Beim Bier komme ich mir manchmal vor, wie bei der OB-Werbung: Es ist eine Geschichte voller Widersprüche.
Nehmen wir mal die Sache mit dem Bierkonsum. Auf der einen Seite wird von allen Brauereien und Bierverbänden Bier als Genussmittel hochgelobt, auf der anderen Seite produzieren genau jene Brauereien ihr Dosenbier für keine 60 Cent, pro LITER!
Den Trend des #Showerbier begrüßte der Deutsche Brauerbund auf Twitter z. B. am 19.12.13 mit dem Kommentar: „Bier in vielen Lebenslagen! Die Community showerbeer für den Genuss unter der Dusche wird immer größer – recht so!„. Am 2.2.14 stellt er dagegen die Frage: „wirklich eine ‚magische Erfahrung‘ oder einfach nur eine Schnapsidee?
Dass sich die gesamte deutsche Bierwirtschaft gegen das Fracking mit dem Hinweis auf die gefährdung des Reinheistgebots durch Chemie im Brauwasser ausgesprochen hat, war natürlich gut. Es hindert aber große Brauereien nicht daran, ihr Wasser chemisch bis aufs reine H2O zu zerlegen und dann „so wieder aufzubauen“, wie es für die jeweilige Sorte produktionstechnisch am besten ist. Denn was vor dem Brauprozess mit dem Wasser geschieht habe ja rein rechtlich mit dem Reinheitsgebot nichts zu tun, hört man hier und da. Das betreffe ja nur das Brauen.
Ähnliche Widersprüche muss man auch in Sachen Bier und Gesundheit immer wieder „zusammenführen“. Denn Fitness- und Gesundheitstrends führen in nicht unerheblichem Maß zum Rückgang des Bierkonsums in Deutschland. Also muss man dem Bier ein gesundes Image verpassen.
Bier habe viel weniger Kalorien als angenommen, liest man deshalb in schöner Regelmäßigkeit. Verglichen wird Bier dann in der Regel mit Wein, Vollmilch oder manchmal auch härteren Spirituosen. Im Vergleich dazu steht Bier auch kalorientechnisch sehr gut da. Nur mal ehrlich: Wer trinkt denn einen Liter Wein, Milch oder Schnaps pro Abend? Genau, keiner! Rechnet man die Mehrkalorien durch Bier nämlich auf die tatsächlich getrunkenen Mengen pro Tag um, sieht die Sache schon wieder anders aus. Und der Liter am Abend ist das, was tatsächlich in der Presse als gesund empfohlen wird. „Ein Liter unfiltriertes Bier deckt rund 20 Prozent des Tagesbedarfs eines Erwachsenen an Kalium und 45 Prozent an Magnesium sowie Kohlehydrate.„, wird der Ernährungsexperte Sven Müller in einem Artikelauf http://www.presseanzeiger.de/ zum Tag des Biers 2010 zitiert. Das klingt ein wenig wie Volker Kauders klassischer Satz, dass zwei oder drei Weißbier am Tag schon sein müssten.


Allerdings muss Müller gleich wieder ein wenig zurückrudern:ein bis zwei Gläser aber möglichst nicht jeden Tag„, das sei ein richtiger, moderater Konsum. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung streicht dagegen das zweite Glas am Abend: „Wenn Sie als Frau mehr als 0,1 l Wein oder Sekt, mehr als 0,25 l Bier oder 4 cl Schnaps pro Tag trinken, bewegen Sie sich bereits in einem gesundheitlich riskanten Bereich. Für Männer gilt die doppelte Menge. Egal ob Mann oder Frau: Sie sollten grundsätzlich nicht jeden Tag Alkohol trinken.“
Ich sag’s ja: Irgendwie ist das wie die Quadratur des Kreises. Dabei ist gegen die grundsätzliche Aussage nichts einzuwenden. Unfiltriertes Bier ist gesünder als filtriertes Bier – und wir deshalb immer beliebter. Aber das ist eine neue Entwicklung: Seit der Einführung von Filtrationstechniken im späten 19. Jahrhundert galt unfiltriertes Bier als „schlecht“ und wurde nicht selten mit Bierfehlern wie Alterung oder bakterieller Infektion gleichgesetzt. Dementsprechend wurde mit allem filtriert, geklärt und stabilisiert, was möglich war. Astbest findet sich zum Beispiel unter den Filtrationshilfsmitteln, die vor nicht allzulanger Zeit noch genutzt wurden – und die dabei in nachweißbarem Maß ins Filtrationsgut (also ins getrunkene Bier!) übergingen. Übrigens reinheitsgebotskonform! Heute wird das aber Gottlob nicht mehr genutzt. Und mit einem Mehr an Gesundheit würde ich unfiltrierte Bier auch gar nicht so sehr anpreisen wollen. bei moderatem Konsum fällt das Mehr an B-Vitaminen und Xanthohumol nicht wirklich ins Gewicht. Wenn es ein wirkliches Argument für unfiltrierte Biere gibt, dann den, dass sie besser schmecken! Also gut, nicht alle. Auch da gibt es gute und schlechte unfiltrierte Biere.

Pyraser Schwarzbier

Aber beim Pyraser Schwarzbier macht sich das Mehr an Geschmack wirklich bemerkbar. optisch fällt die Trübung nicht so sehr auf. Klar, fast schwerze Biere lassen eh nicht so viel Licht durch. Was mir noch gefiel war der dunkelbraune Schaum.
Was mir außerdem gefiel, war der nussige, dunkle und hefige Geruch. Das roch nicht so brachial nach Röstmalz, nein, das war wirklich interessant. Auch geschmacklich fand ich es recht eigenständig, weil die dunklen Schokoladennoten, die so ein Schwarzbier zeigt zusammen mit der Hefe und der Würze ein echt nett rundes Schwarzbier ergeben. Und auch da fühlte ich mich im Aroma an Walnüsse erinnert. Nicht zu süß, mit einer feinen Bittere am Ende, davor ein volles und durchaus aromatisches Bier. Ja, das kann man trinken.

Ich finde, beim Bier sollte der Geschmack im Vordergrund stehen. Mit bemühten Gesundheitsdebatten, Trend-Hype oder Trend-Bashing usw. erreicht man Konsumenten doch nicht mehr wirklich. Sind das nicht nur Rückzugsgefechte auf einem immer weiter schrumpfenden Markt? Kein „Pseudo-Premium“ mehr, kein Marketing-Botschafter, der wichtiger ist als das Produkt – wie bei der Ankündigung des neuen Krombacher Hell: Stellen wir das Bier und seinen Geschmack in den Mittelpunkt. Für Brauereien und Brauverbände sollte das eine Selbstverständlichkeit sein.