Hätte ich eigentlich bisher etwas über das Oktoberfest schreiben sollen? Immerhin hat ja diese Woche in München mal wieder das größte Volksfest der Welt begonnen. Und da geht’s ja wohl nur um eins, ums Bier. Da wird getrunken, was das Zeug hält. Obwohl es 2013 statistisch nur knapp über eine Maß pro Besucher war (6,7 Mio Besucher, 6,4 Mio Liter Bier). Naja, denkt man daran, dass die Maß eh schlecht eingeschenkt ist, wurden wahrscheinlich weit mehr Maßen verkauft, als es Besucher gab. Was einen Kollegen vom Stern nicht davon abhält, völlig sinnenbefreit im Selbstversuch seine Trinktauglichkeit unter Beweis zu stellen. Ergebnis: An die getrunkene Menge kann er sich nicht mehr erinnern und ein tierischer Kater am nächsten Morgen. Überhaupt ist das Oktoberfest in allem Spitze – eben auch in den Negativrekorden. 56 Tonnen Müll müssen an jedem Wiesn-Tag weggeräumt werden. Und in Sachen Bierpreis schlägt die Wiesn gefühlt ja sowieso alles. Bei mittlerweile über 10 Euro für eine schlecht eingeschenkte Maß liegt der Literpreis schon längst über dem, was man im Supermarkt für eine Kiste Paulaner, Hacker-Pschorr oder ähnliches bezahlt. Ob die Wartezeiten vor dem Zelt und die Musik darin den Faktor 10 beim Preis rechtfertigen, muss jeder für sich entscheiden. Dumm und dusselig verdienen sich am Oktoberfest jedenfalls wenn, dann nur die Brauereien. Für die Stadt München ist so eine Wiesn eher ein Verlustgeschäft. 2009 standen 3,85 Millionen Euro an Einnahmen durch Festwirte und Schausteller Ausgaben in einer Höhe von 4,2 Millionen Euro gegenüber, berichtet Wikipedia. Aber die Stadt profitiert ja auch anders vom Oktoberfesthype: Über 800 Millionen geben die Gäste in der Stadt für Übernachtungen, Transport und natürlich das obligatorische Dirndl aus. Dessen oft ausladende Formen werden aber nur allzuoft als Einladung missverstanden: An jedem Tag der Wiesn wird statistisch eine Vergewaltigung angezeigt. Wobei die Theresienwiese, die ja alles andere als eine Wiese ist, da relativ sicher sein dürfte. Problematisch wird’s eher außerhalb des Festgeländes. Andere sexuelle Übergriffe werden da gar nicht mitgezählt. Und was die Kombination aus Bier, Partydirndl und Handykameras an peinlichen und kompromittierenden Bildern produziert, mag man sich gar nicht vorstellen.
Aber es hilft nichts. Im Moment ist „bayerisch“ halt wieder gnadenlos in. Am besten „echt bayerisch„. Was auch immer das sein soll, denn wie definiert man einen echten Bayern? Oder ein echt bayerisches Bier, wenn das meiste davon doch eh internationale Konzernbrühe ist? Wie gut, dass es Bier gibt, dass einem sagt, dass es echt bayerisch ist. Wie gut, dass es von der Brauerei Kaiser in Neuhaus ein „Echt bayerisches Pilsner“ unter dem Markennamen Weiss Rössl gibt. Aber sind wir mal ehrlich: Das „Echt bayerische Pilsner“ ist so echt bayerisch wie die Dirndl auf der Wiesn. Deren Farbenpracht geht am bayerischen Original genauso vorbei wie die grüne Farbe beim Rautenmuster. Aber immerhin kann man die Regel „grün = Pils“ anwenden. Aber „bayerisch“ ist so ein Pils nicht unbedingt. Obwohl von einem Bayern erfunden, ist das Pils in Bayern nur ein Bier unter vielen. Auf gerade mal 12 % Ausstoßanteil kommt das Pils in Bayern. Und auch nur, weil wir Franken da kräftig mithelfen. 25 % Pils-Ausstoß in Franken stehen grade mal gut 3 % in Restbayern gegenüber.
Genau besehen gibt es ein „Echt bayerisches Pilsner“ also eigentlich nicht. Eine Mogelpackung, eine reine Marketingmasche, nichts anderes, als eine Billigmarke, die irgendwie auf der „Bayern = geil“-Schiene surft: Reinheitsgebot, Qualität, die Heimat des Biers usw.
Gut, das Pils sieht aus, wie ein Pils aussehen muss. Der Geruch hat so ein typisch strohtockenes Hopfenaroma. Geschmacklich kann man dem Bier zugute halten, dass es immerhin würzig ist. Man schmeckt schon Hopfen, aber er wirkt halt nicht frisch, nicht grasig, blumig, keine Anklänge von Zitrone … Mensch, Hopfen kann so viel Aroma ins Bier bringen, wenn man ihn denn nur ließe. Im Hopfenanbauland Bayern müsste man das doch zu schätzen wissen. Aber die Statistik spricht eine eindeutige Sprache. In „Bayern“ dominieren mit Weizen und Hellem Biere, die maximal ein Minimum an Hopfen benötigen. Entwicklungshilfe in Sachen Hopfenaroma täte da Not. Mit so einem Bier gelingt das garantiert nicht. Insofern ist dieses „langweilige“ Pils schon echt bayerisch. Ein Plädoyer für ein Mehr an Hopfen sieht allerdings anders aus! Und dass es hierzulande gute Pilsner gibt, hat dieses Projekt schon oft genug bewiesen.
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