinterkopf haften bleibt. Und da geht es nicht nur mir so, auch einigen Testern bei ratebeer fiel die „high carbonation“ auf. Tja – und da sind wir wieder bei der zugestzten Kohlensäue. Und vielleicht der Frage, wozu man die überhaupt benötigt.
Dass alkoholfreie Biere „aufkarbonisiert“ werden, verstehe ich ja. Bei einer verkürzten Gärung entsteht ja nicht nur weniger Alkohol, sondern eben auch weniger Kohlensäure. Also hilft man nach, um die gewohnte Rezenz zu erhalten. Aber warum bei einem komplett vergorenen Bier? Geht es darum, die Kohlensäure zuzugeben, die fehlt, weil das Kristall Weizen keine nachträgliche Flaschengärung erfährt?
Und wenn mir schon dabei sind: Gekauft habe ich dieses Testbier bei meinem lokalen tegut-Laden. Waren die nicht mal angetreten, „gute“ Lebensmittel zu verkaufen? Sollte man dann nicht ruhig mal „genauer“ hinschauen? Hätte ich einen Getränkemarkt, ich würde so ein Bier auslisten. Für mich widerspricht sich die Angabe „gebraut nach dem Reinheitsgebot“ mit der CO2-Zugabe. Nicht rechtlich, das weiß ich. Aber das verstehe ich ja nach wie vor nicht. Aber es gibt da auch nichts zu verstehen. In einem sehr lesenswerten Artikel in der Brauwelt Nr. 13/2015 haben Dr. Uwe Lebok und Andreas Putz von K&A BrandResearch AG die Beziehung zwischen Reinheitsgebot und Verbraucher befragt, hinterfragt und beschrieben. Eine Passage daraus möchte ich euch nicht vorenthalten:
„Analog zu manch einer religiösen Vorgabe, weshalb bestimmte Fleischsorten aufgrund historisch lang zurückliegender Begebenheiten auch heute nicht zu essen erlaubt sind, mutet auch das Reinheitsgebot in einer fundamentalistischen Interpretation eher wie ein Glaubensbekenntnis an. Verschiedene historische (mittelalterliche) Rahmenbedingungen und auch diverse Zufälle haben letztlich zu dieser Fassung geführt.“
Und sie ziehen den Schluss:
„Würde der Konsument aber in Gänze über die Inhalte der mittelalterlichen Verordnung und die Gründe darüber, warum Hopfen und nur bestimmte Getreidesorten verwendet werden dürfen, informiert sein, so wäre das Reinheitsgebot weit weniger Orientierungsmaßstab für Bier.“
Das heißt für mich: So lange wir Konsumenten uns nicht auskennen und das Reinheitsgebot für uns alltägliche, nicht hinterfragte Routine ist, ist alles gut. So, wie man es vom BBB z. B. immer wieder hört und liest. Einem Reinheitsgebot, das ein Qualitätsversprechen wäre, würde nach meinem Dafüralten ein untergäriges Weizenbier eher entsprechen als ein obergäriges Weizen, bei dem mit CO2 nachgeholfen werden muss!
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