Wie gesagt, jeder braut ein Kellerbier. Die Lohrer Keiler Bier GmbH natürlich auch, aber erst seit Juni letzten Jahres. So gesehen ist das Kellerbier der „Kultmarke“ recht jung. Und mit dem „Kult“ ist es auch so eine Sache. Da hätten sich die Manager bei der Würzburger Hofbräu, der „Mama“ der Keiler Bier GmbH, beinahe ein ziemlich dickes Ei gelegt. Es gibt nämlich jedes Jahr im Juli/August die Lohrer Spessartfestwoche. Und für die gab es jedes Jahr natürlich Keiler Bier aus Lohr. Dass mit dem „aus Lohr“ war den Lohrer Stadtoberen so wichtig, dass sie es sich in den Bierliefervertrag schreiben ließen. Lohrer Bier mit Lohrer Wasser!
Nachdem die ehemalige Lohrer Brauerei Stumpf 2001 von der Würzburger Hofbräu übernommen wurde, wurde zwar noch in Lohr gebraut, aber z. B. in Würzburg abgefüllt. 2004 wurde die Würzburger Hofbräu ihrerseits von den Kulmbachern übernommen. Als dann klar wurde, dass der Pachtvertrag der Würzburger Hofbräu für das Brauereigelände 2012 auslaufen werde und die Würzburger nur den Brauereigasthof übernehmen wollten, rumorte es schon ein wenig in Lohr. Zwar haben die Würzburger der Gaststätte eine schicke kleine Gasthausbrauerei verpasst, aber konnte man damit wirklich die 130.000 Liter für die Spessartfestwoche stemmen? Konnte – oder durfte – sie wohl nicht. Das Lohrer Festbier wurde 2012 komplett in Würzburg gebraut! Das wurde anhand von Wasseranalysen den Keilern/Würzburgern nachgewiesen und das musste Michael Krasser, Geschäftsführer der Keiler Bier GmbH und der Würzburger Hofbräu, auch so eingestehen. Es hätte „technische Gründe“ gehabt, weil das Lohrer Brauhaus so lange außer Betrieb gewesen sei. Die Lokale Main Post schrieb damals sogar von einer „Abwatsch-Orgie“, die der Geschäftsführer bei der offiziellen Beichte bei den Stadtoberen über sich hätte ergehen lassen müssen. Wobei es so schlimm auch nicht gewesen sein kann, denn erstens erntete er für das Eingeständnis des Bierbetrugs Applaus und zweitens kündigte man zwar besagten Bierliefervertrag und verhängte eine Strafe, kündigte aber gleichzeitig an, auch 2013 Keiler Bier ausschenken zu wollen, wenn es denn diesmal in Lohr gebraut würde. Und auch die Spessartfestwochen 2014 hat sich Keiler (also die Würzburger Hofbräu) mittlerweile wieder gesichert. Das hätte sich auch zum Marketing-GAU entwickeln können.
So aber darf die Keiler Bier GmbH weiterhin an ihrem Kult-Status basteln. Zum Beispiel mit besagtem Kellerbier. Das soll, so hört man immer wieder, wie alle anderen Keiler Flaschenbiere auch in Würzburg gebraut werden. Daran ist rechtlich auch nichts verwerflich, denn nichts auf dem Etikett sagt, dass das Bier aus dem ruigen Spessart käme. Zwar heißt es auf dem Etikett „NACH URTYPISCHER BRAUTRADITION AUS DEM SPESSART“, aber das kann man eben so oder so lesen. Also, dass das Bier nach urtypischer Brautradition gebraut werde und aus dem Spessart komme, was falsch wäre, oder, dass es nach einer urtypischen Brautradition aus dem Spessart (nur halt woanders) gebraut werde. Was man so sagen kann, auch wenn ich jetzt nicht genau sagen könnte, ob es im Spessart ein urtypische Kellerbier-Brautradition gibt. Aber wer wird so haarspaltersich sein wollen?
Die vielen Keiler Freunde, Keiler Clubs und Keiler Stammtische, die sich am Samstag auf den Spessartfestwochen zum großen Keiler Weißbierfrühschoppen treffen, jedenfalls kaum. Da ist es mit dem Keiler wie mit der EKU oder meinetwegen auch dem FC Bayern München. Tradition ist Tradition! Und dass ein Arjen Robben oder ein Frank Ribéry keine waschechten Bayern sind, ist in dem Fall geschenkt. Spielt doch eh heute keine Rolle mehr, woher einer kommt, Hauptsache das Ergebnis stimmt. ist wahrscheinlich wie mit dem Wasser fürs Lohrer Festbier.
Aber ich war ja noch beim Kellerbier, das ja nicht aus Lohr kommen muss. Mit seinen 5,4 % Alkohol steht es schon mal ordentlich da. Muss es als richtiger Keiler wahrscheinlich auch. So eine echte Wildsau ist ja kein Kuscheltier. Und trüb ist es, meine Herren. Da ist der morgendliche Nebel im dichten Spessartwald ein Dreck dagegen. Meine Herren, da haben sie es mit der Hefe aber gut gemeint. Bei so vielen Trubstoffen hätte man sich den Hinweis auf dem Rückenetikett, dass man die Hefe aufrütteln müsse, fast sparen können.
Eigentlich schmeckt das Keiler Kellerbier gar nicht so übel. Es ist deutlich hefig, anständig „kellerig“, das sperrt sich nicht beim Trinken. Gut, man könnte ihm vorwerfen, dass es in Sachen Charakter und Image nicht zu den Top-Kellerbieren gehört. Aber sonst? Leichte Karamell- und Röstaromen bauen sich auf, daneben ist es getreidig, hat unterschwellige Bisquitsüße … Zu spritzig ist es auch nicht. Kann man lassen.
Da gibt es aus dem Kulmbacher Konzern tatsächlich wesentlich schlechtere und vor allem langweiligere Biere. Als „Kultbier“ kann ich das Keiler Kellerbier trotz aller Werbung und geschickter Marketing-Aktionen trotzdem nicht ansehen. Zum einen wegen der Geschichte mit dem „gefaketen“ Festbier und zum anderen, weil zm fränkischen Kultbier einfach die urig-kultige Gastwirtschaft fehlt.
Das neue und recht modern wirkende Keiler Brauhaus – in dem ja auch nicht die Flaschenbiere hergestellt werden – spricht mich auch nicht so an.
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